Mexiko möchte von Österreich Quetzalāpanecayōtl zurück - wenigstens leihweise

Eine 1950 angefertigte Kopie des Quetzalāpanecayōtl im Museo Nacional de Antropología e Historia in Mexiko-Stadt. Foto: Thomas Ledl. Lizenz: CC BY-SA 4.0

Ob es sich bei dem prächtigen Kopfschmuck um die Krone Moctezumas II. handelt, ist umstritten

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Der mexikanische Staatspräsident Andrés Manuel López Obrador hat via Twitter bekannt gegeben, dass er seiner Ehefrau Beatriz Gutiérrez Müller für deren Besuch in Wien einen Besorgungswunsch mitgegeben hat: Den Quetzalāpanecayōtl, einem prächtigen Kopfschmuck, der im Wiener Völkerkundemuseum ausgestellt wird.

Goldener Schnabel "versilbert"?

Auch wenn es häufig als "Moctezumas Krone" bezeichnet wird, ist fraglich, ob es sich bei dem 116 Zentimeter hohen und 175 Zentimeter breiten Ausstellungsstück tatsächlich um einen repräsentativen Kopfschmuck des Aztekenherrschers handelt, den der spanische Abenteurer Hernán Cortés am 14. November 1519 gefangen nehmen ließ und der im Monat darauf die Oberhoheit der spanischen Habsburgerkönigs und späteren deutschen Kaisers Karls V. anerkannte. Cortés, der seine Eroberungen gegen den Willen des kubanischen Gouverneurs Diego Velázquez de Cuéllar durchführte, schickte dem Vorgesetzten seines Vorgesetzten damals zahlreiche Geschenke aus dem Aztekenreich, die möglicherweise nicht ganz aus freiem Willen den Besitzer wechselten.

In einer historischen Liste dieser Objekte ist zwar auch von einem Kopfschmuck die Rede - aber dessen Beschreibung passt nicht zu dem in Wien ausgestellten Artefakt aus Goldschuppen, Flamingofedern, Eichhörnchenkuckucksfedern, Xiuhtōtōtlfedern und Quetzalfedern. Sehr viel besser passt eine Beschreibung aus einer Nachlassaufstellung des 1596 verstorbenen Tiroler Erzherzogs Ferdinand, der den Kopfschmuck für sein Kuriositätenkabinett dem derzeitigen Forschungsstand nach dem oberschwäbischen Grafen Ulrich VI. von Montfort in Tettnang abgekauft hatte. Hier fehlt lediglich ein goldener Schnabel, der ursprünglich Teil des Quetzalāpanecayōtl gewesen sein könnte, bis er irgendwann "versilbert" wurde.

Keine Xiuhhuitzolli

Hinzu kommt, dass der Quetzalāpanecayōtl nicht die Form der klassischen aztekischen Krone hat: Die Xiuhhuitzolli ähnelt eher europäischen Soldatenkopfbedeckungen aus dem 18. Jahrhundert und ist mit Türkissteinen besetzt. In der aztekischen Bilderschrift lassen sich Herrscher immer an diesem Attribut erkennen. Deshalb halten es viele Altamerikanisten für wahrscheinlicher, dass es sich beim Quetzalāpanecayōtl um die Kopfbedeckung eines hohen aztekischen Geistlichen handelt. Ob der sie freiwillig und für eine angemessene Gegenleistung hergab, darf freilich ebenso bezweifelt werden.

López Obrador, der nicht von Nahua-Indianern, sondern von Spaniern abstammt, schätzt die Chancen auf eine Rück- oder Leihgabe des Quetzalāpanecayōtl seinen eigenen Angaben nach als nicht sehr groß ein. Immerhin, so der Präsident, hätten die Österreicher dieses Schmuckstück nicht einmal dann verliehen, "als sie bei uns einfielen und uns das sogenannte Zweite Mexikanische Reich auferlegten".

In Wien sieht man das ähnlich und beruft sich dabei unter anderem auf Gutachten, denen zufolge man dem fragilen Objekt keinen Transport aussetzen kann, ohne Beschädigungen zu riskieren. Beschädigt wurde der Kopfschmuck aber auch schon in Österreich: Hier hatte sich Ungeziefer so über ihn hergemacht, dass 1878 zahlreiche Federn ausgetauscht werden mussten. Bei Goldschuppen, die abhandengekommen waren, zeigte man sich damals sparsam und ersetzte sie durch vergoldete Bronze.

Außer um den Kopfschmuck hat die mexikanische Präsidentengattin in Europa auch um den Codex Borgia und zwei weitere Dokumentensammlungen gebeten, in denen vorkolumbianische Mexikaner ihre Geschichte, ihre Kultur und ihre Religion in ihrer eigenen Bildschrift schildern. Die meisten dieser Bücher wurden im 16. Jahrhundert von Missionaren verbrannt. Die, die Andrés Manuel López Obrador nun für eine Ausstellung zur 500-jährigen Erinnerung an die Eroberung Mexikos haben möchte, befinden sich im Besitz des Vatikan, den Beatriz Gutiérrez Müller am Freitag besuchte.

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