Maybe the force - Science Fiction und Star Wars: Kehrtwendungen zwischen Mythos und Wissenschaft
Populäre Science Fiction und Alltagsbewusstsein
Am 18. Dezember läuft weltweit die letzte Folge der letzten der drei Star Wars-Trilogien in den Kinos an, Nr. 9, "Star Wars: The Rise of Skywalker" - "Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers". George Lucas‘ Trilogien-Trilogie gilt gemeinhin als Science Fiction, was SF-Puristen auch gerne mal bestreiten. Die Filmreihe hat sich als globales popkulturelles Phänomen in die Bewusstseine all Derjenigen gebrannt, die Zugang zu Kino, TV oder Internet haben, auch wenn sie keine Fans sind.
1977 kam der erste Teil der Originalserie, "Star Wars Episode 4 - Eine neue Hoffnung", in die Kinos. Es kann also jede(r), der das möchte, mit dem Abschluss der Serie und frei nach Douglas Adams auch magische 42 Jahre Star Wars als Jubiläum feiern und vielleicht per Anhalter ins Kino pilgern. Alternativ kann das Weihnachts-Kinoereignis für die ganze Familie aber auch als Anlass dienen, rückblickend nach den in die prominente Film-Saga eingearbeiteten Narrativen zu fragen, welche Motive sich in George Lucas‘ Werk zum Ausdruck bringen oder - je nach Blickwinkel - auch verbergen. Darüber hinaus kann auch reflektiert werden, welchen Einfluss diese Narrative auf unseren Blick in die Welt ausübten und möglicherweise noch ausüben.
Dass populäre Science Fiction und entsprechende Franchises Eingang in unsere Alltagsbewusstseine finden und dort manchmal sogar Kurioses produzieren, ist ja nichts wirklich Neues. So überfiel ein Mann in der Nacht vom 4. Februar 2009 zwei 11/7 Lebensmittelläden in Colorado Springs und bedrohte die Verkäufer mit einem seltsam aussehenden Schwert, das die Verkäufer in beiden Läden trotz der Stresssituation und unabhängig voneinander zweifelsfrei als Bat‘leth identifizieren konnten, als das traditionelle klingonische Schwert aus der Star Trek-Reihe.
Die Penetration durch das Star Wars-Narrativ geriet jedoch ungleich viel tiefer. Nicht nur, dass bei Befragungen in Australien und Großbritannien Bürger als Religionszugehörigkeit "Jedi-Ritter" angaben - sogar in Deutschland gibt es eine entsprechende Gruppe - auch das US-Verteidigungsministerium zeigte und zeigt eine gewisse Affinität zu der Serie. Zunächst wurde Ronald Reagans Strategic Defense Initiative SDI im Volksmund alsbald "Star Wars" genannt und unlängst erhielt Microsoft - als Bestandteil des militärisch-informationstechnologischen Komplexes in den USA - vom Pentagon den Zuschlag für einen Großauftrag zum Aufbau eines Cloud-Computing-Systems für alle Teilstreitkräfte des US-Militärs. Das Projekt trägt den klangvollen Namen "Joint Enterprise Defense Infrastructure Cloud", oder kurz, "JEDI".1
Elemente des Star Wars-Narrativs, der Dualismus
Klar, dass man sich in der US-Administration gern zu den Guten rechnet, die in der Serie durch den Orden der Jedi-Ritter repräsentiert sind, der hellen, lichtenen Seite dieser ominösen Macht, die jene Jedis genannten, geheimnisvollen, mit erstaunlichen Fähigkeiten trainierten Asketen ins Rennen schickt, das gemeinhin Gute, die Demokratie, die galaktische Republik, zu schützen. Ihre mit der dunklen Seite jener Macht assoziierten Gegenspieler sind die Sith-Lords, die über ähnliche Fähigkeiten verfügen und eine gewisse Vorliebe für planetenzerstörende Monsterwaffen hegen.
