Mit Symbolpolitik in einen neuen kalten Krieg?

Auf der Nato-Konferenz in Oslo wird der Ton zwischen Russland und der USA rauer

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Russlands Regierung versteht etwas von Symbolpolitik. Bei der Nato-Sicherheitskonferenz bestimmte das Land die Agenda, nach dem russische Politiker mit harschen Worten die US-Raketenabwehrpläne verurteilten. Jetzt setzte Russland auf einem Nato-Außenministertreffen in Oslo abermals Akzente. Im Vorfeld hatte Putin in seiner in seiner Rede zur Lage der Nation angekündigt, den KSE-Vertrag aufzukündigen. Dabei handelt sich Vertrag über die Begrenzung der konventionellen Streitkräfte in Europa.

Der russische Präsident Putin kündigte auf seiner Rede zur Lage der Nation den Ausstieg aus dem KSE-Vertrag an. Foto: Kreml

Der russische Staatschef begründete seinen Schritt mit angeblichen Vertragsverletzungen der Gegenseite. Einige Partner hätten den Vertrag noch immer nicht ratifiziert. Dabei spielt Putin auf die Weigerung einiger osteuropäischer Staaten an, den Vertrag vor einem Rückzug russischer Truppen aus Georgien und Transnistrien zu unterzeichnen.

Nicht unerwartet

Dieser Schritt kommt nicht überraschend und wurde in den letzten Wochen immer wieder als wahrscheinliches Szenario diskutiert. Er reiht sich ein in die Putinsche Symbolpolitik der letzten Monate, mit der Russland Stärke demonstrieren und vor allem den USA signalisieren will, dass das Land die Schwächephase der Jelzinära hinter sich gelassen hat und als außenpolitischer Akteur auf Augenhöhe mit den USA ernst genommen werden will. Deswegen ist die demonstrative Gelassenheit, die Sprecher der Bundesregierung nach außen an den Tag legten, eigentlich berechtigt.

Doch die Rede kurz vor der Nato-Konferenz und der folgende Schlagabtausch zwischen der US-Außenministerin Rice und ihrem russischen Kollegen Lawrov brachte Töne in die Debatte, die selbst die eher nüchterne FAZ vor die Frage stellte, ob ein neuer kalter Krieg droht.

Die Befürchtung ist so unbegründet nicht. Denn hinter den offen ausgetragenen Differenzen verbergen sich weitere reale Interessengegensätze. Die haben am wenigsten mit den Raketenschild zu tun. Wenn die US-Seite darauf verweist, man habe Russland bei den Raketenabwehrplänen Kooperation angeboten, und jetzt erstaunt tut, dass Moskau diese nicht annimmt, so ist auch das Teil der Symbolpolitik. Denn eine solche Kooperation würde vielleicht unter der Bedingung funktionieren, dass es ein reales gemeinsames Interesse gäbe, z.B. die von Washington als Begründung für den Raketenschild in die Diskussion gebrachten iranischen Raketen.

Doch die Diskussion über die angebliche Bedrohung durch iranische Raketen und die Standorte des gegen sie gerichteten Abwehrschilds ist auch nur ein Teil des Machtspiels zwischen Washington und Moskau. Dahinter stehen handfeste geopolitische Interessengegensätze. Schon längst wird in den USA vor einen wieder verstärkten Einfluss Russlands auf die Weltpolitik gewarnt. Ein besonderes Horrorszenario ist in Washington ein Bündnis zwischen Russland, China und anderen bodenstoffreichen Ländern in der sogenannten 3.Welt. Deswegen will Washington das Bündnis mit den antirussischen Kräften in Osteuropa nicht aufgeben und wird auch weiter Bewegungen unterstützen, die sich von Moskau absetzen wollen.

Georgien war aus der US-Sicht ein erfolgreiches Beispiel, in der Ukraine ist noch nicht entschieden, welche Kräfte sich durchsetzen werden. In Russland schürt diese Politik Einkreisungsängste. Schließlich will die Nato in Gebiete vorrücken, die bis 1989 zur Sowjetunion gehört haben. Deswegen bergen der Streit um den Abzug der russischen Truppen aus Georgien und Transnistrien oder die Entwicklung in der Ukraine viel mehr realen Konfliktstoff als die Raketenabwehrpläne. Wie schnell neue Konflikte ausbrechen können, zeigt sich gerade in Estland. Nach dem Abbau eines sowjetischen Kriegerdenkmals gab es in der estnischen Hauptstadt Tallinn, die nun überhaupt nicht als Krisenherd gilt, stundenlange Straßenschlachten. Sofort schaltete sich das russische Außenministerium ein und agierte als Sprecher der russischen Minderheit im Land.

Weitere konfliktträchtige Themen sind der Streit zwischen Polen und Russland um die Fleischausfuhr und der Status des Kosovo. Dort kann Russland als Mitglied des UN-Sicherheitsrat seine Machtposition ausspielen und eine Lösung des Konflikts auf den Rücken Serbiens torpedieren. Alle diese regionalen Konflikte hängen dann irgendwie zusammen, wie der SPD-Bundestagsabgeordnete Markus Meckel in einem Interview bedauerte. Sie können den Stoff für einen neuen kalten Krieg zwischen Russland, den USA und ihren osteuropäischen Verbündeten bieten.

Berlin nicht unberührt

Davon bliebe weder die Nato noch die Bundesregierung unberührt. Es ist ja gerade nicht ein Konflikt zwischen Russland und dem Westen, wie es noch vor 1989 oft dargestellt werden konnte. Wenn die Auseinandersetzungen eskalieren, würde ein Teil der europäischen Staaten eher die Partei Russlands ergreifen, während vor allem ein Teil der osteuropäischen Staaten auf Seiten der USA stünden. Insofern hat Putin mit seiner Ankündigung vor dem Treffen der Nato-Außenminister auch die Konfliktfähigkeit des Bündnisses auf die Probe gestellt.

Die Differenzen würden nicht zuletzt auch in Berlin ausgetragen. Schon in der Vergangenheit haben SPD-Politiker mehr Verständnis für Putin gezeigt und die Unionskollegen die USA verteidigt. Dieses Rollenspiel setzt sich jetzt fort. Staatsminister Gernot Erler hat ein gewisses Verständnis für Putin gezeigt. Wenn sich der Konflikt verschärft, hat die Bundesregierung ein Problem, das sicherlich auch die nächsten Wahlen nicht unbeeinflusst lässt. Die SPD hat mit demonstrativer Distanz zu den USA bisher immer gepunktet.