Merkel in Kiew

Die deutsche Bundeskanzlerin will mit ihrem Besuch kurz vor dem Jahrestag der Unabhängigkeit des Landes demonstrativ ihre Unterstützung der ukrainischen Regierung zeigen

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Am 24. August 1991 verabschiedete das Parlament der Ukrainischen Sowjetrepublik eine Unabhängigkeitserklärung. Seitdem wird der 24. August als ukrainischer Nationalfeiertag gefeiert. Aber nicht alle Einwohner der Ukraine sind mit der Unabhängigkeit glücklich.

Viele glauben, dass es ihnen heute besser gehen würde, wenn das Land (dessen Bruttoinlandsprodukt 2012 bei nur mehr 69,3 Prozent des zu Sowjetzeiten erreichten lag) Teil der russischen Föderation wäre. Das gilt vor allem die Ukrainer im Osten des Landes, der sich im Frühjahr für unabhängig erklärte und gerade mit Gewalt von Truppen aus dem Westen der Republik zurückerobert wird.

Die Muttersprache der meisten Menschen in der Donbass-Region im Osten der Ukraine unterscheidet sich kaum von der, die in Moskau oder Wolgograd gesprochen wird. Aber auch die ukrainische Schriftsprache hat über zwei Drittel ihres Lexikons mit dem Russischen gemein und weicht davon nicht stärker ab als beispielsweise einer der schweizerdeutschen Dialekte vom Hochdeutschen. Nikolai Gogol, der heute als ukrainischer Nationaldichter gefeiert wird, schrieb seine Romane noch im 19. Jahrhundert ganz selbstverständliche auf Russisch und wechselte nur dann in der Mundart, die man heute Ukrainisch nennt, wenn er zeigen wollte, dass ein Bauer spricht.

Der ukrainische Nationaldichter Nikolai Gogol 1847.

Andere Ukrainer - vor allem solche aus dem katholisch geprägten Westen des Landes, der lange zu Polen-Litauen gehörte - sehen ihr Heil in einer EU-Mitgliedschaft. Zu ihnen gehören der aktuelle Präsident Petro Poroschenko und die Politiker der Parteien, die derzeit die Regierung in Kiew stellen. Um sie zu unterstützen, ist Bundeskanzlerin Angela Merkel heute nach Kiew gereist, wo sie Poroschenko und Regierungschef Arsenij Jazenjuk trifft.

Bei den Gesprächen mit ihm wird es unter anderem um den russischen Konvoi gehen, der nach fast zweiwöchigem vergeblichen Warten auf eine Genehmigung der ukrainischen Behörden gestern nach Lugansk fuhr, um die von der regulären Lebensmittelzufuhr abgeschnittenen Bewohner der umkämpften Region mit Trinkwasser und Nahrung zu versorgen. Die ukrainische Regierung hatte den Konvoi den Grenzübertritt mit dem Argument verweigert, dass er Waffen und Munition an die Separatisten ins Land schmuggeln könnte. Journalisten, die den Inhalt der Lastwagen während der Wartezeit inspizieren konnten, fanden dafür keine Anhaltspunkte.

Trotzdem sprach der ukrainische Inlandsgeheimdienstchef Valentin Naliwaitschenko gestern von einer "russischen Invasion", auf die sein Land allerdings nicht reagieren werde. Ein Sprecher der EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton forderte eine "Rücknahme" der Grenzverletzung, wobei er offen ließ, wie diese aussehen soll. Daran, dass die Lastwagen nach ihrer Entladung in Lugansk bleiben sollen, hatte auch Moskau kein Interesse: Die Fahrzeuge haben die Region bereits wieder leer verlassen.

Der dänische NATO-Chef Anders Fogh Rasmussen kritisierte ebenfalls eine "Verletzung der ukrainischen Souveränität" durch die ungenehmigten Hilfslieferungen. Außerdem behauptete er, Russland würde durch Artilleriebeschuss von jenseits der Grenze direkt in den Konflikt eingreifen und habe seit Mitte August sogar Soldaten auf ukrainischem Territorium stationiert. Belege für diese vom russischen UN-Botschafter Vitali Tschurkin bestrittene Behauptung blieb Rasmussen bislang schuldig.

Der russische Staatspräsident Wladimir Putin erklärte den Grenzübertritt in einem Telefonat mit Angela Merkel damit, dass die ukrainische Seite gelogen und ganz offenbar kein Interesse an einer Lösung gezeigt habe. Im Interesse der Menschen im Donbass habe man deshalb handeln müssen. Außerdem zeigte sich Putin besorgt darüber, mit wie wenig Rücksicht auf zivile Opfer die ukrainische Regierung gegen Separatisten vorgeht. Am Dienstag will der russische Präsident seinen ukrainischen Amtskollegen treffen und Gespräche über eine Beilegung des Konflikts fortsetzen.

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