Star Wars - das ist kein Geheimnis - folgt damit jenem uralten und überaus erfolgreichen, d.h. auch erfolgreich vermarktbaren, dualistischen Prinzip von Hell und Dunkel, Gut und Böse, das sich menschheitsgeschichtlich schon in einer ersten abstrakten Hochreligion, im Zarathustra-Glauben niederschlug, wo sich Ahura Mazda, der Herr der Weisheit und des Lichtes, der Fruchtbarkeit und des Lebens, und sein Widersacher Angra Mainyu, der Herr von Finsternis, Negation, Zerstörung und Tod, in ewigem Kampf gegenüber stehen. Der endgültige Sieg Ahura Mazdas über die Finsternis am Ende der Zeiten - im Zoroastrismus hat sich dazu die Vorstellung des jüngsten Gerichts entwickelt - entspricht dabei genau jenem Motiv des Restaurants, pardon, Gerichts am Ende der Welt, das sich später auch in den drei großen monotheistischen Weltreligionen findet.
Angra Mainyu, auch Ahriman genannt, vertritt noch heute das dunkle Prinzip, das profane Materielle und somit auch Maschinelle, und zwar in der Anthroposophie Rudolf Steiners. Hier lässt sich unmittelbar eine Brücke zurück zu Star Wars schlagen, denn Anakin Skywalker, der spätere Darth Vader, halb Mensch halb Maschine, also ein Cyborg im engeren Sinne, ist einer der Protagonisten der dunklen Seite und symbolisiert daher auch unser ambivalentes und gespaltenes Verhältnis zu unseren Maschinen. Der Sieg der Ewoks, jener naturverbundenen süßen Teddybär-Indianer vom Waldmond Endor über die technisch hochgerüsteten imperialen Sturmtruppen im 3. Teil der Original-Trilogie, "Star Wars: Episode 6, Die Rückkehr der Jedi-Ritter", kann ebenfalls zur Auseinandersetzung um das Maschinelle, Natürliches versus Technisches-Künstliches, gerechnet werden. Wobei der Sieg der Davids über die Goliaths, des Natürlichen über das Technische, in der Filmreihe die ein oder andere Wunschvorstellung der Zuschauer befriedigt. Denn das Gefühl technischer Überforderung in Job oder Privatleben ist in den Industrienationen heutzutage keine Seltenheit, wo Nachrichten um das "next big thing" oder die nächste Jobs fressende disruptive Innovation aus dem Silicon Valley nahezu täglich durch den virtuellen Blätterwald geistern.
Ebenso leicht lässt sich das Maschinelle zu Eva und Adam in Beziehung bringen, denn die beiden nahmen den Apfel von einem Baum im Garten Eden, der fürgewöhnlich Baum der Erkenntnis genannt wird. Der Sündenfall bestand auch im - durch Gott verbotenen - Erkennen dessen, was dem Schöpfer vorbehalten ist, d.h. was die unbeseelte und unheilige profane Materie eigentlich ist, eine Grundvoraussetzung dafür, Maschinen konstruieren zu können. Die griechische Mythologie liefert in der Strafe des Prometheus und im Sturz des Ikaros ganz ähnliche Motive. (Am Rande bemerkt, eine ganz andere Frage ist die, warum der Schöpfer die Äpfel eigentlich an den Baum gehängt hat, wenn sie nicht zum Verzehr bestimmt sein sollen ...)
Star Wars lässt sich daher auch als filmische Spiegelung unseres ambivalenten Verhältnisses zu Technik und Technologie interpretieren. Denn es kommt ein - scheinbarer - Widerspruch zum Ausdruck. Einerseits gibt es auf der dunklen Seite das pure Maschinelle, die rohe, gewalttätige Form der Technik, für die der Todesstern ein Symbol ist. Andererseits nutzen die Hellen, die Jedi und die mit ihnen verbündeten Rebellen fröhlich ebenfalls jede Menge - jetzt auf einmal gute - maschinelle Dinge, Raumschiffe, die Basteleien daran - man denke an Han Solos ständig kurz vor dem Versagen stehenden Millenium Falcon, Roboter, teilweise mit recht nerviger Schwatzhaftigkeit ausgestattet, etc.. Im entscheidenden dramaturgischen Moment jedoch verlässt sich Luke Skywalker nicht auf Technik, etwa auf den Zielcomputer seines X-Wing-Fighters, sondern auf seinen Instinkt im Verbund mit dieser ominösen Macht, um den Todesstern zu zerstören.
