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Merkel: Aufschließen zur Front gegen Iran?

Merkel und Trump bei einem Treffen im März 2017. Foto: Weißes Haus/gemeinfrei

Trump und Macron haben den Druck auf Iran erhöht, sich auf Nachverhandlungen zur Atomvereinbarung einzulassen. Bei ihrem Arbeitsbesuch in den USA wird die Kanzlerin Position beziehen müssen

Drei Mal habe er den Text der Atomvereinbarung mit Iran komplett durchgelesen, sagte [1] US-Verteidigungsminister Mattis bei der Anhörung vor dem Senats-Ausschuss Committee on Armed Service, dabei habe er den Eindruck gewonnen, dass der Text unter der Annahme verfasst worden sei, dass Iran falschspielen würde.

Der Schluss, den Mattis aus seiner Lektüre zieht, ist ein eigenartiger Beitrag zur Debatte in den USA darüber, ob an der Nuklear-Vereinbarung mit Iran (JCPO, Gemeinsamer Aktionsplan [2]) festgehalten wird (Überlebt die Atomvereinbarung mit Iran? [3]).

Mattis: "ziemlich robuste Methoden" in der Vereinbarung ...

Mattis betont nämlich sein Erstaunen darüber, dass in der Vereinbarung "ziemlich robuste Methoden enthalten sind", um zu verifizieren, ob Iran sich an die Auflagen hält, insbesondere, wenn es darum gehe, dass Inspektoren der International Atomic Energy Agency (IAEA) ins Land können, um das nachzuprüfen. Im Original wird die Aussage Mattis so wiedergegeben [4]:

So the verification, what is in there, is actually pretty robust as far as our intrusive ability to get in (…)

Jim Mattis, US-Verteidigungsminister

Ergänzt wird das direkte Zitat im Ha'aretz-Bericht mit indirekter Rede, die dann auf die Arbeit der IAEA-Inspektoren verweist. Die Überschrift zum Ha'aretz-Bericht lautet, dass "Mattis mit Trump bricht".

Tatsächlich ist der Kontrast auffällig. Während Trump in den letzten Tagen beim Staatsbesuch Macrons erneut herausstrich, wie furchtbar schlecht die unter Präsident Obama getroffene Vereinbarung in seinen Augen die Interessen der USA vertritt, streicht Mattis heraus, dass der Text in einem wesentlichen Punkt, nämlich der Absicherung gegenüber der ungewollter "nuklearer Aktivitäten" in Iran, ziemlich robust ist.

Andersseits zeigte sich Mattis aber in seinem Auftritt vor dem Ausschuss in seiner Haltung flexibel, indem er einige Anknüpfungspunkte zu Trumps Einwänden äußert, so dass es nicht so leicht möglich ist, ihn in eine ähnliche Ecke als Gegner oder Kritiker Trumps zu stellen wie vordem Außenminister Tillerson, der sich nicht in seinem Amt halten konnte.

So verwies Mattis auf die Vorgeschichte zur Vereinbarung, darauf dass Iran ein "nukleares Waffenprogramm" verfolgt habe, was das Land verdächtig mache, ebenso wie dessen enge Verbindung zu Syriens Führung und die Unterstützung von "Proxy-Streitkräften" im Jemen.

... aber ungenügend?

In der Regierung erwäge man noch, so Mattis, wie man die Vereinbarung verbessern könne, damit Trump sie beibehalten wolle. In seinen Augen sei die Vereinbarung ungenügend, zitiert ihn der Ha'aretz-Bericht. Es gebe offensichtlich einige Aspekte, wo Verbesserungen gemacht werden könnten.

Nach Einschätzung des französischen Präsidenten Macron, der bis gestern in Washington war, ist Trump nicht davon zu überzeugen, an der Vereinbarung festzuhalten. Nach der Freundschafts-Show ("I like him a lot"), die Trump mit Macron abzog - wo er sich brüstete [5], Macron auf seine Seite gezogen zu haben -, dürfte es Merkel schwer haben, bei ihrem Arbeitsbesuch am heutigen Freitag den US-Präsidenten zu überzeugen, den JCPO zu weiterzuverfolgen.

Trump und Merkel hätten einige schwierige Fragen zu klären, melden die Morgennachrichten: das Thema Zölle wie auch die Energiegeschäfte Deutschlands mit Russland, die der US-Präsident kritisiert.

