Mit den Klischeewaffen einer Frau

Hillary Clinton erkämpft sich den Sieg in New Hampshire mit Tränen

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Wahlkämpfe haben viel von Soaps und Castingshows. Zum Beispiel, dass es im Ernstfall weniger um Sachfragen geht, als um dramaturgische Elemente.

Das bewies sich erst gestern wieder, als das wählende Fernsehpublikum von New Hampshire Hillary Clinton aus einem uneinholbar geglaubten Rückstand heraus den Sieg bescherte.

Kurz zuvor hatte Clinton öffentlich Tränen gezeigt: Nicht fließend, aber in glänzenden Augen und mit gebrochener Stimme. Das hätte auch nach hinten losgehen können, wenn sich der Wähler peinlich berührt abgewendet hätte. Doch der Castingshow-Effekt überwog und Hillary ist mit 39 % – wenn man so will "eine Runde weiter." Obama bekam dagegen lediglich 37 %. "Rausgewählt" wurde mit nur 17 % John Edwards, der demokratische Kandidat, der sich von den drei chancenreichsten am ehesten auf politische Inhalte konzentriert hatte. Und auf seine Frisur natürlich.

Zuerst hatte Clintons versucht, das Ruder mit Hinweisen darauf herumzureißen, dass es bei Obama einen bemerkenswerten Gegensatz zwischen Rhetorik und Handeln gibt. So sprach er sich unter anderem gegen den Patriot Act und gegen die Aufstockung der Mittel für den Irak aus, stimmte aber im Senat in beiden Fällen dafür. Das Thema wurde von den amerikanischen Medien jedoch kaum angenommen – ganz im Gegensatz zu den Tränen, die sie anschließend einsetzte.

Bei den Republikanern gewann erwartungsgemäß aber mit deutlichem Vorsprung John McCain, der im Sommer von den amerikanischen Medien aufgrund seiner uneingeschränkten Befürwortung eines Siegfriedens im Irak bereits totgesagte Kandidat. Er profitiert offenbar von den guten Statistiken aus dem besetzten Land – die sich schnell wieder ändern könnten. Allerdings ist der ehemals kriegsgefangene Vietnamveteran auch der Kandidat, der sich bei den Republikanern am klarsten gegen Folter aussprach und der angekündigt hat, die Lobbykratie ein wenig aufzubrechen. Ein Vorhaben, das seiner Wahlkampfkasse erwartungsgemäß nicht besonders gut tat.

McCain hatte die Vorwahlen in New Hampshire schon einmal gewonnen – ohne danach republikanischer Kandidat zu werden. Die Rolle, die George W. Bush damals für McCains Niederlage spielte, könnten 2008 Mitt Romney (mehr Geld) oder Mike Huckabee (mehr Religion) einnehmen. In New Hampshire erreichte Romney 32 %, Huckabee nur 11 und Giuliani 9. Der ehemalige New Yorker Bürgermeister wirkt zwar nach dem dritten einstelligen Ergebnis in Folge abgeschlagen, fährt aber eine ungewöhnliche Strategie, die sich vor allem auf bevölkerungsreiche Bundesstaaten wie Florida konzentriert.

Bei der Anzahl der Wahlmänner inklusive ihrer "Superdelegierten" führt bei den Demokraten Clinton mit 183 (+9), gefolgt von Obama mit 78 (+9) und Edwards mit 52 (+4). Bei den Republikanern liegt Romney mit 30 Wahlmännern vorne (+4), ihm auf den Fersen sind Huckabee mit 21 (+1) und McCain mit 10 (+7).

Nun zieht der Zirkus nach Michigan und Nevada weiter, wo am 15. und am 19. Januar entschieden wird. Da ein großer Teil der Wähler in Nevada mexikanischer Abstammung ist, werden den eher weniger einwanderungskritischen Kandidaten wie McCain und Huckabee dort potentiell bessere Chancen vorhergesagt. Der Großteil des Werbeaufwands konzentriert sich aber schon jetzt auf Südcarolina, einem Bundesstaat mit einem hohen Anteil an schwarzen Wählern, in dem die Republikaner am 19. und die Demokraten am 26. Januar abstimmen.