Münchner Sicherheitskonferenz - Tag 1
"Westlessness": Steckt der Westen in der Krise?
Die Staats- und Regierungschefs der Welt haben sich am Freitag in München zur 56. Sicherheitskonferenz versammelt.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kritisierte in seiner Eröffnungsrede Russland, China und die Vereinigten Staaten und warnte vor einer "zunehmend destruktiven Dynamik in der Weltpolitik". Der Welt drohe ein neues nukleares Wettrüsten: "Mehr Misstrauen, mehr Rüstung, am Ende weniger Sicherheit, das sind die zwangsläufigen Folgen."
Russland habe die militärische Gewalt und die gewaltsame Verschiebung der Grenzen auf dem europäischen Kontinent erneut zum Mittel der Politik gemacht. China akzeptiere das Völkerrecht nur dann, wenn es seinen eigenen Interessen nicht zuwiderläuft, sagte Steinmeier.
"Unser engster Verbündeter, die Vereinigten Staaten lehnen unter der gegenwärtigen Regierung selbst die Idee einer internationalen Gemeinschaft ab", sagte Steinmeier. "Als ob eine Haltung, jeder ist sich selbst der nächste, schon Weltpolitik sein könnte." Trumps "Great Again" gehe auf Kosten der Nachbarn und Partner. Wenn jeder auf Kosten der anderen seine eigene Sicherheit sucht, fielen wir in eine Zeit der Aufrüstungsspirale zurück. Der Rückzug auf eng verstandene nationale Interessen sei gefährlich.
Außenminister Heiko Maas forderte Deutschland und Europa auf, angesichts der sich entwickelnden Beziehungen zu den USA eine größere internationale Sicherheitsrolle zu übernehmen. "Zu lange haben wir Europäer unsere Augen vor der unangenehmen Realität verschlossen, was ein Rückzug der USA aus dem militärischen Engagement und aus internationalen Verträgen für uns bedeutet", sagte Maas, die Zeit des omnipräsenten amerikanischen Weltpolizisten gehe für alle sichtbar zu Ende.
Die Zukunft des Nahen Ostens werde nicht mehr in New York oder Genf entschieden. Stattdessen übernehmen nun Länder wie Russland, die Türkei oder Iran, "die oft ganz andere Werte, Interessen und Ordnungsvorstellungen verfolgen", so Maas.
"Don't go near Huawei"
Die Amerikaner vertreten durch Nancy Pelosi und Lindsey Graham warnten vor einer Zusammenarbeit mit dem chinesischen Technologieunternehmen Huawei. Besonders Pelosi betonte wiederholt, dass Huaweis Ausrüstung der 5G-Netze Peking die Möglichkeit gebe, zu spionieren und zu sabotieren. "Dies ist die heimtückischste Form der Aggression, wenn 5G von einer autokratischen Regierung, die unsere Werte nicht teilt, dominiert wird."
"Don't go near Huawei", sagte Pelosi, "stattdessen sollten wir uns internationalisieren und gemeinsam etwas aufbauen, bei dem es um Informationsfreiheit geht", fügte sie hinzu. Trotz aller Differenzen stünden Pelosi und Trump bezüglich Huawei auf einer Seite, sagte später Graham. Das just kurz nachdem bekannt wurde, dass CIA und BND durch den Kauf einer Verschlüsselungenfirma hunderte Länder abgehört haben.
Graham zeigte sich kritisch gegenüber Trumps Haltung, die amerikanische Armee aus Krisenregionen zurückzuziehen. Graham selbst sei Interventionist. Doch es sei schwierig geworden zu intervenieren, da den Amerikaner nicht mehr verständlich gemacht werden könne, "was wir im nahen Osten gewinnen können". "Es ist schwer einen Krieg zu erklären, wenn nicht klar ist, wie ein Sieg aussehen kann."
Für Graham sei der Westen verbunden mit den Werten der Selbstbestimmung und der Rechtstaatlichkeit. Daher könne er sich keinen Krieg zwischen Demokratien vorstellen. "Das iranische Volk wäre ein guter Bündnispartner für die Welt, aber nicht die theokratische Regierung". Der Iran sei das Krebsgeschwür im Nahen Osten, so Graham.
Westlessness
Das diesjährige Treffen wurde mit dem Begriff der "Westlessness" überschrieben, um auf die schwindende Präsenz des Westens zu ergründen. Der Begriff des "Westens", so scheinen die Veranstalter um Wolfgang Ischinger nicht ohne Provokation zu suggerieren, erfährt einen Bedeutungsverlust, der nicht nur im Westen selbst schwer wiegt, sondern in der ganzen Welt.
Keine leichte Aufgabe, doch ebenso wichtig zu hinterfragen, wem das Feld überlassen wird, wenn die westlichen Werte keinen Halt zu geben vermögen, sondern erodieren.
Auf dem Panel "Westlessness in the West: What Are We Defending?" sagte Österreichs Kanzler Sebastian Kurz, der Westen könne seine Werte kaum glaubwürdig in der Welt vertreten, wenn Regierungen wie die von Viktor Orbán, eine "illiberale Demokratie", in der EU vertreten sind.
Kurz betonte andererseits die Wichtigkeit des wirtschaftlichen Erfolgs für die Idee der Demokratie. "Es wird nicht viele Menschen geben, die unser Modell kopieren wollen, wenn wir nicht zeigen können, dass Demokratie Reichtum erzeugt", so Kurz. Nur dadurch könne den alternativen Systemen, wie dem Chinas, Paroli geboten werden. Kurz forderte jedoch auch, sich an China ein Beispiel zu nehmen. Das Land könne binnen zehn Tagen ein Krankenhaus bauen, während ein solcher Vorgang in Europa mehrere Jahre dauern würde.
Auf dem Panel zum Multilateralismus sagte Indiens Außenminister Subrahmanyam Jaishankar, der Westen vertrete die alte Weltordnung, doch die Zeit der "Westfulness" sei vorbei. Margrethe Vestager, EU-Vizepräsidentin für Digitales, appellierte an die Stärken des Multilateralismus. Die Herausforderungen der Welt, Klimakrise, Steuervermeidung, brauchen gemeinsame Lösungen. Während der ersten Phase des Brexits zum Beispiel hätten die 27 Staaten hervorragend zusammengehalten. "Wir dulden keine Spalter", so Vestager.
Südkoreas Außenministerin, Kang Kyung-Wha, sagte, dass Südkorea sich ebenfalls zum Westen zähle. Jedoch sei das Land auch Mitglied in der Wirtschaftsgemeinschaft ASEAN. Dort werde ein anderes Modell des Multilateralismus an den Tag gelegt. Die ASEAN "verhängt nichts", deswegen falle es den Mitgliedsstaaten nicht schwer solidarisch zu agieren.
Am Samstag werden die Auftritte des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron sowie des US-amerikanischen Außenministers Mike Pompeo und seines russischen Kollegen Sergei Lawrow erwartet.