Merkel und die "fatale Schwäche der deutschen Politik gegenüber Iran"

Ein Meinungs-Artikel [6] der Publikation The Hill mahnt eine ganze Reihe von Mängeln und "Vernachlässigungen" an, die Deutschland in seinem Verhältnis gegenüber Iran vorzuwerfen seien, obwohl deutsche Geheimdienste darüber Bescheid wüssten, dass sich Iran um Träger-Technologie für sein Raketenprogramm bemühe.

Der Verfasser des Artikels kommt aus dem Think Tank Foundation for Defense of Democracies (FDD [7]), der mit Neocons verbunden ist. Die Vorschläge Benjamin Weinthals, wie Merkel und Trump das Abkommen verbessern müssen, und seine Kritik an der "fatalen Schwäche der deutschen Politik gegenüber Iran und dem Deal" [8] dürften mit der Position der Regierung Netanjahus ziemlich kongruent sein.

Damit gibt der Meinungsartikel auch eine Position wieder, die auch im Weißen Haus eine wichtige Rolle spielen dürfte. Für Merkel wird es schwer - sollte sie Trump davon überzeugen wollen, dass er am 12. Mai das Signal gibt, an der Vereinbarung festzuhalten.

Nicht ausgeschlossen ist, dass es den USA und Israel gegenwärtig vor allem darauf ankommt, den Druck auf Iran so zu erhöhen, dass sich die Führung in Teheran auf Nachverhandlungen einlässt, wie dies ja auch Macron zuletzt forderte (Trump und Macron: Gegen die Hegemonie Irans den Nahen Osten neu ordnen [9]). Dieser Linie könnte sich Merkel anschließen. Eine gemeinsame europäische Linie gegen [10] Trump hat sich noch nicht herauskristallisiert. Gibt es sie? Besteht daran Interesse?

Den Druck erhöhen

"Dealmaker" Trump selbst bekundete während des Macron-Besuchs ganz verliebt in die eigene Rolle, dass niemand wisse, wie sich der US-Präsident am 12. April entscheiden werde. Irans Führung verkündete indessen mehrmals, dass sie zu keinerlei Nachverhandlungen bereit [11] sind.

Die Frage nach der Aufkündigung der Abmachungen mit Iran, die durch Trumps Beschluss von Sanktionen in Gang gesetzt würde [12], lautet dann: Wie werden die "nuklearen Aktivitäten" Irans künftig kontrolliert? Das dürfte auch aus israelischer Sicht die Kernfrage sein.

Die Zeichen stehen momentan nicht auf Entspannungspolitik, angesichts der Präsenz einer aufgerüsteten Hizbollah in Syrien verstärken sich Sorgen und Beunruhigungen in Israel zwangsläufig. Das ist auch Irans Führung klar, die das ganz sicher im Kalkül hat. Die Frage ist, ob "militärische Muskelpolitik" eine aussichtsreiche Strategie ist.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-4036623

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.haaretz.com/middle-east-news/iran/mattis-says-iran-nuclear-deal-includes-robust-verification-1.6032581
[2] http://www.consilium.europa.eu/de/policies/sanctions/iran/jcpoa-restrictive-measures/
[3] https://www.heise.de/tp/features/Ueberlebt-die-Atomvereinbarung-mit-Iran-4029223.html
[4] https://www.haaretz.com/middle-east-news/iran/mattis-says-iran-nuclear-deal-includes-robust-verification-1.6032581
[5] https://twitter.com/AP_Politics/status/989515571770396672
[6] http://thehill.com/opinion/national-security/384958-how-trump-and-merkel-can-fix-the-iranian-nuclear-deal
[7] http://www.defenddemocracy.org/
[8] http://www.defenddemocracy.org/media-hit/toby-dershowitz-how-trump-and-merkel-can-fix-the-iranian-nuclear-deal/
[9] https://www.heise.de/tp/features/Trump-und-Macron-Gegen-die-Hegemonie-Irans-den-Nahen-Osten-neu-ordnen-4032724.html
[10] https://www.heise.de/tp/features/Trump-und-Macron-Gegen-die-Hegemonie-Irans-den-Nahen-Osten-neu-ordnen-4032724.html
[11] https://www.heise.de/tp/features/Ueberlebt-die-Atomvereinbarung-mit-Iran-4029223.html
[12] http://foreignpolicy.com/2018/04/26/trumps-middle-ground-on-iran-deal-sanctions-waivers-is-a-myth/