"The Force" - simply out of the box?
Die Macht, im englischen Original "the force", jenes nicht jedem sondern nur auserwählten Wesen zugängliches Bündel von Fähigkeiten, Materielles vermittels mentaler Kräfte beeinflussen, den Willen anderer manipulieren sowie Zukünftiges vorausahnen zu können, nimmt innerhalb der Star Wars-Trilogien einen zentralen Raum ein und verleiht ihren Trägern einen gewissen Heldenstatus sowie den Nimbus des Geheimnisvollen. Als solches trug "the force" wesentlich zum kommerziellen Erfolg des Star Wars-Narrativs bei.
Insofern macht es Sinn, einmal beim Urheber der Trilogien-Trilogie nachzuschauen und die initialen Motive hervorzuholen, so wie das etliche Biographen und Interviewer von George Lucas getan haben. Er erzählte ihnen mehrfach und übereinstimmend, dass der kanadische Regisseur und Produzent von avantgardistischen Kurzfilmen, Arthur Lipsett, einen maßgeblichen Einfluss auf Lucas‘ Art und Weise hatte, an Filme heranzugehen und seinen Ehrgeiz, etwas völlig Neues machen zu wollen. Als besonders inspirierend erwies sich hierbei Lipsetts 1963 veröffentlichter Kurzfilm mit dem Titel "21-87".2 Nicht nur, dass Lucas als filmische Reminiszenz an den Kanadier in "Star Wars: Episode 4 - Eine neue Hoffnung", Prinzessin Leia an Bord des Todessterns in Zelle 2187 gefangen halten lässt, wo Luke und Han Solo sie dann finden und dass der abtrünnige Stormtrooper "Finn" im Teil 7, "Star Wars: Das Erwachen der Macht", die Codebezeichnung FN-2187 trägt3, die ursprüngliche Idee zum Element der Macht, "the force", hatte Lucas ebenfalls durch Lipsetts Film.
21-87 ist eine exakt 9 Minuten 37 Sekunden lange sehr skurrile Montage von unterschiedlichsten Filmschnipseln, die teilweise im Schneideraum des National Film Board auf dem Boden herumlagen. Diese Filmmontage sei "so irritierend wie faszinierend", schreibt der Lucas-Biograph Brian Jay Jones.4 Man sieht Menschen in öffentlichen Räumen bei alltäglichen Tätigkeiten, immer wieder durchbrochen von bizarren Bildsequenzen, die diese Realitäten ins Absurde wenden. Eine Szene zeigt ein Pferd mit Reiter, das von einem Sprungbrett in ein Wasserbassin springt, eine andere einen Ausschnitt aus einer Autopsie, wieder eine andere einen Mann, der mit einer Spielzeugpistole auf einen anderen zielt, der dann scheinbar getroffen zu Boden sinkt, eine Zirkusartistin am Trapez und zwei Roboterhände, die eine Flüssigkeit aus einer Flasche in ein Reagenzkolben füllen. Das Ganze wird in der Wirkung noch überhöht durch Lipsetts eigenwillige Soundmontage, die die Bilder begleitet. Der Film beginnt mit dem suggestiven Surren und Pulsieren irgendeiner Maschine, die verdächtig nach Filmprojektor klingt, gefolgt von Dialogfetzen über Gott und die Bibel oder die menschliche Freiheit, die sich abwechseln mit akustischen Schnipseln von Gospel und Blues.
Seine Art der Verwendung des Begriffs, der Idee der Macht, "the force", in Star Wars, als ein das Universum und alle Dinge darin durchziehendes und verbindendes "Energiefeld"5, sei "ein Echo" auf einen Satz aus einem Dialog in 21-87, erzählte Lucas6 und bekräftigte dies zuletzt in einer Dokumentation "Remembering Arthur" über Arthur Lipsett7.
