Menschenverachtende Version des Moorhuhns von US-Servern verbannt
Meinungsfreiheit versus Urheberrecht
Moorhühner, die an Juden erinnern, eine Straßenbeschilderung mit den Namen von Konzentrationslagern und Heißluftballone mit Hakenkreuzen: Da platzte Phenomedia, dem Hersteller der beliebten Moorhuhnspiele, der Kragen. Von einer derartigen menschenverachtenden Verfälschung des Originals distanziert sich das Unternehmen. Es gelang ihm sogar, das verfälschte Moorhuhnspiel ohne großes öffentliches Aufsehen vom US-Server zu nehmen.
Die Moorhühner hatten schnell die Gemüter bewegt, doch allen Kritiken voran steht die Tatsache, dass das Spiel im Büroalltag einfach zu häufig gespielt wird. Auch die 2. Variante des Moorhuhns ließ die Alarmglocken in den Chefetagen klingeln. Doch die Millionen Fans störte es wenig, für ein 90 Sekunden-Spiel fanden sie immer mal Zeit.
Die Fans machen auch den großen Erfolg des Moorhuhns aus. Außer dem allgemeinen Spielfieber, das nahezu jeden mal erwischt hat, haben viele auch noch jede Menge Add-Ins für das Moorhuhn gebastelt. Mittels eines kleinen Patches kann man die Originalsoftware verändern. So fliegt das Moorhuhn schon mal vor ägyptischer Kulisse oder lässt sich gleich im Weltraum treiben. Gegen solche Veränderungen haben die Hersteller nichts einzuwenden, denn jedes Aufpeppen der Moorhühner hält die Fans weiter positiv in Laune.
Nazi-Moorhuhnjagd
Nun wurde aber eine Nazi-Version gebastelt und auf der Seite des amerikanischen Neo-Nazi Gary Lauck veröffentlicht. Phenomedia distanziert sich entschieden gegen solche Machenschaften und zeigte sich tief betroffen angesichts der menschenverachtenden Verfälschungen der Landschaft und der Hauptspielfiguren. "Es wirkte wie ein Hammer, wenn ausgerechnet das beliebteste Computerspiel des deutschsprachigen Raums verfälscht und vor den Karren des Rechtsextremismus gespannt wird", heißt es in der offiziellen Pressemeldung von Phenomedia.
Im Stil der Add-Ins wurden die Figuren und Teile der Landschaft verändert. So bekamen die Moorhühner Gebetskäppchen und Schläfenlocken verpasst. Im Titelbild wird das Moorhuhn zusätzlich noch mit einem David-Stern gekennzeichnet. Heißluftballons sind mit Hakenkreuzen bepinselt und die Spieler werden mit "Adolf Hitler - Sieg Heil-Rufen" begrüßt. Ein Straßenkreuzungsschild trägt die Namen der bekanntesten Konzentrationslager. Selbst die Bäume hat man mit Plakaten bestückt, die auf neonazistische Propagandafilme verweisen. Die Spielideologie zeigt deutlich, dass es nur Pluspunkte für abgeschossene "jüdische" Moorhühner gibt. Trifft man die Werbeballons oder Flugzeuge der NSDAP-AO, gibt es Minuspunkte. Auch die Bestenliste wurde grafisch mit Propagandamaterial unterlegt. Kurz vor Beenden des Spiels wird man noch aufgefordert, den NS-Freiheitskampf zu unterstützen. Unter einer Bestelladresse kann ein Gratis-Exemplar der Kampfschrift "NS-Kampfruf" angefordert werden.
Ein klarer Fall für die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften, die diese Spielvariante sofort auf den Index der Spiele setzte, die nicht mehr in Kinder- bzw. Jugendhände geraten sollen.
Für Phenomedia ebenfalls ein Fall, der sofort Konsequenzen haben musste, denn hier sah man sich eindeutig in seinen Urheberrechten verletzt. Mit diesen ideologischen Auswüchsen wollte man nicht in Verbindung gebracht werden. Doch man war sich auch klar, dass man in Hinblick auf die US-Rechtsprechung nicht mit einer Argumentationskette wie Volksverhetzung oder Aufstachelung zum Rassenhass Erfolg haben würde. Wesentlich sensibler reagieren die US-Behörden aber in Fällen von Urheberrechtsverletzungen, die insbesondere durch die vorgenommenen Veränderungen offensichtlich waren.
"Wir haben unsere Position in den USA in aller Stille durchgesetzt, um nicht zusätzliches Interesse auf diese absolut menschenverachtende Verfälschung unseres Spiels zu lenken" so Ulf Hausmanns, Pressesprecher der Phenomedia AG. Damit erreichte Phenomedia, dass der Nazi-Moorhuhn-Softwarepatch auf US-Servern verbannt worden ist.
Für den Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Heinz Fromm ist klar, dass mit solchen Spielen "eher die Schwelle von der Gewaltlosigkeit zur Gewalt" überschritten wird. Diese Ansicht können allerdings Wirkungsforscher von Computerspielen immer noch nicht eindeutig bestätigen. Lediglich von einem möglichen Empathieverlust gehen manche Forscher aus, wie auf der Jahrestagung der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften berichtet wurde.