Mazedonien: Regime Change oder Regierungswechselblockade?

Talat Xhaferi mit Soldaten. Foto: U.S. Department of Defense

Ex-Ministerpräsident Nikola Gruevski glaubt, dass ein gewalttätiger Sturm auf das Parlament von der verfassungswidrigen Wahl eines Parlamentspräsidenten ablenken sollte

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Der Zeitung Blic zufolge beschlagnahmte die serbische Militärsicherheitsagentur VBA im Süden des Landes bei zwei serbischen Albanern und einem ausländischen Staatsbürger tausende Gewehre, Maschinengewehre und Handgranaten. Die Waffen sollten der Zeitung zufolge nicht in Serbien, sondern im benachbarten Mazedonien zum Einsatz kommen.

Mazedonien ist eine Art Belgien des Balkan: Ein Land ohne echte Identität, das linguistisch gesehen zu zwei Dritteln von Quasi-Bulgarischsprechern (deren Dialekt man 1944 in Jugoslawien aus politischen Gründen zu einer eigenen Sprache erklärte) und zu einem Viertel von Albanern bewohnt wird. Nach dem Jugoslawienkrieg von 1999 versuchte eine albanische UÇK in Mazedonien den Norden und Westen des Landes mit Terror und Gewalt an den Kosovo anzuschließen. Diese Versuche endeten 2001 mit dem Abkommen von Ohrid, durch das albanische Parteien im Parlament ein Vetorecht zugesprochen bekamen. Nach 14 Jahren relativer Ruhe brachen 2015 wieder Kämpfe aus (vgl. Mindestens 22 Tote bei Polizeieinsatz in Mazedonien).

Parlamentswahl mit zwei Siegern

Als am 11. Dezember 2016 ein neues Parlament gewählt wurde erklärten sich sowohl die seit 2006 regierende und im Europaparlament mit der christdemokratischen EVP assoziierte VMRO-DPNE mit 51 als auch die sozialdemokratische SDSM mit 49 von insgesamt 120 Sitzen im Parlament zum Sieger. Weil sich die vorher mit der VMRO-DPNE regierende Albanerpartei DUI, die über zehn Sitze verfügt, nicht bis zum 29. Januar auf eine erneute Regierungsbildung einigte, befindet sich das Land seitdem in einer Krise.

Der EU-Nachbarschaftskommissar Johannes Hahn und die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini präferieren den Sozialdemokraten Zoran Zaev als Regierungschef. Um auf eine Mandatsmehrheit zu kommen, müssen seine Sozialdemokraten allerdings nicht mit einer, sondern mit drei Albanerparteien koalieren. Am letzten Donnerstag wählte solch ein Bündnis den Albaner Talat Xhaferi, einen durch das Ohrid-Abkommen amnestierten ehemaligen UÇK-Terroristen, zum neuen Parlamentspräsidenten. Politiker der VMRO-DPNE stuften das als verfassungswidrig ein, weshalb der bisherige Parlamentspräsident bis gestern die Herausgabe der Dienstsiegel verweigerte.

Sturm auf das Parlament

Inzwischen hat sich Xhaferi dem Portal MKD nach Zugang zu den Amtsräumen verschafft und dort als ersten Gast Samuel Zbogar, den EU-Beauftragten für Mazedonien, empfangen. Der soll ihm mitgeteilt haben, nicht nur die EU, sondern auch die USA hätten ihn anerkannt und würden nun eine baldige Regierungsbildung durch Sozialdemokraten und Albanerparteien erwarten.

Bereits seit März war es zu Demonstrationen gegen die EU und gegen eine mutmaßliche Einflussnahme des Investors George Soros gekommen. Nach der Wahl Xhaferis eskalierte eine dieser Demonstrationen und endete in einem Sturm auf das Parlamentsplenum, wo mehrere Politiker - darunter Zoran Zaev und der Albanerparteiführer Zijadin Sela - verprügelt wurden. Die Polizei setzte darauf hin Blendgranaten ein, um den Saal zu räumen.

Gruevski: "Geplantes Szenario"

Am Tag darauf rief der mazedonische Staatspräsident Gjorge Ivanov in einer Fernsehrede dazu auf, Gewalttaten zu unterlassen und zeigte sich davon überzeugt, dass sich die Krise "durch den Dialog und im Einklang mit der Verfassung" lösen lässt. Außerdem warnte er davor, auf Lösungen aus dem Ausland zu hoffen. Der parteilose Präsident, der der der VMRO-DPMNE nahe steht, will Zaev keinen Regierungsbildungsauftrag erteilen, weil er befürchtet, dass dies die Einheit des Landes gefährden würde.

Nikola Gruevski, der Vorsitzende der VMRO-DPMNE, rief die Bürger nach dem Sturm auf das Parlament dazu auf, "sich nicht provozieren zu lassen" und legte nahe, dass "dieses Szenario geplant war", um von der seiner Ansicht nach "illegalen, verfassungswidrigen Wahl des Parlamentsvorsitzenden" abzulenken. "Ziel der Hintermänner" war seinen Worten nach, "dass niemand darüber, sondern nur über die Gewalt spricht, die von Einzelpersonen verübt wurde."

Gaspipeline

Gruevski war von August 2006 bis Januar 2016 mazedonischer Regierungschef und in Brüssel anfangs gut gelitten, weil er Mazedonien sowohl in die EU als auch in die NATO führen wollte. Später kühlte sich das Verhältnis deutlich ab - möglicherweise nicht zuletzt deshalb, weil der Quasi-Bulgarischsprecher gute Beziehungen zu Russland pflegte und als Befürworter einer russischen Gaspipeline durch Mazedonien galt (vgl. Bundesregierung hält BND-Erkenntnisse zu albanischen Terroristen in Mazedonien geheim).

Anfang 2015 gelangten Mitschnitte heimlich abgehörter Telefongespräche an die Öffentlichkeit, deren Inhalte Kritiker als Indiz dafür werteten, dass der Ministerpräsident korrupt sein könnte. Bei der Aufklärung dieser Vorwürfe kamen eine auf EU-"Vermittlung" eingesetzte Sonderstaatsanwaltschaft und die reguläre Justiz des Landes zu unterschiedlichen Ergebnissen, weshalb bislang kein Verfahren gegen ihn eingeleitet wurde.

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