Für den Kurzfilm unterlegte Lipsett eine Szene mit zwischen Hochhäusern herumflatternden Tauben mit einem gesampelten Dialogausschnitt einer philosophischen Diskussion zwischen dem Physiologen und Mitbegründer von Kybernetik und Neuroinformatik, Warren Sturgis McCulloch, Chairman der Macy-Konferenzen 1946 - 1953, und dem Regisseur und Kameramann Roman Kroitor, der später auch als Gründungsmitglied der IMAX Corporation bekannt werden sollte.
In diesem Dialog, der im Film nicht ganz enthalten ist, äußert zunächst McCulloch seine Ansicht, "dass der Mensch nicht mehr als eine komplizierte Maschine sei", so der Lucas-Biograph Jones, bzw. "dass Lebewesen nichts anderes als hochkomplexe Maschinen sind", so die Übersetzung aus dem Essay "Life after Darth" über George Lucas von Steve Silberman im WIRED-Magazin 2005.8 Offensichtlich differieren die Übersetzungen oder schon die Transkriptionen hier auf eine Art und Weise, die zumindest eine davon als nachlässig deklassiert. Denn zwischen "complex" und "complicated" besteht aus kybernetischem Blickwinkel ein wesentlicher Unterschied. Jedenfalls legen die vorhandenen Quellen nahe, dass es im englischen Original "complex" hieß, genauer: "living beings are nothing but highly complex machines".9
Der Film 21-87 gibt in der Szene mit den Tauben ab 3:33 lediglich die Antwort Kroitors auf McCullochs Behauptung wieder:
Many people feel that in, in sort of the comtemplation of nature and - in communication with other living things they become aware of some kind of - force or, or something behind this apparent mask - which we see in front of us. And they call it god or they, you know depending on, on their particular disposition to the question ...
Übers., J. Paul: "Viele Menschen fühlen, dass sie in, in Art der Betrachtung der Natur und - in Verbindung mit anderen Lebewesen - sich einer Art von Kraft oder, oder etwas hinter dieser scheinbaren Maske bewusst werden, die wir vor uns sehen. Und sie nennen es Gott oder sie, wie Sie wissen, je nach ihrer besonderen Disposition für die Frage ..."
Der Fantasy-Turn
Die Macht, "the force", das Energiefeld dahinter also, der Star Wars-Philosophie liegt die Annahme der Existenz einer diffusen Kraft zugrunde, einer Art "Äthertheorie" der Wirkzusammenhänge in der Welt, im Universum. Und dazu arkanes Wissen, das unter Eingeweihten von Meistern auf die Schüler per mündlicher Überlieferung und individuellem Training weitergegeben wird, sowohl bei den Jedi-Rittern als auch bei den Sith-Lords. Meister Yoda bringt es, was die Sith angeht, auf den Punkt: "Immer zu zweit sie sind. Keiner mehr, keiner weniger. Ein Meister und ein Schüler." Dabei entbehrt das etwas angestrengt und besorgt hervorgebrachte "keiner mehr, keiner weniger" des Jedimeisters aller Klassen nicht einer gewissen Komik, als hätte er Schwierigkeiten, über die Zwei hinaus zu rechnen. Überhaupt sind die Sprüche des grünen Alien-Zwergs mit den blauen Augen und dem in den Oberlippenfalten angedeuteten Schnauzbart von Albert Einstein Kult. Gegen Aufpreis bieten Navigationssysteme Stimme und Sprechweise von Yoda, "Links Abbiegen du musst", "Angekommen du bist", "Möge die Macht mit dir sein!", etc.
Im 2. Teil der ersten Trilogie, "Star Wars: Episode 5 - Das Imperium schlägt zurück", trainiert Yoda Luke Skywalker auf dem Dschungelplaneten Dagobah in der Handhabung der Force und belustigt sich über Lukes Ungeduld. Er belehrt ihn über das Universum und uns und kneift ihn wie zur Konterkarierung dabei in den Arm: "Luminous beings are we, not this crude matter." Übers. J. Paul: "Erleuchtete Wesen wir sind, nicht diese rohe Materie." Dabei differieren die Übersetzungen zwischen erleuchtet, leuchtend, Lichtwesen, usw.
