Moderne Sklavenhaltung an deutschen Universitäten: Der unbezahlte Kampf der Privatdozenten
Die unsichtbaren Opfer des Hochschulsystems: Was das Lieferkettengesetz nicht mit Bildung zu tun hat. Kommentar über einen Zustand, der für Kontroversen sorgt.
Das neue Lieferkettengesetz für Betriebe mit mehr als 1.000 Angestellten ist wie eine Satire für Privatdozenten an allen deutschen Universitäten mit mehr als 1.000 Mitarbeitern. Denn von Privatdozenten wird erwartet, dass sie kostenlos arbeiten. Das ist nicht ganz direkt vergleichbar mit Sklavenarbeit, aber schön ist es nicht.
Der Weg zum Privatdozenten
Ein Privatdozent ist jemand, der promoviert und habilitiert ist. Das sind zwei Qualifikationsphasen von durchschnittlich erst 4 - 5 und dann noch mal 6 - 8 Jahren. Dafür darf der Privatdozent danach auf seine Visitenkarte ein "PD Dr. habil." vor seinen Namen drucken lassen.
Er hat damit formal die höchstmögliche Messlatte an Bildung übersprungen und darf darum fortan Professor genannt werden, sich aber selbst nicht als solcher bezeichnen. Rein theoretisch arbeiten Privatdozenten dann ein wenig an der Uni eine Zeit lang so vor sich hin und bekommen irgendwann eine Professur.
Die Herausforderungen der Privatdozenten
Damit sind sie raus aus der Privatdozentensache. Sollte sich das Verfahren hinziehen, lockt sechs Jahre später der Titel eines außerplanmäßigen Professors. Den verleiht die Uni nach eingehender Prüfung der vorangegangenen Leistungen und Veröffentlichungen.
Das sieht auf der Visitenkarte noch schicker aus. Aber Fahrt- oder Unterbindungskosten bekommen Privatdozenten nicht dafür, dass sie pro Semester oder Jahr je nach Bundesland eine ein- oder zweistündige Veranstaltung halten.
Der Fall Fröhlich
Vor einigen Jahren gab es in Regensburg einen Fall, in dem ein Privatdozenten-Philosoph namens Günter Fröhlich am Bayrischen Verfassungsgerichtshof deswegen geklagt hat. Er kellnerte zu diesem Zeitpunkt in einem Café, um als Privatdozent arbeiten zu können.
Seine Klage wurde abgelehnt, mit der Begründung, es sei eine Ehre, als Privatdozent arbeiten zu dürfen. In diese Art von Ehre investieren Geisteswissenschaftler mehr als Naturwissenschaftler. Darum kann sich niemand in der Industrie vorstellen, dass es Menschen gibt, die allen Ernstes freiwillig unentgeltlich arbeiten.
Aber professoral-willige Privatdozenten haben keine Chance, diesem Initiationsritual zu entkommen. Wer sich weigert, mitzumachen, verliert den PD-Status und ist akademisch raus aus dem Betrieb. Herr PD. Dr. habil. Fröhlich wurde zwar später außerplanmäßiger Professor, fröhlich stimmt das seine Steuerberater aber sicherlich nicht.
Die Rolle der Privatdozenten im Universitätssystem
Manche meinen, dass unser Universitätssystem ohne Privatdozenten zusammenbrechen würde. Einem nachhaltigen Lieferkettengesetz und der Missachtung ausnutzerischer Praktiken liegt dieses Mitarbeiterbindungskonzept fern.
Geliefert wird nur so: Man muss sich darauf einlassen, weil das akademische Angebot an Dozenten größer ist als die Nachfrage und die Geldmenge für Stellen kleiner als der Bedarf an Bildung. Diese Lieferkette führt dadurch oft ins Abseits.
Die Idee "Privatdozent" stammt aus dem Preußen des 19. Jahrhunderts, wo im Zuge der Radikalenverfolgung solche "Puffer" vor die Professorenstellen implantiert wurden. Denn es gab viele Linkshegelianer, die den Staat verändern wollten und Hegel glaubten, dass das Wirkliche das Vernünftige sei und das Vernünftige das Wirkliche.
Die Zukunft der Privatdozenten
Diejenigen, die das Vernünftige erst mal verwirklichen wollten, waren weniger mit philosophischen Argumenten zu zähmen, als vielmehr mit beruflichen. Denn Privatdozenten auf der Suche nach einer Stelle durften nicht aufmucken bzw. konnten viel reden, aber es hörte keiner zu.
In Frankreich darf sich heutzutage übrigens nur habilitieren, wer schon eine Stelle hat. In den USA gibt es diese Verwicklungsmöglichkeiten gar nicht erst. Vielleicht ist das Ganze aber auch nur ein einziges großes Missverständnis und PD bedeutet in Wirklichkeit irgendetwas ganz anderes als Privatdozent. Vielleicht irgendetwas mit Piraterie oder Draufgänger.
Das sollen am besten die Privatdozenten selbst klären in ihren Veranstaltungen zu Themen wie moderne Sklavenhaltung, Nachhaltigkeit und Lieferkettengesetze.