Mischung aus "Oz" und "Unsere kleine Farm"

Nachdem "House of Cards" auch in der dritten Staffel an Sky verkauft wurde, ist die Frauengefängnisserie "Orange is the New Black" das Zugpferd zum Netflix-Start in Deutschland

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Netflix ist der bekannteste US-amerikanische Streaminganbieter: In den USA hat der Dienst bereits über 36 Millionen Kunden. Rechnet man mit einer durchschnittlichen Haushaltsgröße von 2,55 Personen, haben 91,8 Millionen Amerikaner Zugang zu dem Streamingdienst - deutlich mehr als ein Viertel der Gesamtbevölkerung. In den nächsten Tagen will Netflix sich für deutsche Nutzer ohne US-VPN öffnen.

Für User mit einen US-Zugang ist das deutsche Angebot seit Sonntag sichtbar, wenn sie die Website mit einer deutschen IP-Nummer aufrufen. Dass das Netflix-Aushängeschild House of Cards fehlt, weil man die Ausstrahlungsrechte für Deutschland im Frühjahr auch für die dritte Staffel an Sky verkaufte, wurde bereits vorher bekannt.

Nun ist Orange ist the New Black (OITNB) das wichtigste Zugpferd: Eine Gefängnisserie, die man am besten als eine Mischung aus dem HBO-Klassiker Oz und der Mädchenserie Unsere kleine Farm beschreibt, auf die OITNB sogar direkt angespielt wird, als die lesbische Drogenkurierin Alex Vause die Hauptfigur Piper Chapman beim Kennenlernen "Laura Ingals" nennt.

Piper Chapman und Suzanne "Crazy Eyes" Warren. Bild: Netflix.

Chapman ist eine WASP-Tochter aus gutem Hause, die zu ihrer dreizehnmonatigen Haftstrafe kommt wie die Fast-Jungfrau zum Kind - oder wie Tobias Beecher zu seinem Gefängnisaufenthalt in Oz. Sie ist die Entsprechung Beechers in OITNB - allerdings konzentriert sich die Serie stärker auf sie als wichtigste Figur - auch deshalb, weil die Romanvorlage auf autobiografischen Erlebnissen der Autorin Piper Kerman beruht, die 2004 und 2005 13 Monate lang im Frauengefängnis Danbury eingesperrt war, weil sie 1998 Geld für einen afrikanischen Drogenbaron gewaschen hatte.

Außerdem geht es in OITNB deutlich weniger hart zu als in Oz, wo Beecher gleich zu Anfang vom Anführer der Aryan Brotherhood ein Hakenkreuz in den Hintern gebrannt bekommt, um ihn als Eigentum zu kennzeichnen, was sein Peiniger als "verfassungsmäßig garantiertes Recht" ansieht. Piper Chapman muss stattdessen damit fertig werden, dass die russische Küchenchefin ihr das Essen verweigert, nachdem sie sich kritisch über dessen Qualität geäußert hat. Und anders als in Oz, wo alles Gutgemeinte stets zu noch mehr Gewalt und in noch schlimmere Katastrophen führt, kann Chapman in OITNB den Konflikt mit Kreativität und gutem Willen auflösen.

Der Gefängnisangestellte Sam Healy sagt Piper Chapman zu Anfang, dass sich ein Frauengefängnis von einem Männergefängnis dadurch unterscheiden würde, dass Folter dort nicht über Gewalt, sondern durch Mobbing und Gerüchte ausgeübt wird. Das stellt sich nur zum Teil als zutreffend heraus - von der Hauptfiguren-Todesrate in Oz, die wahrscheinlich nur von der in Game of Thrones übertroffen wird, ist OITNB aber weit entfernt.

Gemeinsam haben Oz und OITNB die langsame Entwicklung vielschichtiger Charaktere, die im Laufe der Serie immer interessanter werden: Das dicke schwarze Waisenkind Tasha "Taystee" Jefferson (das anfangs wie Mammy-Figur Hattie McDaniel wirkt), Suzanne "Crazy Eyes" Warren (die aussieht wie eine Karikatur aus Amos & Andy), die evangelikale Fanatikerin Tiffany "Pennsatucky" Doggett, die italo-amerikanische Braut Lorna Morello oder das russische Traktoristinnenklischee Galina Reznikov sind alle nicht das, was sie beim ersten, zweiten, dritten oder vierten Eindruck scheinen.

Ebenfalls gemeinsam ist den Serien, dass sie eindrucksvoll die Dysfunktionalität des derzeitigen Gefängnissystems darlegen, das gerichtlich zertifizierten Gewalttätern vielfältige Möglichkeiten bietet, ihren Neigungen nachzugehen und Dominanz über andere auszuüben. Pozentielle Opfer müssen deshalb im Gefängnisalltag immer wieder bedingt gewollte schwere Straftaten begehen, um zu überleben.

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