Medienkunst in Zeiten des Klimawandels
Auf der Berliner Transmediale zeigen Medienkünstler Positionen zum Klimawandel und fordern ein "radikales Denken"
Im Sommer 2007 machte ein Foto Schlagzeilen. Es zeigt einen Roboter des Typs Mir 1, der am 2. August in 4500 Meter Meerestiefe direkt unterhalb des geografischen Nordpols die russische Nationalflagge am Meeresboden hisst. Russland meldete damit Territorialansprüche auf den Lomonossow-Rücken in der Arktis an, ein Gebiet drei Mal so groß wie Deutschland. Die Großmacht hatte zwei Forschungs-U-Boote ausgeschickt, um zu beweisen, dass die Arktis mit dem russischen Festland verbunden sei. 25 Prozent der weltweiten Öl- und Gasressorucen lagern dort. Proteste seitens Kanadas, Norwegens Dänemarks und der USA ließen nicht lange auf sich warten, die alle selbst ihren Zugriff auf die Ressourcen sichern wollen.
Hält man sich dieses Foto vor Augen, erscheinen die Diskussionen um den Klimawandel in einem anderen Licht. Der durch den Ausstoß von Kohlendioxid hervorgerufene klimatische Wandel ist dann nicht mehr allein ein ökologisches Problem, sondern auch ein wirtschaftliches, politisches und soziales Phänomen. "Das Schmelzen des Polareises bedeutet auch einen leichteren Zugang zu den Ressourcen", sagt Stephen Kovats, Leiter der Transmediale. Das Berliner Medienkunstfestival nimmt unter dem Motto "Deep North" diesen Blickwinkel ein und begreift Klimawandel als einen Umschlagpunkt, als sogenannten "tipping point", der gewaltige Transformationsprozesse mit sich bringt.
In der Öffentlichkeit wird der Klimawandel zumeist in hysterischen Bildern beschrieben: iIm hohen Norden schmelzen die Polkappen, der Meeresspiegel steigt an - im tiefen Süden herrschen kontinentale Versteppung und Dürrekatastrophen. Diese Dialektik versucht das Ausstellungsdesign der Transmediale auszudrücken, das ein Flüchtlingslager mit Zeltplanen und Matrazenlager nachbildet und weitgehend aus recycelten Materialien besteht. Freilich reichen Recycling und Energiesparlampen sowie alle Appelle an das aufgeklärte Verbraucherbewusstsein nicht aus. Mit Verweis auf den Urbanisten Mike Davis, der im Dezember mit dem Kulturpreis der Münchner Universitätsgesellschaft ausgezeichnet worden ist (Wer wird die Arche bauen?), fordert Hortensia Völckers, Leiterin der Bundeskulturstiftung, die die Transmediale als "Leuchtturmprojekt" fördert, ein "radikales Denken".
Seit den ersten Alarmmeldungen in den siebziger Jahren sind Bibliotheken von Konzepten entstanden, die man heute unverändert umsetzen könnte. Woran es meiner Meinung nach mangelt, das ist die Bündelung der radikalen, also an die Wurzeln gehenden Erkenntnisse vieler Millionen Menschen zu politischem Handeln. Ein Handeln, das die Lähmung des Pessimismus hinter sich lässt, die uns an dem Wagnis hindert, jene Revolution zu denken, die nötig wäre, um in dieser Welt eine Zukunft in Sicherheit und Demokratie zu bauen.
Doch die Prognosen sehen ungünstig aus. Einem aktuellen Forschungsbericht der amerikanischen Umweltbehörde National Oceanic and Atmosperic Adminstiration (NOAA) und europäischer Institute zufolge, ist die Link auf /tp/blogs/2/122421. Untersuchungen haben gezeigt, dass sich CO2 weitaus länger in der Atmosphäre hält als angenommen. Die Leiterin der Studie, Susan Solomon, wird mit den Worten zitiert: "Wir müssen bei diesem Stoff mehr an Atommüll denken als an sauren Regen."
Dieser trüben Aussicht folgt die Installation "Post Global Warming Survival Kit" von Petko Dourmana. Der Bulgare denkt die Klimakatastrophe von ihrem Ende her. Sein "fiktives Zukunftsszenario nach der globalen Erwärmung" ist nur mit einem Nachtsichtgerät zu erkennen, welches der Ausstellungsbesucher überstülpen muss, um sich in einem dunklen Raum zurechtzufinden. Dort steht ein einsamer Wohnwagen, in dem eine Pritsche und ein Tisch zu erkennen sind. Auf einem Teller liegen genmanipulierte Kekse. Im Hintergrund des Raums ist eine triste Nordsee-Landschaft ohne jegliche Vegetation zu sehen, per Infrarotlicht auf eine Leinwand projiziert und mit bloßem Auge nicht zu erkennen. Selbst diesem unwirtlichen Szenario, so die Botschaft, wüsste sich die Menschheit anzupassen.
Wie verhängnisvoll Ökologie und Ökonomie miteinander verbunden sind, zeigt eine Videoinstallation der französischen Medienkunstgruppe HeHe. Im Februar vergangenen Jahres hatten die Künstler eine grüne Wolke per leistungsstarken Laserstrahl auf die Dampffahne des Kohlekraftwerks Salmisaari in Helsinki projiziert. Die Lichtinstallation veränderte sich mit dem Strombedarf der Anwohner: je weniger Energie verbraucht wurde, desto größer die grüne Wolke. Insgesamt ein halbes Jahr wurden Daten über den Stromverbrauch der Gemeinde und die Kraftwerksaktivität gesammelt. Das Ergebnis: Unabhängig von den Sparmaßnahmen der Anwohner produzierte das Kraftwerk gleichviel Strom, der teuer in andere Landesteile verkauft wurde.
Im Kleinen metaphorisiert die Videoinstallation ein System des Stromtauschs und CO2-Zertifikatehandels, für das ein Mechanismus gilt, den die aus Bremen stammende Künstlerin Jana Linke in "Click and glue" ausdrückt. Die Installation besteht aus einem Heliumballon, der in einen quadratischen Raum gesperrt ist. Kleine Elektromotoren, gesteuert von Algorithmen, lassen ihn mal in diese, mal in jene Ecke schweben. Dabei spinnt der Ballon Nylonfäden mit Flüssigklebstoff von Wand zu Wand, die ein immer dichter werdendes Netz bilden. Nach etwa drei Wochen hat sich der Ballon selbst eingesperrt, als "ein System, das sich selbst außer Kraft setzt", sagt die Künstlerin. Es bedarf wenig Fantasie, um darin eine Metapher auf die gegenwärtige Klimadiskussion zu erkennen und leider auch auf die Ausweglosigkeit, in der sie festgefahren ist.
Transmediale 09 "Deep North", Festival for Art and Digital Culture. 28. Januar – 1. Februar 2009, Haus der Kulturen der Welt, Berlin-Tiergarten. Ausstellung und Kongress (Streams auf www.transmediale.de)