Bei diesem Satz klingelt es sofort mindestens bei all Denjenigen, die Bücher von Carlos Castaneda und seiner "Version" des Schamanismus gelesen haben. Denn er könnte wortwörtlich vom Yaqui-Schamanen Don Juan Matus stammen und an seinen Schüler Carlos C. gerichtet sein. Die Bücher und "Berichte" des an der UCLA promovierten Anthropologen Carlos Castaneda gelten mittlerweile als bloße Prosa und entbehren jeder wissenschaftlichen Anerkennung, was hier nicht weiter erörtert werden soll. Gleichwohl haben sie popkulturellen Kultstatus. Lucas gelingt es einmal mehr, seine Jedi-Philosophie an diese literarischen Phänomene anzuschließen, die in der Hippie-Kultur und der New-Age-Esoterik großen Einfluss hatten.
Tristan Garcia wendet in seinem Essay "Von Newton bis Yoda. Die "Force" zwischen Philosophie und Physik" unseren Blick gen Osten. Er schreibt, dass "aus der aufgewärmten alten Debatte über die Reduktion des Biologischen aufs Mechanische der junge George Lucas einen verschwommenen Begriff" mitnahm, den der Force.10 Durch ihn integrierte Lucas fernöstliche Konzepte von Qi oder Prana in die Science-Fiction-Phantasiewelt. Lucas selbst bemerkte dazu, dass ähnliche Sätze wie der ihm als Aufhänger dienende Satz von Kroitor in Lipsetts Film seit 13.000 Jahren verwendet würden, um sowas wie Lebenskraft zu beschreiben.11
Klassische Science Fiction …
Aber es wird noch etwas Anderes deutlich. Mit der Integration jener Elemente von "the force" und dem Jedi-Orden in die Star Wars-Reihe wendet sich Lucas ab von der klassischen Science Fiction. Denn jener kann bis zu einem gewissen Grad ein säkularer und aufklärerischer Anspruch unterstellt werden. In der SF ging es seit den Zwanzigern in den USA über die erste SF-Hochzeit in den vierziger, fünfziger und sechziger Jahren bis hinein in die Siebziger in einem weiteren Sinne um literarische Entwürfe von in die Zukunft hinein extrapolierten Gesellschaften, Technologien oder technischen Fähigkeiten, denen fast immer - und bisweilen gar sehr blumige - Erklärungen angeheftet waren, um den Nimbus der Wissenschaftlichkeit aufrecht zu halten. Ausnahmen davon gibt es auch, allerdings unter implizitem Verweis auf das dritte Clarke‘sche Gesetz: "Jede hinreichend fortschrittliche Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden."
Für Hardcore-SF-Fans spielt die "literarische Qualität" des Technobabble oder Techspeak nach wie vor eine nicht zu unterschätzende Rolle. Viele Beispiele für halbwegs guten Technobabble liefert Star Trek, dessen Transporter- oder Beaming-System beispielsweise nur dann funktioniert, wenn die Bedingung des aufgrund der Unschärfe nicht exakt bestimmbaren Ortes von Atomen und Molekülen in der Raumzeit "irgendwie umgangen" wird. Dies leistet natürlich der Heisenbergkompensator, ohne den kein Transportersystem funktionieren kann!
Folgt man dem Logiker, Metaphysiker und Philosophen der Kybernetik, Gotthard Günther, dann kann eine weitere kulturelle Bedeutung der SF auf einer viel tieferen Ebene gesehen werden. Günther gab 1952 im Karl Rauch Verlag von ihm philosophisch kommentierte deutsche Übersetzungen US-amerikanischer SF-Klassiker heraus, darunter Isaac Asimovs "I Robot" und Jack Williamsons "Wing 4". Er schreibt: "In dem, was wir im strengeren Sinne hier als Science Fiction bezeichnen, geht es um unvergleichlich viel mehr. Es handelt sich nämlich um Ausbrüche aus dem klassisch Kosmischen überhaupt in ein Transkosmisches, das aber alles andere als supernatural ist. Aus dem Bannkreis aller überhaupt erfahrbaren menschlichen Rationalität hinaus bricht hier die Literatur hinein in ein "Rationales", das im unheimlichsten und fürchterlichsten Sinne außermenschlich in unserem klassischen Sinne ist."12
Also der Versuch der Vorstellung nicht-menschlicher Rationalitäten, die Frage nach einem Sein, dessen Objektivität nicht den Gesetzen menschlicher Vernunft folgt, sei es biologisch wie bei Aliens oder künstlich-konstruiert wie bei Robots.
Beides, der Anspruch einer technologischen Extrapolation sowie die Vorstellung einer Darstellung außermenschlicher Rationalitäten sind in Star Wars nicht nur aufgegeben, im Gegenteil, die Ratio der Handlungen von Jedi, Sith und den Politvertretern von Rebellen und Republik sind menschlich bis allzu menschlich und der Technobabble - was bitte soll ein Motivator für Roboter oder Hyperantriebe sein oder "der Sprung durch die Lichtmauer" ?, etc. - wirkt bisweilen lieblos und daher für so manchen SF-Fan mehr als enttäuschend. Es wird nicht einmal der Versuch unternommen, Technik zu erklären, ihr Erscheinen als pure Magie soll vom Zuschauer akzeptiert werden. Für Lucas selbst mag dies nur konsequent sein, denn er äußerte einmal "Meine Filme funktionieren wie Stummfilme".13 Umso bild- und soundgewaltiger kommen sie daher.
Glücklicherweise befriedigen aktuelle Produktionen wie die ehemalige Netflix- und jetzt Amazon-Serie "The Expanse" nach den Romanen von James Corey sowie auch der SF-Film "Arrival" von Denis Villeneuve die Fans mit in diesem Sinne eher klassischen Ansprüchen an SF.
Eine vergessene Spur des Maschinenbegriffs ...
Wenden wir den Blick zurück zu Lipsetts Kurzfilm 21-87 und der nicht darin auftauchenden Bemerkung McCullochs gegenüber Kroitor, in dem von Lebenwesen als highly complex, als hochkomplexen Maschinen die Rede ist, dann dürfen wir die Frage stellen, was McCulloch wohl damit gemeint haben mag. Soviel steht fest, wir Menschen sind keine Maschinen, so wie wir sie kennen und konstruieren können. Bis jetzt ist es uns nur gelungen, komplizierte Maschinen zu realisieren. Komplizierte Maschinen arbeiten über serielle Kausalketten, die, was den Lauf der Maschinen betrifft, gestartet oder beendet werden können. Bei Lebewesen ist ein Starten und Beenden für die nunmehr "komplexe Maschine" eher nicht zu empfehlen, es ist kontraproduktiv und im wahrsten Sinne des Wortes tödlich. Die Frage, was eine komplexe Maschine denn sein soll, bleibt also offen. Da McCulloch sie aber mit Lebewesen in Verbindung bringt, muss es folglich etwas qualitativ anderes sein, als die uns bekannten Maschinen.
Eine solche Erweiterung des Maschinenbegriffs gegenüber der klassischen Sichtweise, Maschinen als kalte unbeseelte Technik zu verstehen, wäre neu und einer literarischen oder cineastischen Science Fiction-Produktion sicher würdig. Der Film "D.A.R.Y.L. – Der Außergewöhnliche“ von John Heyman 1985 und die SF-Komödie "Nummer Fünf lebt“ von John Badham 1986 hinterlassen zumindest Fragen in diese Richtung. Philosophisch schon etwas weiter gehen die beiden Blade Runner-Filme von Ridley Scott 1982 und Denis Villeneuve 2017. Auch die Star Trek-Serie "Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert" kreist, was die Figur "Data" angeht, immer wieder um derartige Fragen. Bei Star Wars hingegen findet sich nichts dergleichen, lediglich mit Blech verkleidete Zwerge, Orks oder Hobbits, die sich extremst menschlich verhalten, unabhängig davon, ob sie blöd herumschwätzen oder Fiep- und Quietschgeräusche von sich geben.
