"Menschlicher Abschaum"

Es wird Zeit über Bestrafungen von Journalisten nachzudenken.

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Die Berichterstattung über den Tod von 58 Menschen, als sie versuchten in Großbritannien einzureisen, zeigt einmal mehr den tiefsitzenden Rassismus im durchschnittlichen Journalisten. In einigen Fällen identifizierten die Medien die Opfer selbst als Kriminelle. Doch in den meisten Fällen stellten die Medien die Tragödie als Beispiel für "kriminellen Menschenschmuggel" dar. Die britischen Einwanderungsgesetze wurden hingegen nicht kritisiert.

Es ist nicht falsch, wenn arme Leute in ein reiches Land einzureisen versuchen. Reiche Länder und Regionen haben eine moralische Pflicht, ihren Reichtum umzuverteilen. Die sogenannte "Entwicklungshilfe" ist keine Umverteilung. Einen Dollar pro Person pro Jahr für Albanien auszugeben wird zum Beispiel Albanien nie auf das Niveau des Lebensstandards in Kalifornien bringen.

Wenn also reiche Länder sich weigern, ihren Reichtum umzuverteilen, dann ist es, ganz allgemein gesprochen, nicht falsch für arme Leute, in diese reichen Länder gelangen zu wollen. Das ist ein moralisches Thema, das über den Rahmen der Gesetzgebung hinausgeht. Insbesondere haben reiche Länder kein Recht, sich in zu Befestigungen ausgebaute Inseln des Reichtums in einem Meer von Armut zu verwandeln. Anti-Einwanderungsgesetze mit dem Ziel der Null-Einwanderung sind unzweifelhaft unmoralisch. Unter solchen Umständen kann jeder solche Gesetze brechen, mag unter Umständen jeder arme Leute in reiche Länder schmuggeln helfen.

Es müsste nicht unbedingt so sein. Es ist kein Geheimnis, wie Reichtum geographisch umverteilt werden könnte. Die Europäische Union und die meisten ihrer Mitgliedsstaaten machen das zum Beispiel in ihrer Regionalpolitik. Masseneinwanderung ist andererseits auch keine effektive Art der Umverteilung. Um eine Idee von der Größenordnung des Problems zu geben: Das Bruttonationalprodukt (BNP) in Großbritannien ist ungefähr 4 bis 5 Mal höher als das durchschnittliche BNP der gesamten Erde. Es würde ungefähr 150 bis 200 Millinen Immigranten benötigen, um das britische BNP auf den Weltdurchschnitt zu drücken. Es wäre natürlich wesentlich einfacher eine neue Einkommenssteuer einzuführen, z.B. 30% und diese Mehreinnahmen für Entwicklungsprojekte in Osteuropa und Afrika zu benutzen. Aber das wird selbstverständlich nicht geschehen. Welcher westliche Politiker würde schon eine Einkommenssteuer von 30% zusätzlich zu existierenden Steuern einführen?

Was ist also die Realität der Einwanderung? Die Realität in Großbritannien ist die, dass es keine legale Form der Einwanderung aus wirtschaftlichen Gründen gibt. Und selbst eine so kleine Zahl wie 200 Wirtschaftsflüchtlinge erweckt extreme Feindseligkeit von Medien und rassistischen Parteien - die übrigens oft zusammenarbeiten. Es kann sogar jeder individuelle Einwanderer zur Zielscheibe der britischen Medien werden - jedes Detail ihres Einkommens und ihrer Unterbringung kann benutzt werden, um zu zeigen, "dass zuviel ausgegeben wird". Das hat ein Klima der Feindseligkeit geschaffen, in dem sich Einwanderungsbeamte auf die Jagd nach Immigranten machen. Als der Zollbeamte in Dover die Leichen der 58 Toten fand, was tat er? Er rief die Einwanderungsbehörde an, zweifellos um sicherzustellen, dass kein Überlebender entflieht.

Man muss nicht gerade weit gehen, um zu sehen, woher diese Mentalität stammt. Nicht weiter als zur nächsten Lokalzeitung, dem "Dover Express". Laut der antirassistischen Initiative CARF hat die Zeitung im Oktober 1998 einen Leitartikel veröffentlicht, über "illegale Einwanderer, Asylbewerber und den Abschaum der Erde, Drogenschmuggler, die unsere geliebte Küste zu ihrem Ziel auserkoren haben". Der Dover Express schloss: "Uns fällt es zu, Sammelbecken für diesen Rückfluss menschlichen Abschaums der ganzen Nation zu sein, und wir haben nichteinmal das Geld, um sie durch die Abwasserleitung runterzuspülen". (siehe CARF: Rassismus und die Presse in Blairs Großbritannien)

Die britische Regenbogenpresse ist natürlich nicht der einzige Ort, an dem man rassistische Journalisten findet. In Irland - noch vor 15 Jahren selbst Herkunftsland von Immigranten - hat die Presse begonnen, ihre britischen Kollegen zu imitieren (siehe Flüchtlinge, Immigranten und die irische Presse).

Doch der Rassismus ist nicht immer so deutlich wie hier. Vor einigen Wochen wurde der britische Militär-Attaché in Athen erschossen. Seine Witwe und ihre Kinder gaben eine Stellungnahme am Eingangstor ihres Hauses ab und erklärten, wie ihr Leben zerstört wurde. Mehrere Minuten dieser Stellungnahme wurden von BBC News ausgestrahlt und von vielen anderen Fernsehstationen in Europa übernommen. Werden die Familien und Freunde der 58 Opfer von Dover Sendezeit im entsprechenden Ausmaß auf BBC News bekommen, um über ihre Trauer und ihren Verlust zu sprechen? Nein, denn BBC-Journalisten sind Rassisten. So einfach ist das. Diese Art von Rassismus durchdringt den Fernseh- und Printjournalismus in ganz Europa.

Es wird Zeit, Journalisten dafür zu bestrafen, ein Klima des Rassismus und der Feindseligkeit gegenüber Einwanderung zu schaffen. Journalisten sind keine Heiligen und verdienen keinen besonderen Schutz. Es gibt keine "Rassismusfreiheit". Die Kriterien für Bestrafung sind einfach: Migration armer Leute in reiche Länder ist nicht falsch, und jeder Journalist, der dagegen eine Kampagne führt, sollte bestraft werden. Die Strafen sollten zumindest ausreichend sein, um die Wirkung umzukehren. Jede Zeitung zum Beispiel, die Einwanderer als "menschlichen Abschaum" bezeichnet, sollte zwangsweise geschlossen werden - komplett, für immer und ohne Kompensation. Unterdrückung der medialen Feindseligkeit gegenüber Einwanderung ist natürlich selbst noch keine Lösung für das Problem der globalen Ungleichheit. Dennoch wäre es einer von mehreren, notwendigen ersten Schritten hin zu einer Lösung.

Siehe auch: Die Globalisierung der Überwachung, ein Hintergrundartikel über das Schengen-Informations-System und weitere Formen der EU-Polizeikooperation, Datenbanken und technische Überwachungssysteme, sowie: Die Barbarei des europäischen Grenzregimes