Monsanto hält Einzug in Europa
Erstmals hat die EU-Kommission gentechnisch manipuliertes Saatgut in den EU-Sortenkatalog aufgenommen und lässt damit den Anbau von 17 Genmais-Sorten zu
Die EU-Kommission hat am Mittwoch die Aufnahme von 17 gentechnisch veränderten Maissorten der Linie MON 810 in den EU-Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten beschlossen. Damit wurde zum ersten Mal gentechnisch manipuliertes Saatgut in den gemeinsamen Katalog aufgenommen.
Der schädlingsresistente Monsanto-Mais ist bereits seit 1998 – also vor dem Gentech-Moratorium – grundsätzlich zugelassen. Nationale Genehmigungen für den Anbau von sechs Sorten in Frankreich und elf in Spanien gab es ebenso. Neu ist aber, dass die Gentech-Sorte jetzt zum Anbau für alle 25 EU-Mitgliedsländer zugelassen wird.
"Erlaubte gentechnische Kontamination von Lebensmitteln"
Für EU-Konsumentenschutzkommissar David Byrne ist die Zulassung nur ein "logischer Schritt". Kritiker weisen aber darauf hin, dass es keine EU-weit einheitlichen Regelungen für den Parallel-Anbau von konventionellen und gentechnisch veränderten Sorten gibt. Das wurde ausdrücklich den Mitgliedsländern überlassen.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland sieht in der Entscheidung der EU-Kommission "eine ernste Bedrohung" der Landwirtschaft in Europa. Mit den vorgeschlagenen Regelungen würde eine "gentechnische Kontamination von Lebensmitteln bereits zu Beginn ihrer Produktion erlaubt", heißt es in einer Aussendung. Alle Bemühungen von Landwirten, auch in Zukunft gentechnikfrei zu produzieren, würden damit unterlaufen.
Sollten Bauern "Mon 810" anbauen, wäre der gentechnischen Verunreinigung Tür und Tor geöffnet, warnt der BUND. Gentechnikfrei produzierende konventionelle oder biologisch produzierende Betriebe müssten mit Gentech-Einträgen in ihre Felder rechnen und kostspielige Maßnahmen zum getrennten Erfassen der Ernten, für Transport und Lagerung treffen.
Die einzelnen Staaten können zwar grundsätzlich Verbote erlassen, da aber Mon 810 aber im sogenannten Erprobungsanbau derzeit bereits in sieben Bundesländern angebaut wird, ist ein Verbot für Deutschland unwahrscheinlich.
Doch nicht nur von Umweltschützern kommt Kritik. Auch Österreichs Umweltminister Josef Pröll fand scharfe Worte.
Die Kommission öffnet damit das Tor für einen europaweitern Anbau einer gentechnisch veränderten Sorte, noch ehe sie sich überhaupt über strenge Grenzwerte und damit einen wirksamen Schutz für gentech-freie Produktion verständigt hat. Ich halte das für eine unnotwendig überhastete Vorgangsweise, die wohl kaum im Interesse der europäischen Konsumenten und Landwirte sein kann.
In Österreich ist das Inverkehrbringen von Mon 810 verboten, was aber die EU-Kommission wiederum nicht akzeptiert. Pröll spielte in seiner Reaktion auf den Kommissions-Entscheid auch auf eine zweite heikle Frage an, die ebenfalls für vergangenen Mittwoch diskutiert werden sollte, eine Entscheidung dann aber wieder verschoben worden war. So will die Kommission demnächst die Grenzwerte für Gentech im Saatgut regeln.
Sogenannte "zufällige und technisch unvermeidbare" gentechnische Verunreinigungen von Saatgut sollen künftig toleriert werden, ohne dass diese gekennzeichnet werden müssen. Ein Kommissionsentwurf sieht vor, für Raps und Mais eine Kontamination von 0,3 Prozent zuzulassen. Auch 0,5 Prozent sind im Gespräch.
Aggressive Patent-Durchsetzungspolitik
Umweltschützer sehen darin den Abschied von gentech-freier Landwirtschaft in Europa. Die österreichische Umweltorganisation Global 2000 will den österreichischen Grenzwert von maximal 0,1 Prozent europaweit durchgesetzt wissen. "Ohne diesen Schutzgrenzwert wird es mittelfristig keine gentechnikfreie Landwirtschaft geben können", warnt ein Sprecher der Organisation.
Dass gerade Monsanto jetzt die ersten europaweit zugelassenen Gentech-Sorten für den Anbau stellt, halten im übrigen viele Kritiker für eine Art schlechten Scherz. Monsanto ist weltweit für seine aggressive Patent-Durchsetzungspolitik bekann. Der wohl bekannteste Fall ist jener des kanadischen Farmers Percy Schmeiser, der vom Konzern wegen angeblichem "Saatgutklau" vor den Kadi gezerrt wurde. Schmeiser selbst hatte immer darauf beharrt, dass seine Felder durch Pollenflug mit Monsanto-Raps verunreinigt worden waren. Der Rechtsstreit dauerte Jahre, bis in letzter Instanz schließlich knapp gegen Schmeiser entschieden wurde. Allerdings brauchte Schmeiser nach dem Urteil weder Gerichtskosten noch die geforderten Schadensersatz-Zahlungen an den Konzern leisten.
Wenn künftig Mon 810 europaweit angebaut werden kann, es aber keine EU-weit verbindlichen, strengen Verursacher- und Haftungsregeln gibt, könnten solche Prozesse bald auch den europäischen Bauern ins Haus stehen.
Die jüngste EU-Entscheidung wird einmal mehr den Eindruck verfestigen, dass in Brüssel der Kniefall vor den großen Wirtschaftslobbys bereits zum Prinzip geworden ist. Vielleicht sollte sich die EU-Kommission Worte des früheren britische Umweltminister Michael Meacher einmal zu Mahnung nehmen. Meacher in einem Interview:
Die Menschen misstrauen den Wissenschaftlern, aber noch mehr den Politikern. Außerdem hassen sie Monsanto und George W. Bush und haben den Eindruck, dass die Amerikaner dem Rest der Welt den Anbau von genmanipulierten Pflanzen aufoktroyieren wollen.