Star Wars prägte die öffentliche Wahrnehmung zu Science Fiction mehr als vier Jahrzehnte, die Reihe ist aber als SF verkleidete Fantasy mit Raumschiffen, Märchen auf Planeten im Wilden Westen, hier "Outer Rim" genannt, sowie althergebrachten Mythen in Tüten. Ihr kultureller Durchsatz jedoch ist unvergleichlich hoch. Selbst die deutsche Rockband Grobschnitt ließ bei Liveauftritten zu ihrem Longplayer "Solar Music" in ihrer Bühnenshow als Kapuzenmänner verkleidete Roadies mit Lichtschwertern gegeneinander antreten. Lichtschwerter?! Das waren Leuchtstoffröhren, an denen Drähte entlangliefen, zwischen denen Funkenüberschläge produzierende Hochspannung anlag, für die Show ziemlich genial.
Der gescheiterte Versuch eines Scientific Turn
Mit dem Erscheinen des ersten Teils des Prequels, "Star Wars: Episode 1 - Die dunkle Bedrohung" erfährt die Begründung der Force eine erstaunliche Wendung. Sie ist jetzt nicht nur ein nicht mehr weiter zu hinterfragendes das Universum durchziehendes mythisches Energiefeld, für "the force" sind nunmehr mikroskopisch kleine Wesen verantwortlich, die sogenannten Midi-Chlorianer, die teilweise in den Zellen anderer Lebewesen leben und die Macht im Universum ungleich verteilen. Der eigenwillige Jedi-Meister und Lehrer von Obi-Wan Kenobi, Qui-Gon Jinn, zapft dem jungen Anakin Skywalker etwas Blut zur Analyse ab und funkt das Ergebnis an den Rat der Jedi auf Corusant. Die Konzentration von Midi-Chlorianern in seinem Blut sprenge die Skala, so etwas habe er noch nie gesehen, der Junge müsse "der Auserwählte" sein.
Da hat durch die Hintertür der Teufel der materialistischen Verdinglichung doch noch zugeschlagen. Es müssen schon meßbare, zählbare "Dinger" - so etwas wie Mikroben - sein, die für "the force" verantwortlich sind. Der Film erschien 1999 in einer Zeit des Aufstiegs bildgebender Verfahren in Medizin und Neurowissenschaften und dem unter großer öffentlicher Anteilnahme vorangetriebenen Human Genome Project. Biologie und Life Sciences genießen große Popularität und etablieren sich als Leitwissenschaften für das 21. Jahrhundert. Catherine Newmark sieht hierin den Grund für den Versuch von George Lucas, nachträglich eine "Verwissenschaftlichung der Force" herbeizuführen. Das Resultat war Ablehnung bis hin zu Empörung. "Die Fans der Serie waren mit der "Force" als geheimnisvoller, esoterischer [...] spiritueller Macht vertraut", wie sie in den 70ern etabliert wurde, der Zeit von Hippiekultur und New Age, schreibt die Autorin und Herausgeberin in ihrem Vorwort des lesenswerten und amüsanten Bändchens "Viel zu lernen du noch hast - Star Wars und die Philosophie".14
Andererseits weiß man nicht, ob man lachen oder weinen soll, denn der Techspeak über die Machtwesen geriet auch noch ziemlich daneben. Erstens, was haben diese kleinen Leutchen mit Chlor zu tun? Und zweitens, wieso Midi und nicht Mini, Mikro, Nano, Pico oder Femto? Und die Komplexität, die Ursache für Leben und überhaupt Alles wird jetzt in eine Mikrobe projiziert, arme Mikrobe. Die Fans jedenfalls waren so wenig begeistert, dass sich J. J. Abrams, der Regisseur der dritten Trilogie veranlasst sah, "respektvoll aber doch bestimmt" verlauten zu lassen, "dass Midi-Chlorianer in den neuen Filmen nicht mehr vorkommen würden".15
Denn der Mythos soll schließlich weiterleben.
Wie bitte? Ob ich mir den neuen, neunten Teil denn im Kino ansehen werde? Aber selbstverständlich. Ich freue mich drauf.