Mehr schlecht als gut

Anzeige für Wright's Coal Tar Soap (Um 1900). Bild: Wellcome Library, London. Lizenz: CC-BY-SA-4.0

US-Behörde verbietet umstrittene Biozide in Haushaltsseifen

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Ab September nächsten Jahres müssen Seifenhersteller in den USA auf eine Reihe antibakteriell wirkender Inhaltsstoffe in ihren Rezepturen nicht-medizinischer Haushaltsseifen verzichten. Die Food and Drug Administration (FDA), die behördliche Lebensmittelüberwachung und Arzneimittelzulassungsbehörde der USA, bescheinigt den Herstellern, einen Beweis schuldig geblieben zu sein, dass diese Chemikalien in der langfristigen Anwendung sicher sind.

Außerdem konnten die Hersteller nicht demonstrieren, dass das Waschen mit diesen Produkten bei der Keimbekämpfung effektiver ist als das normale Waschen mit Seife und Wasser und deshalb als irreführend beworben gelten muss. Um die Sicherheit der antiseptisch wirkenden Haushaltsseifen zu beweisen, werden Daten aus pharmakokinetischen Humanstudien verlangt, außerdem Toxizitätsstudien mit Fokus auf Fortpflanzung und Entwicklung, Studien zum krebserzeugenden Potenzial sowie Untersuchungen zu den Auswirkungen auf den Hormonhaushalt und zur Ausbildung bakterieller Resistenzen.

Janet Woodcock, Direktorin des hausinternen Forschungszentrums Center for Drug Evaluation & Research, verwies auf die vorliegenden Daten, die vermuten lassen, dass die antibakteriellen Inhaltsstoffe langfristig mehr Schaden anrichten als Gutes tun. Diese Stoffe wurden in der jüngeren Vergangenheit immer wieder mit nachteiligen Auswirkungen auf den Hormonhaushalt und sich entwickelnden antibiotischen Resistenzen in Verbindung gebracht.

Triclosan. Bild: Bernd Schröder

Die Verbots-Liste umfasst 19 Substanzen bzw. Substanzgruppen. Bekannteste Vertreter sind die seit Jahren umstrittenen Breitbandbiozide Triclosan, Triclocarban und Hexachlorophen.

Triclocarban. Bild: Bernd Schröder

Umstrittene Dauerbrenner

Triclosan wurde Mitte der 1960er Jahre bei der J.R. Geigy AG in Basel entwickelt. Das dreifach chlorierte Phenoxyphenol hat seit seiner ersten Marktzulassung in den USA 1969 eine bemerkenswerte Verbreitung erfahren: zunächst als Pestizid sowie in Krankenhäusern und Arztpraxen angewandt, war es bald auch in Seifenformulierungen, Deos und Zahnpasten zu finden - und in Kinderspielzeugen, Tapeten, Hundenäpfen, Fußbodenbelägen, Gardinen, Funktionstextilien, Badesandalen, um nur einige zu nennen.

Und als Folge dieser massenhaften Verbreitung findet sich Triclosan mittlerweile auch dort, wo es nicht hingehört: bei drei von vier US-Amerikanern kann heute Triclosan im Urin nachgewiesen werden. Der Verbindung werden seit geraumer Zeit eine Reihe von Gesundheits- und Umweltrisiken nachgesagt.

Auch in der EU sind Triclosan enthaltende Konsumartikel weit verbreitet. Die Verwendung in Kosmetikprodukten wurde 2014 eingeschränkt. Seit Anfang 2016 ist Triclosan als aktiver Inhaltsstoff in Biozidprodukten für die menschliche Hygiene (Produktart 1) nicht mehr zugelassen. Triclosan-Kosmetikprodukte müssen nun bis 2017 vom europäischen Markt genommen werden. Der von der Europäischen Kommission abgelehnte Antrag auf Genehmigung war ursprünglich von Ciba eingebracht worden. Das Unternehmen war im Verlaufe des Verfahrens mitsamt dem Antrag von der BASF übernommen worden, die nach wie vor von Triclosan als "sichere und effektive" Substanz für die Verwendung in Konsumartikeln überzeugt ist.

Triclocarban, ebenfalls auf der FDA-Verbots-Liste, ähnelt strukturell Phenylharnstoff-Pestiziden. Die Chlorierung der aromatischen Ringe wird als eine Ursache der Beständigkeit solcher Verbindungen in der Umwelt sowie ihrer Anreicherung im Fettgewebe lebender Organismen angesehen.

Während die Einwirkzeit von Triclosan und Triclocarban auf den menschlichen Körper im Rahmen der Körperpflege relativ kurz ist, werden die Verbindungen anderweitig zu einem längerfristigeren Problem (Antibakterielle Desinfektionsmittel fördern Resistenz von Bakterien in Flüssen). Sie landen zunächst über das Abwasser in den Klärwerken, die diese Substanzen nicht vollständig entfernen. So finden beträchtliche Mengen der konsumierten Biozide über die geklärten Abwässer und mit dem Ausbringen des Klärschlamms ihren Weg in die Umwelt. Dort können sie - besonders im Falle von Triclocarban - von Nutzpflanzen aufgenommen oder im Gewebe von Bodenbewohnern angereichert werden, mit der Folge der Weiterverbreitung und Aufkonzentrierung in der Nahrungskette.

