Missachtung von Gerichtsentscheidungen: Die Polizei
Der Polizeidirektion Hannover wird gerichtlich auferlegt, Videokameras im öffentlichen Raum neu zu kennzeichnen. Die Reaktion? Ignorieren und vortäuschen. Kommentar
Videokameras im öffentlichen Raum sind seit langer Zeit ein Zankapfel. Während etliche sie als unentbehrlich ansehen, sind sie für andere einschüchternd und gerade auch bei Demonstrationen geeignet, das Verhalten zu verändern, bzw. Teilnehmer abzuschrecken.
Die Initiative Freiheitsfoo, die sich mit Bürgerrechten befasst (und dem daraus resultierenden Datenschutz) hat kürzlich dokumentiert, wie eine durch mehrere Instanzen geführte gerichtliche Auseinandersetzung letztendlich zu einer direkten Beurteilung der Kameraüberwachung in Hannover führte. So hat das Oberverwaltungsgericht Lüneburg der Klage gegen etliche Kameras im öffentlichen Raum zumindest teilweise Recht gegeben, indem es besonders auf die mangelnde Kennzeichnung der Kameras hinwies.
Unter der Überschrift "Polizeiliche Videobeobachtung öffentlich zugänglicher Orte in Hannover aktuell insbesondere wegen ungenügender Kenntlichmachung rechtswidrig" lässt das OVG in seiner Pressemitteilung keinen Zweifel daran, was es rügt und welche Folgen daraus zu ziehen sind.
"Rechtswidrig" taucht schon in der Überschrift als zentraler Begriff auf, das ist wichtig, sagt der Begriff doch aus, dass hier Abhilfe geschaffen muss, da die bisherige Praxis gegen geltendes Recht verstößt. Damit ist kein Ermessensspielraum gegeben oder ein unbestimmter Rechtsbegriff, der mit Inhalten gefüllt werden muss, sondern es ist ein eindeutiges Urteil gefällt worden. Das OVG schreibt:
So entspreche die von der Polizeidirektion vorgenommene Kenntlichmachung nicht den Anforderungen des § 32 Abs. 3 Satz 2 NPOG. Die von der Polizeidirektion auf vorhandenen Pfosten angebrachten Aufkleber seien aufgrund der Krümmung der Pfosten und der Vielzahl der auf diesen Pfosten regelmäßig angebrachten anderen Aufkleber/Zettel für den durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer - anders als die früher von der Polizeidirektion teilweise zur Kennzeichnung genutzten Hinweisschilder - nicht ausreichend wahrnehmbar.
Oberverwaltungsgericht Lüneburg
Die Polizei hat es sich bei der Beschilderung praktisch gemacht und auf Laternenpfosten beispielsweise einen Aufkleber angebracht, der nicht nur erst aus der Nähe gesehen werden kann, sondern auch oft durch andere Poster oder dergleichen überklebt wird. Von einer deutlichen Kennzeichnung kann man nicht sprechen.
Freiheitsfoo hat daher die Polizei aufgefordert, auch die 26 Kameras, die zwar im Verfahren nicht weiter angesprochen wurden, jedoch auch unzureichend gekennzeichnet sind, deutlich mit Hinweisschildern zu versehen.
Bedauerliche Einzelfälle
Die Antwort des Oberjustiziars der Polizeidirektion Hannover erging kurz vor Ende der Fristsetzung und wies darauf hin, dass es sich bei der noch nicht erneuerten Kennzeichnung lediglich um Einzelfälle handele.
Ich kann Ihnen mitteilen, dass die Kennzeichnung der genannten 26 Kameras gegenwärtig gemäß den aktuellen Entwicklungstendenzen der neuesten Rechtsprechung aktualisiert wird (Beschilderung). Soweit die Kennzeichnung also gegenwärtig im Einzelfall eventuell noch nicht der aktuellen Rechtslage entsprechen sollte, wird diesem Umstand in Kürze abgeholfen sein.
Oberverwaltungsgericht Lüneburg
Freiheitsfoo machte sich die Mühe, die 26 Kameras einzeln zu überprüfen und fand heraus, dass die Menge der "bedauerlichen Einzelfälle" 26 Kameras betrug. Einfach gesagt: Keine der 26 Kameras war bisher mit einer neuen Kennzeichnung versehen worden.
Hier von einem Versehen der Polizeidirektion zu sprechen, wäre naiv. Entweder der Oberjustiziar ist selbst nicht über den aktuellen Stand auf dem Laufenden, er wurde absichtlich fehlinformiert oder aber hat wissentlich eine Falschaussage gegenüber dem Anfragenden getätigt. Alle drei Optionen sind nicht dafür geeignet, das Vertrauen in die Polizeidirektion Hannover zu erhöhen oder nur auf einem stabilen Level zu halten. Ein Bürger, der eine Anfrage stellt, muss, so er die Polizei um eine Info bittet, bzw. etwas anfragt, sich darauf verlassen können, dass ihm eine wahrheitsgemäße Information gegeben wird.
Muss er annehmen, dass er belogen wird, so ist eine Anfrage schlichtweg irreführend bis sinnlos. Für diejenigen, die sich seit längerem mit polizeilichen Praktiken beschäftigen, bestätigt der Vorfall erneut, dass Polizisten es mit der Wahrheit nicht genau nehmen und jenseits der rechtlichen Zone agieren, wie auch das Mauern gegenüber Bürgern offenbar kein Einzelfall sein muss, sondern sich sogar ein Muster zeigen könnte.
Respekt gegenüber der Polizei wird auf diese Weise nicht gefördert. Bedenkt man, dass in manchen Ländern der Respekt gegenüber der Polizei bzw. anderen Autoritäten hinsichtlich der Bürgernähe etc. so stark geschmälert wurde, dass man sich lieber an Clans wendet, um Hilfe zu erhalten, so müsste ein solches Verhalten auch für die Polizei selbst ein Alarmsignal geben. Es steht jedoch zu befürchten, dass dem nicht so ist. Das Aussortieren der "faulen Äpfel" hat seit Jahren bei der Polizei nicht gerade Priorität genossen.