Migranten aus Libyen: Macron will Hotspots im Land
Der französische Präsident verblüfft Rom, Berlin und Brüssel mit seinem Vorschlag
Nach seinem Treffen mit dem libyschen Regierungschef Fayez al-Sarraj und General Khalifa Haftar am Dienstag hatte der französische Präsident Emmanuel Macron noch etwas im Ärmel. Alle Welt, zumindest die anwesenden Journalisten und später Italien, war überrascht, als der Amtsneuling am Donnerstag seine Idee präsentierte: französische Hotspots in Libyen, noch diesen Sommer.
"Schockeffekt" bei Nachrichtenagenturen
Macron hatte, wie sich mit einer weiteren Ankündigungs-Rede herausstellte, eine Art "Themenwoche Migration". Der Vorschlag der Errichtung von Hotspots, um Asylanträge auf libyschen Boden zu bearbeiten, war sein Verblüffungs-Ass im Ärmel. Wahrscheinlich hatte er die "Idée" (Macron) zuvor mit Sarraj und Haftar besprochen und möglicherweise hatte der Gastgeber freundliche Ermunterung bekommen, jedenfalls erzielte er mit seiner Ankündigung einen "Schockeffekt" bei mehreren Nachrichtenagenturen, wie France 24 berichtete.
Allerdings ruderte der Präsidentenpalast schon wenig später zurück. Das Kommunikationszentrum des Elysee präzisierte. Kein Hotspots in Libyen werde aufgemacht, so lange es die Sicherheitsbedingungen dort nicht zulassen. Das sei aktuell nicht der Fall und auch nicht diesen Sommer. Am Donnerstagabend wurde laut dem genannten France-24-Bericht auch diese Aussage korrigiert: gegenwärtig sei die Öffnung von Hotspots in Libyen nicht möglich, "aber vielleicht in einer kurzen Frist".
Jedenfalls werde es ab Ende August eine Mission für die für Asyl zuständige Behörde, das "Amt für den Schutz von Flüchtlingen und Staatenlose", kurz Ofpra, geben, um zu prüfen, ob die Einrichtung von Hotspots in Libyen sowie in Niger und im Tschad möglich sei.
Mit diesem Zickzack-Schmetterlingsflug war die Verwirrung unter den Experten komplett. Der italienische Außenminister Alfano reagierte spürbar verärgert auf die Idee: "Frankreich kann seine Schritte nicht mit solchen Linien aus dem Stegreif machen."
Für Italien stünden Hotspots nicht auf den Plan, was die Flüchtlinge und Migranten aus Libyen betreffe. Man konzentriere sich auf Pläne der Regelung zur Ankunft von Migranten, Diskussionen über die NGOs zum Verhaltenskodex und Möglichkeiten, die unterschiedlichen Kräfte in Libyen miteinander zu versöhnen.
Unüberhörbar ist ein Missfallen des italienischen Außenminister daran, dass Macron nun in der "libyschen Angelegenheit" die Initiative übernimmt: erst mit dem arrangierten Treffen, das Haftar internationale Weihen gab, und dann der Hotspot-Vorschlag. Dem räumt der Frankreich-Korrespondent des österreichischen Standard übrigens gar keine so schlechten Chancen ein.
"Nicht nur heiße Luft"
Zwar goutiere man das wenig nicht nur in Rom, sondern auch Berlin und Brüssel und wunderte sich dort, so Stefan Brändle, aber Macrons Idee "nicht nur heiße Luft". Die Ofpra-Behörde habe in der Praxis bereits einige Erfahrungen mit Asylgesuchen an ausländischen Standorten gemacht. Im Libanon, in Jordanien, der Türkei oder Ägypten habe Ofpra bereits 10.000 Asylgesuche behandelt und im frankofonen West- und Nordafrika habe Ofpra "fundierte Erfahrung im Umgang mit Krisenherden". Eingerahmt würde dies politisch mit den Kontakt Macrons zum "Warlord Haftar".
Doch auch der Standard-Korrespondent merkt an, dass der "vorauseilende Realpolitiker" seine eigenen Kapazitäten überschätzen könnte. "Abwarten" ist auch das Leitmotiv, das sich aus Berichten zum Migrationsplan Marcrons herauslesen lässt. Der Präsident hatte am Donnerstag, nachdem er eine syrische Flüchtlingsfamilie besucht hatte, in einer Rede seine Kernpunkte des Regierungsplans zur Migration bekannt gemacht.
Der erste Punkt seines Migranten-Plans lautet, dass der Präsident "bis zum Ende dieses Jahres keine Frauen und Männer mehr auf den Straßen oder in den Wäldern sehen will". Beim ersten Kampffeld gehe es darum, "alle in Würde unterzubringen". Die anderen Vorschläge sind denen, die man auch von der deutschen Regierung hört, sehr ähnlich: die Beschleunigung des Asylverfahrens, ein gesteigertes Augenmerk auf die Rückführung.
"Europäische Asylpolitik"
Macron will die amtliche Unterscheidung zwischen Flüchtlingen und Migranten, die aus wirtschaftlichen Gründen über Libyen nach Europa kommen wollen, und deren behördliche Behandlung möglichst nach Afrika verlagern. Auch das dürfte deutschen Plänen entsprechen. Nicht sicher ist, ob die Idee eines "europäischen Asylrechts", die Macron mit seiner Rede erneut ins Spiel brachte, auch in Berlin auf Entgegenkommen stößt. Macron betont, dass er bei den Modalitäten erst eine Annäherung mit Deutschland suche.
In Frankreich ist man skeptisch, was die Räumung der Lager in Calais und die improvisierten Unterkünfte von Migranten in den Städten angeht. Dass schlecht untergebrachte Migranten aus dem Straßenbild verschwinden sollten und Lager geräumt werden sollen, haben schon seine Vorgänger und deren Regierungen versprochen. Geschafft haben sie es nicht.