Münchner Sicherheitskonferenz: USA vs. China
USA machen Stimmung gegen China. Mark Esper gerät bezüglich einer Huawei-Alternative in Erklärungsnot. China kontert beinahe gelassen
Der zweite Tag der Münchner Sicherheitskonferenz begann mit mehreren Statements. Der Tenor: Der Westen müsse Geschlossenheit zeigen, will er nicht gegen China das Nachsehen haben. China sucht dagegen eine Verstärkung der Beziehungen mit sowohl Europa als auch den USA.
Den Anfang machte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. In seiner Rede beschwor er das transatlantische Bündnis, das Freiheit, Demokratie und Rechtstaatlichkeit garantiere. Das habe beispiellosen Frieden und Wohlstand gebracht. In Zeiten, in denen Menschen für ihr Recht auf Freiheit eintreten, müsse die Nato sie unterstützen.
Die Nato sei die "ultimative Verkörperung" des Westens. Europa und Amerika müssen zusammenhalten, einander beschützen und verteidigen, in Zeiten eines globalen Wettbewerbs um Werte und Lebensweisen. Die Anschläge vom elften September hätten die Werte des Westens angegriffen.
Feststellbar sei ein neues Selbstbewusstsein Russlands, das seinen Einfluss in der Welt erhöhe. Die Nato erhöhe daher den Bereitschaftsgrad der Truppen, halte Sanktionen aufrecht und berate, wie auf den angeblichen INF-Verstoß Russlands reagiert werden könne. Hinsichtlich des Großmanövers Defender Europe 2020 sagte Stoltenberg: "Zum ersten Mal haben wir einsatzbereite Truppen in Polen und den baltischen Ländern. Das ist eine klare Botschaft: Die Nato ist da."
China sei bald die größte Volkswirtschaft und verfüge weltweit über das zweigrößte Verteidigungsbudget. Chinas Aufstieg biete für den Westen Chancen und Herausforderungen, wenn ein gemeinsames Verständnis von Sicherheit und Demokratie erreicht werde, damit Gesellschaften offen, frei und widerstandsfähig würden. Daher solle Europa in der 5G-Debatte um die Zusammenarbeit mit Huawei nicht auf kurzfristige Wirtschaftsvorteile setzen, die langfristig Sicherheitsprobleme mit sich bringen.
Es reiche nicht, ein stärkeres Europa zu fordern, denn ein starkes Europa ohne ein starkes Bündnis mit den USA würde bedeuten, dass Europa drohen würde, geteilt zu werden. Nur gemeinsam seien beide stark. Gemeinsam verfügten sie über die Hälfte der Wirtschaftsleistung der Welt als auch über die Hälfte der militärischen Macht. "Wenn wir zusammenhalten, dann können wir getrost mithalten, unsere Interessen wahren und unsere Werte verteidigen."
Stoltenberg äußerte sich nicht zu den Alleingängen der USA, China, Russland und den Iran mit Sanktionen im eigenen Interesse zu belegen. Auch zum völkerrechtswidrigen Anschlag auf Soleimani verlor er kein Wort. Fraglich bleibt, inwiefern Europa angesichts der unberechenbaren Trump-Regierung hinter seinem Bündnispartner stehen kann.
Pompeo: "Huawei ist ein trojanisches Pferd."
US-Außenminister Pompeo folgte Stoltenberg mit einer Rede, die mantraartig wiederholte, dass der Westen siegreich sei und scheinbar jeglichen Zweifel an einer Welt im beklagenswerten Modus einer "Westlessness" auszuräumen suchte. Dass die USA, wie am Vortag von Steinmeier kritisiert, immer öfter der internationale Gemeinschaft eine Absage erteilten, wollte Pompeo nicht gelten lassen. