Mobil mitfiebern?

Mobilfunk-Betreiber zeigen Live-Spiele und Fußball-Shows per UMTS-TV und alle Tore per Foto-MMS. Doch großen Umsatzhoffnungen stehen bislang wenig interessierte Nutzer entgegen

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Wer jetzt keinen Schweiß auf der Stirn hat, der macht etwas falsch. In den Zentralen der Mobilnetzbetreiber ist hektische Betriebsamkeit ausgebrochen. Jetzt, so kurz vor der Weltmeisterschaft muss noch etliches erledigt werden. Denn die Carrier wollen es zur WM mal wieder wissen, ob man seinen Kunden nicht mehr als Telefongebühren und SMS verkaufen kann.

Tore per MMS-Botschaft, als UMTS-TV-Clip sowie als komplette Live-Übertragung über die neuen Standards DMB oder DVB-H. Dazu Fußball-Spiele auf dem Handy-Screen von „Trivial Pursuit Football“ bis zur Mini-Wirtschaftssimulation „Sportschau Football“. Oder eine kostenlose Kolumne des universalen Werbeträgers „Die fantastischen Vier“ mit Smudo als jungem Netzer. Auch an die technologischen Nachzügler wurde gedacht: Jedes Tor, jede Rote Karte, Halbzeitspielstände und Endergebnisse werden per kostenpflichtiger SMS vermeldet. Wer noch per WAP mobil unterwegs ist, kann den Live-Ticker bei O2 buchen, der bietet immerhin „Near-Live-Picture“, eine Art Echtzeit-Dia-Show.

Eineinhalb Wochen vor dem ersten offiziellen Anstoß ist die Handy-WM schon in vollem Gange: Mal wieder – und zwar immer dann, wenn große Fußball-Ereignisse anstehen – versuchen die vier großen Mobilnetzbetreiber ein Stückchen mehr von ihrer Gebührenabhängigkeit loszukommen. Denn der Markt ist gesättigt, die Telefonminuten zeitweise leicht rückläufig und der Preis unter großem Druck und im Verfall begriffen. Und Fußball – so scheint’s – ist der Content, der richtige Märkte macht. Der einzige – im übrigen.

Das Nonplusultra, der Hype, der fürs kommende Weihnachtsgeschäft schon heute grundsteingelegt wird, ist richtiges Fernsehen auf dem Handy. Doch dafür eignen sich – das hat man in den letzten Monaten erkannt – auf Dauer weder UMTS, noch die üblichen TV-Bilder. Ersteres bietet zu wenig Bandbreite: Wenn viele Nutzer gleichzeitig gucken, wird die Übertragung in einer Funkzelle immer langsamer und zäher. Und: Das normale TV-Bild lösen die kleinen Handy-Screens zu wenig auf. Bisweilen ist der Ball nur bei Nahaufnahmen zu sehen. Doch das Runde muss ins Eckige, vulgo auf den Bildschirm.

Dafür starteten T-Mobile, Vodafone, E-plus und O2 am 29. Mai ein Pilotprojekt mit dem TV-Standard DVB-H. Rund 1.000 neue Handys ließen die vier großen Mobilnetzbetreiber in den Großstädten Berlin, Hamburg, Hamburg und München verteilen. Die Geräte sind DVB-H-fähig (Digital Video Broadcasting - Handhelds) und sollen im Rahmen eines Pilotprojekts herausfinden helfen, wie marktfähig Handy-TV ist. Buchen können die 1.000 Tester unter anderem ein „T-Mobile Fifa WM-Paket“, bei dem alle wichtigen Spiele nach der Vorrunde sowie alle Spiele der deutschen Mannschaft übertragen werden. „Wir haben uns für DVB-H entschieden, weil damit eine größere Vielfalt möglich ist“, erklärt O2-Pressesprecher Roland Kuntze. „Wir wollen einen Massenmarkt und keine Nutzung für eine kleine Elite“, sagt Frank Rosenberger, Marketing-Geschäftsführer von Vodafone.

Währendessen wird der Wettbewerber MFD - Mobiles Fernsehen Deutschland, der den konkurrierenden Standard DMB (Digital Multimedia Broadcasting) unterstützt, heute mit dem Regelbetrieb starten. Die Handys dafür gibt es nur bei MFD-Partner Debitel, der mit seiner Beteiligung an MFD den Netzbetreibern ein wenig Konkurrenz macht. Bislang produziert nur Samsung die entsprechenden Geräte. Außerdem gibt es nur vier Sender, die empfangen werden können: Das sind N24, das ZDF, ein Kanal mit Comedy und Unterhaltung aus der ProSieben-Sat.1-Sendergrupppe sowie ein Kanal mit Cartoons und Musikclips von MTV. 9,95 soll das Abonnement im Monat kosten. Wie viele Nutzer es bis Ende des Jahres geben soll, wird nicht bekannt gegeben.

Vier Euro fünfundneunzig kostet das Deutschland Paket von O2 mit täglich einer Zusammenfassung und einer Vorschau als MMS und „Near-Live-Picture“. Neun Euro fünfundneunzig kostet dass Turnier-Paket, das auch noch die Highlights der Spiele sendet. Letzteres ein Schwellenpreis, praktisch das Maximum im einstelligen Euro Bereich. Etwa 15 Millionen Euro setzt O2 jeden Monat mit Datendiensten wie MMS, Content-Angeboten und E-Mail um. Etwa ein Viertel der 10 Millionen Kunden nutzen diese Dienste. Einzelne Angebote werden allerdings nicht ausgewiesen. Wohl aus gutem Grund.

Per UMTS können Fans dagegen bereits heute mehr als 20 Sender empfangen. „Wir sind zufrieden damit“, beharrt Betina Donges, Pressesprecherin bei Vodafone. Etwa 1,3 Millionen Vodafone-Kunden nutzen UMTS. Bei knapp 30 Millionen Kunden in der Bundesrepublik entspricht das weniger als fünf Prozent der Nutzer. Etwa 8 Millionen geschaute TV-Minuten setzt Vodafone pro Monat ab. Das entspricht 6,1 Minuten im Monat pro UMTS-Kunde. Pro Tag schaut der durchschnittliche UMTS-Kunde gerade einmal 20 Sekunden TV. Und das, obwohl es ihn zusätzlich nichts kostet. Über die Akzeptanz wird man sich also noch Gedanken machen müssen.