Menschen im All: Kooperation oder Konkurrenz?
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Welche staatlichen Organisationen und welche privatwirtschaftlichen Unternehmen drängen in den Weltraum? (Teil 2 und Ende)
Jüngst wurde ein Astronaut in die Space-Armee der USA aufgenommen: Mike Hopkins. Ziel dieser Spezialeinheit ist die Verteidigung der US-Satelliten und in Zukunft möglicherweise auch eine Beteiligung an einem "Sternenkrieg". Wenn ein NASA-Astronaut zum Wächter der US-Space-Force ernannt wird, greift die US-Luftwaffe in eine zivile wissenschaftliche Organisation ein, um auch dort ihren Anspruch anzumelden.
Mehr noch als der militärische Zugriff auf das Weltall, erfolgt eine kommerzielle (und zu deren Absicherung: juristische) Kartographierung des Kosmos. Es zeigt sich, dass militärische Metaphern diese kommerzielle Erschließung begleiten.
Teil 1: Rohstoffe schürfen
Elon Musk von SpaceX ist als Visionär bekannt. Der unter anderem durch den Internet-Bezahldienst PayPal reich gewordene US-Amerikaner äußerte sich zuversichtlich, 2026 den ersten Menschen auf dem Mars zu bringen. Er visioniert bereits Marssiedlungen mit mehreren tausend Menschen.
Ähnlich optimistisch gibt sich Robert Zubrin von der Mars Society. Letztere hat auf ihrer Webseite eine ziemlich deutliche Vorstellung von den Menschen, die sich auf dem Mars niederlassen werden:
Mars is a test for us. It asks us if we will continue to be a society of pioneers, people who dare great things to open untrodden paths for the future. It asks whether we will be people whose deeds are celebrated in newspapers or in museums, whether we will continue opening new possibilities for our descendants or become less than those who tackled the unknown to give us everything we have.
Frei übersetzt sehen sie den Mars als eine historische Prüfung, ob der alte Spirit der ersten Kolonisten Nordamerikas fortgesetzt werden kann, also ob die Frontier neu ersteht. Mehr noch: Wer den Mars besiedeln wird, dessen Taten werden in Zeitungen oder in Museen gefeiert. Sicher wird der erste geglückte bemannte Marsflug die Titelseiten der Zeitungen in der ganzen Welt füllen. Die Tagesthemen werden voll sein von Filmaufnahmen.
Möglicherweise werden später die Astronauten und sonstige Raumfahrer interviewt oder vorbereitete Gespräche abgespielt werden. Die Mars Society geht davon aus, dass eine "Gesellschaft von Pionieren" den Nachbarplaneten bevölkern wird. Darunter zählen sie wohl Experten. Aber es kann auch anders klingen: Pioniere könnten Soldaten sein, die Gehorsam gewöhnt sind oder Abenteurer, Glücksritter und Draufgänger. Letztere sind bereits Stoff für Romane. Werden wir sie auch bei den ersten Expeditionen ins All finden?
Die New-Space-Unternehmen stehen zuweilen im Ruf, nicht so sehr an Wissenschaft interessiert zu sein. Stattdessen suchen sie die Herausforderung. Sehen eine Vision oder den Profit oder beides. In diese Sparte fällt zum Beispiel das "Mars One"-Projekt, das Freiwillige suchte, die nicht mehr vom Mars zurückkehren. Im Jahr 2011 setzten sich die Firma Mars One Ventures und die Stiftung das Ziel, bis 2023 mindestens vier Personen auf den Mars zu senden.
Über 200.000 Bewerbungen wurden eingereicht. Es wurden 100 potenzielle Astronauten ausgesucht. Am Schluss sollten 40 Personen die Reise antreten. Die Finanzierung sollte teils aus exklusiver TV-Übertragung der Reise und der Landung auf dem Mars erfolgen.
An den TV-Rechten beteiligte sich auch die bekannte Produktionsfirma Endemol. 2015 stieg sie dann aus. Die Kritik nahm zu. Es war lange nicht klar, mit welchem Raumschiff die Crew zum Mars fliegen sollte. Der mediale Hype um eine Exklusivübertragung und der Nervenkitzel einer Mars-Erstlandung lenkte zunächst von den ungeklärten Fragen und Gefahren ab. 2019 ging die Firma bankrott.
