Mobilmachung für den Cyberwar
Mit völlig übertriebenen Bedrohungsszenarien soll eine Gefahr suggeriert werden. Vergessen scheint, dass Hacking und Leaking auch Mittel der Subversion gegen die Macht sein können - Ein Kommentar
"Hackerangriff mit Opfern in Berlin", Dieser Angriff gilt der ganzen Gesellschaft oder "Ein schwerer Anschlag auf die Demokratie". Solche Überschriften in den aktuellen Medien lassen nicht zufällig an einen Terrorangriff mit Toten und Verletzten denken. Es wird mobil gemacht für die Verschärfung im Cyberkrieg.
So rückt auch mal wieder ins Bewusstsein, dass mit dem Kampf im Cyberwar schon seit Jahren eine massive Aufrüstung von der Politik vorbereitet wird. Da kommen die aktuellen Meldungen über Datenlecks bei Politikern und Künstlern gerade recht, um das deutsche Publikum einzustimmen auf noch mehr Härte im Cyperwar. Da wird dann eher kleinlaut eingeräumt, dass es wohl gar nicht um Hackerangriffe, sondern eher um schlampigen Umgang mit der Datensicherheit gehandelt hat. Zudem waren die Leaks den Behörden schon länger bekannt, nur den meisten Betroffenen nicht. Egal, die martialischen Töne über Angriffe auf die Demokratie und die Gesellschaft oder "Angriff auf das Herz der Verfassung" (berliner Kurier) sollen die Bevölkerung zusammenschweißen, was auch für den Cyberwar wie für alle Kriege nötig ist.
Weltweite Kampagne für Freilassung von Assange nötig
Fast alle politischen Parteien und NGO wollen sich in der Verteidigungsbereitschaft gegen die angeblichen Cyberangriffe nicht übertreffen lassen. Sie sollen natürlich nur aus dem Ausland kommen, natürlich gehört Russland zu den ersten Verdächtigten. Womöglich sollen sie mit rechtsaffinen Kreisen kooperiert haben.
Tatsächlich fällt auf, dass keine AfD-Politiker unter den Geleakten sind und einige der betroffenen Künstler durch Engagement gegen Rechts bekannt wurden. Doch soll deswegen Leaking und Hacking jetzt auch den Rechten überlassen werden? Scheint schon ganz vergessen, dass es einmal Mittel der Subversion gegen die Mächtigen waren? Noch bei der Gründung von WikiLeaks spielte das eine wichtige Rolle.
Deswegen sitzt sein Begründer Assange noch immer in der Botschaft von Ecuador in London, obwohl die Forderung nach Auslieferung nach Schweden zum Verhör wegen der Vorwürfe wegen sexueller Belästigung von Frauen von der schwedischen Justiz nicht mehr aufrecht erhalten wird. Solange dieses Verfahren dauerte, war es richtig, von Assange zu fordern, dass er sich den Vorwürfen der Frauen stellt und dass seine Unterstützer die Angriffe auf die Frauen unterlassen sollten. Jetzt aber sollte eine weltweite Bewegung die Freilassung von Assange und seine Ausreise in ein Land seiner Wahl fordern. Über seine oft kruden politischen Ansichten kann man sich auch danach streiten oder auch, wenn er denn in Freiheit ist, jeden weiteren Kontakt zu Assange beenden. Es ist aber absurd, zur Repression gegen ihn wegen eines Projekts zu schweigen, das einmal von vielen begrüßt und gefeiert wurde. Damals wurde großzügig darüber hinweggesehen, dass Assange kein Linker war und das übrigens auch nie behauptet hatte.
Hacking und Leaking sind auch heute kein Verbrechen
Das Hochjubeln von Assange vor zehn Jahren und das Schweigen zu seiner jetzigen Situation sind auch ein Zeichen, wie aus großen Teilen derer, die Hacking und Leaking entweder offen verteidigten oder zumindest die Parole "Hacking und Leaking sind kein Verbrechen" unterschrieben haben, heute die Bundesregierung im Cyberwar unterstützen.
Der digitalpolitische Sprecher der SPD, Jens Zimmermann, hat im Deutschlandfunkinterview schon die Richtung vorgegeben. Angriffe auf die Privatsphäre von Mitgliedern von Verfassungsorganen sollen schärfer sanktioniert werden. Dagegen sollte eine kritische Öffentlichkeit die Teilnahme am Cyberkrieg wie an allen staatlichen Mobilmachungen konsequent verweigern. Sie sollte an der Parole "Hacking und Leaking sind kein Verbrechen" festhalten.
Nicht die Privatsphäre von Verfassungsorganen und ihren Mitgliedern, sondern etwa von Hartz IV-Empfängern sollte ihr primäres Anliegen sein. Die müssen alle ihre Daten bei den Behörden abgeben und für sie gilt auch kein Bankgeheimnis. Wenn Politiker und Promis soviel Transparenz zu zeigen bereit sind, wie es Einkommensarme bei den Behörden unfreiwillig müssen, kann auch über deren Datenschutz geredet werden. Die nun öffentlichen Daten könnten ja auch von Journalisten darauf überprüft werden, was davon von öffentlichem Belang sein könnte. Die Medienforscherin Jessica Heesen erklärt in der Taz:
Es ist aus meiner und vor allem aus medienethischer Perspektive insgesamt durchaus gerechtfertigt, dass Sie sich solche Inhalte anschauen. Wie Sie damit umgehen, ist noch mal eine ganz anderes Thema … Es ist ambivalent: Einerseits sind Persönlichkeitsrechte zu schützen, klar - das ist ja ein oberstes Prinzip. Andererseits kann es ein berechtigtes allgemeines, öffentliches Interesse geben. Die Abwägung liegt dann beim Journalisten selber.
Jessica Heesen
Dass die Bundesregierung nun Hilfe bei der NSA sucht, der ja vor einigen Jahren Namensgeber einer Leakingaffäre war und deutsche Politiker aller Couleur zur Verteidigern deutscher Souveränität gegen die USA veranlasste, ist ein Treppenwitz der Geschichte. So könnte der NSA als vorläufiger Kriegsgewinner im Cyberwar erscheinen.
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