Triclosan und Triclocarban werden als endokrin aktive Substanzen und Allergene diskutiert. Über ihren Ab- und Umbau zu chlorierten Phenolen, polychlorierten Biphenylethern, Dioxinen und chlorierten Anilinen können sie sich zudem in toxischere und persistentere Verbindungen verwandeln. So ist Triclosan in der Umwelt weniger persistent als Methyl-Triclosan, eines seiner Metaboliten.

Die Konzentration von Triclocarban in Abwässern hat in den USA in den letzten Jahren deutlich zugenommen: Die Verbindung wird in der aquatischen Umwelt mittlerweile häufiger angetroffen als Triclosan.

Eine weitere vom FDA-Bann belegte Organochlorverbindung ist Hexachlorophen, ein chloriertes Bisphenol. In der Kosmetikindustrie fand die 1941 eingeführte Substanz hauptsächlich in Hautreinigungsmitteln und in der Aknebehandlung Anwendung.

Obwohl Hexachlorophen in zahlreichen Produkten zur Anwendung kam, gab es anfänglich nur wenige Untersuchungen zu eventuellen Folgen. Zwar wusste man, dass es sich bei regelmäßiger Benutzung auf der Haut ablagerte, doch die Gesundheitsbehörden sahen hier kein Problem. Das änderte sich erst Anfang der 1970er Jahre, als man die leichte Absorption von Hexachlorophen im Körper und seine schädliche Wirkung auf das Nervensystem erkannte.

Nach einigen im Zusammenhang mit der Substanz stehenden Todesfällen in den USA und Frankreich nahm die FDA 1972 Hygieneprodukte mit einem Gehalt von mehr als 0.1% Hexachlorophen vom frei zugänglichen Markt, Produkte mit höheren Gehalten wurden verschreibungspflichtig. Aufgrund seiner Giftigkeit findet es heute kaum noch Einsatz im medizinischen Bereich. Es wird vor allem über Abwässer in die Umwelt getragen, stark in Böden adsorbiert und ist für aquatische Lebewesen toxisch.

In Deutschland sind Kosmetika mit Hexachlorophen als Inhaltsstoff seit 1985 verboten. Die Verbindung wurde 1976 bekannter, als es im oberitalienischen Seveso während einer Synthese der Vorstufe 2,4,5-Trichlorphenol zu einem Unglück kam. Bei der in einem thermisch durchgegangenen Rührkessel außer Kontrolle geratenen Reaktion wurde eine große Menge Chemikalien freigesetzt, darunter 2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin - umgangssprachlich Dioxin - und vergiftete ein mehrere Quadratkilometer großes, dicht besiedeltes Gebiet.

Hexachlorophen wurde 1940 in den USA entwickelt, ursprünglich, um Armee-Uniformen pilzfrei zu halten. Bald erkannte man die deodorierenden Eigenschaften der neuen Substanz. Sie war zunächst unter den Kürzeln G-11 und AT-7 bekannt. Die in den USA ab 1949 landesweit vertriebene Seifenneuheit "Dial" versprach einen Rund-um-die-Uhr-Schutz vor lästigem Körpergeruch. Der "Dial" herstellende Fleischverarbeiter Armour hatte zu diesem Zweck dem Abfall-Talg, der bis dahin zu normalen Waschseifen verarbeitet wurde, nunmehr den keimtötenden Zusatz Hexachlorophen beigefügt. Heute gehört Dial zu Henkel. Bild: Bernd Schröder

Umstieg auf andere Biozide

Die FDA hatte 2013 die jetzt rechtsgültige Regelung auf den Weg gebracht. Einige Hersteller sind mittlerweile bereits auf andere Inhaltsstoffe mit antibakterieller Wirkung umgestiegen, hauptsächlich auf die oberflächenaktiven quartären Ammoniumverbindungen Benzalkonium- und Benzethoniumchlorid, sowie das bereits in den 1920er Jahren in Europa entwickelte und vergleichsweise einfach gebaute Breitbandbiozid Chloroxylenol.

Auf Drängen der Industrie hatte die FDA vom Ansinnen Abstand genommen, diese Substanzen ebenfalls in die aktuelle Verbots-Liste aufzunehmen. Die Seifenhersteller wollen nun die verlangten Daten zur Sicherheit und Effizienz dieser Inhaltsstoffe nachliefern.

Die Forderung nach einer Ächtung von Triclosan lag lange auf dem Tisch, doch die zuständigen Beamten bei EPA und FDA reagierten nur zögernd, oder, wie Kritiker anmerkten: widerwillig. Denn der Verkauf antimikrobieller Konsumartikel ist zum lukrativen Geschäft geworden, das sich in der Größenordnung von jährlich einer Milliarde US-Dollar bewegt.

Der Vorstoß der FDA ist Teil eines Vergleichs mit dem Natural Resources Defense Council. Die Umweltschutzgruppe hatte die FDA 2010 verklagt, weil sie eine Regelung von 1978 nicht umgesetzt hatte, die schon damals Triclosan aus Haushaltsseifen verbannt hätte. Händedesinfektionsmittel in Form getränkter Wischtücher oder antibakteriell wirkende Produkte in Arztpraxen und in Krankenhäusern sind von der neuen Regelung nicht betroffen.