Rohstoffsuche auf Asteroiden
Anders als auf dem Mars sollen auf Asteroiden keine Siedlungen errichtet werden. Hier werden Rohstoffe eingesammelt und zur weiteren Verwertung verarbeitet. Die Firma Planetary Resources plant zum Beispiel, einen Asteroiden in einer Art großen Sack einzutüten und zur weiteren Verarbeitung zur Erde zu bringen. In die Firma investieren prominente Geldgeber wie Google-Gründer Larry Page oder der Filmregisseur James Cameron.
Der Konkurrent Deep Space Industries wurde 2013 gegründet, um den Zugang zum Outer Space zu "demokratisieren", d.h. für privates Gewerbe zu öffnen. Sie entwickeln Technologien, die einen Vorstoß ins All finanzierbarer machen. Unter den Firmengründern befindet sich Rick Tomlison. Ein entschiedener Lobbyist für die Expansion ins Weltall. Er wurde bereits sechsmal vor dem Kongress zu Fragen der staatlichen Förderung der NASA-Programme oder zu sonstigen Fragen der Weltraumfahrt gehört. Die Liste seiner Beteiligungen, Zuarbeiten und Projekte in der Raumfahrtindustrie ist lang.
Interessant hierbei ist, dass er am Space Studies Institute des Physikers Gerard K. O’Neill arbeitete. O‘Neill entwickelte Ideen für eine Besiedlung des Weltraums, etwa die O’Neill-Zylinder. Diese Zylinder sind wie Kapseln im All, in deren Inneren eine habitable Zone errichtet werden kann. Also ein Export menschlicher Zivilisation ins Weltall. Ohne große Anpassungen an die lebensfeindliche Umgebung. O’Neill zeichnet seine Ideen in dem Buch "The High Frontier: Human Colonies in Space" (1976) nach. Wieder ertönt das alte Signal der Frontier. Man kann sich vorstellen, wie die ersten Menschen dieser "hohen", d.h. "über der Erde befindlichen" Frontier sein werden. Der Mond wie auch erdnahe Asteroiden sollen das Material für diese Kolonien liefern.
Ein alter Gedanke, der sich bis heute durch die Siedlungskonzepte zieht: Statt im All Rohstoffe für eine ausgebeutete Erde abzubauen, werden diese direkt im All weiterverarbeitet und unterstützen die weitere Kolonisierung. Damit verbunden ist auch die Organisation Space Frontier Foundation. Sie propagiert eine möglichst zeitnahe Besiedlung des Alls durch Menschen und das kann vor allem durch freies Wirtschaften erfolgen. Alle Regierungen sollen die Chancen der New Space-Branche annehmen, unterstützen und das kapitalistische System im All nicht behindern. Seinen Ursprung hat diese Stiftung nicht von ungefähr in der Reagan-Ära. Der Weltraumcowboy begegnet den Gefahren und durch seinen Mut und Einsatz erreicht der Kapitalismus auch die Ränder unseres Sonnensystems – und darüber hinaus.
Dem Präsidenten der Mars Society kann hierbei die interplanetare Verbreitung des Kapitalismus nicht schnell genug gehen: "Könnte ein Mechanismus in Gang gebracht werden, der das Privatbesitzrecht auf dem Mars durchsetzt, wäre wahrscheinlich schon heute der Handel mit Marsimmobilien möglich." (So berichtet Marsiske in seinem Buch.)
Wollen wir das? Immobiliengeschäfte auf dem Mars? Sicher nicht während der ersten bemannten Mars-Expedition. Aber wenn der Mars allmählich zu einer zweiten Erde wird, könnten doch auch die schönsten Aussichten - zum Beispiel auf den Olympus Mons - viel Geld kosten? (Mit welcher Währung zahlt man, bis es die Mars-Mark geben wird? Wird alles in Bitcoin abgerechnet. Dafür muss das Netz mit ins All kommen.)
Staatliche Akteure sprechen auch von "Pioneers in Space", wenn sie ein legales Framework für Rohstoffabbau im Outer Space anbieten, so etwa die entsprechende Behörde Luxemburgs. Die Rede ist von nachhaltigem Abbau, friedlicher Verwendung der Rohstoffe unter Beachtung internationaler Gesetze und einem Nutzen für die gesamte Menschheit.
Luxemburg knüpft an seine Unternehmenstradition in der Satellitenherstellung an. Das hört sich alles gut an, die Frage stellt sich aber, warum sich gerade dieser europäische Kleinstaat als Vermittler extraterrestrischer Anwaltsdienste anbietet? Der Gedanke an Provision und Profite wird da sicher auch irgendwo im Hintergrund schwelgen.
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