Monsanto spionierte Kritiker aus
Stakeholder Mapping: Im Vorfeld der EU-Neuzulassung von Glyphosat ließ der US-Konzern in großem Stil Daten über externe Personengruppen sammeln
An der Rheinschiene zwischen Köln und Düsseldorf erfreut der "Japanische Garten" des Leverkusener Chemieriesen BAYER AG Besucher von nah und fern. Angelegt hat die opulente Grünanlage der ehemalige Aufsichtsratschef und Japan-Begeisterte Carl Duisberg (früher I.G. Farben Aktiengesellschaft).
Der heutige Bayer-Chef Werner Baumann, seit 2016 CEO des Unternehmens und verantwortlich für die milliardenschwere Übernahme von Monsanto, dürfte in diesen Tagen kaum Zeit für fernöstliche Andachtsübungen haben: Zu dringlich sitzen ihm die Probleme rund um den Monsanto-Deal und vor allem um das Problemmittel Glyphosat im Nacken.
"Feindliche Kräfte" im Visier
Zuletzt sah Baumann sich genötigt, einen Brief an den Bundestag zu schreiben, um öffentlich Abbitte zu tun. Grund war nicht das umstrittene Herbizid Glyphosat - es war nur mittelbar Stein des Anstoßes. Vielmehr war Mitte Mai offenbar geworden, dass der von Bayer übernommene Saatgut- und Pestizidhersteller Monsanto Listen über Kritiker führte, und das aus sieben Ländern, darunter auch Deutschland.
Wie der Konzern Anfang der Woche bekannt gab, finden sich allein in Deutschland und Frankreich rund 600 Personen auf den von der US-Tochter Monsanto geführten Listen. Diese Personen werden jetzt angeschrieben. Monsanto hatte, wie zunächst in Frankreich aufflog, eine PR-Agentur damit beauftragt, ab 2016 in mehreren Ländern Informationen über die Haltung von Journalisten, Wissenschaftlern und Politikern zu sammeln und diese zu bewerten.
Auf einem Koordinatensystem wurden mit Werten von eins bis fünf Politiker, Journalisten und Wissenschaftler in unterschiedliche Personengruppen eingeteilt: in Verbündete, potenzielle Verbündete, die es zu "rekrutieren" gelte, und feindliche, zu überwachende Kräfte. Außerdem habe die Erfassung private Adressen, Telefonnummern und sogar Hobbys eingeschlossen. Zu den Betroffenen gehört auch die prominente französische Politikerin Ségolène Royal, ehemalige Präsidentschaftskandidatin und zwischen 2014 und 2017 Umweltministerin. Unter den Namen von Journalisten finden sich Medienberichten zufolge auch Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders "France Télévisions".
Glyphosat - und kein Ende
Der Skandal um das "Stakeholder-Mapping" zeigt einmal mehr, in welche Schieflage das Traditionsunternehmen Bayer mit der Monsanto-Übernahme geraten ist. Glyphosat und kein Ende: In den Vereinigten Staaten sind inzwischen rund 13.400 Klagen anhängig; Anfang Juni klagt nun erstmals ein Australier, ein Gärtner aus der Stadt Melbourne. Es geht bei der Klage wie auch in den USA um das mutmaßlich krebserregende Herbizid Roundup, das den umstrittenen Wirkstoff Glyphosat enthält. Zuletzt war Mitte Mai einem krebskranken Ehepaar in den Vereinigten Staaten ein Schadensersatz von mehr als zwei Milliarden US-Dollar zugesprochen worden.
Gleichzeitig prozessiert nun auch die Stadt Los Angeles gegen Bayer-Monsanto, dabei geht es um die umweltschädlichen Folgen der Nutzung von PCB. Die Stadt wirft der US-Tochter des Bayer-Konzerns vor, jahrzehntelang die verheerenden Folgen des toxischen Stoffs auf Natur und Menschen bewusst verschwiegen zu haben und verlangt Schadensersatz. Monsanto war zwischen 1935 und 1977 alleiniger US-Hersteller von PCB. Der Einsatz der Chemikalie wurde aufgrund der schweren Gesundheits- und Umweltrisiken 1979 verboten.
Gift in Kindernahrung
Zu den Negativschlagzeilen trägt auch eine jetzt veröffentlichte Studie der Nichtregierungsorganisation Environmental Working Group (EWG) bei. Es geht dabei um nicht weniger als um Gift in Kindernahrung. In der Studie heißt es:
Große Lebensmittelunternehmen wie General Mills verkaufen weiterhin beliebte Frühstückszerealien für Kinder und andere Lebensmittel, die mit einem beunruhigenden Glyphosatspiegel verunreinigt sind, dem krebserregenden Bestandteil des Herbizids Roundup.
EWG
Bei 17 von 21 Getreide- und Snackprodukten auf Haferbasis weisen die Autoren der Studie detailliert aufgelistet auf kontaminierte Anteile hin und stufen diese als bedenklich ein. EWG-Vizepräsidentin Olga Naidenko zog bei der Vorstellung der Untersuchung den Schluss, dass "auf Hafer basierende Nahrungsmittel aus unseren Supermarktregalen (…) mit großer Wahrscheinlichkeit mit einer Dosis eines krebserregenden Herbizids versetzt" seien.
"Fakten" und "Aufklärung"
Unter dem öffentlichen Druck hat Bayer eine Offensive für mehr Transparenz und Nachhaltigkeit angekündigt. Auf einer eigenen Seite werden "Fakten" versprochen. Außerdem will der Konzern in den kommenden zehn Jahren rund fünf Milliarden Euro in "zusätzliche Methoden zur Unkrautbekämpfung" investieren, so wurde vergangenen Freitag mitgeteilt.
Bedeutet das das Ende für Glyphosat? Wohl kaum. In offiziellen Statements lobt Bayer das Herbizid weiter ungetrübt als "sicheres, effizientes und etabliertes Mittel für Landwirte, um Ernten zu sichern". Für die "komplett unangemessene" Praxis illegaler Listen hat sich der Konzern derweil entschuldigt. "Es ist uns wichtig, die Aufklärung des Sachverhaltes voranzutreiben", so Bayer-Chef Werner Baumann in seinem Brief an den Bundestag. Der neu geschaffene Unternehmensbereich "Public Affairs und Nachhaltigkeit" soll helfen, "Aufklärung" überhaupt voranzutreiben - Teil der Firmenstrategie nach der letzten Hauptversammlung.
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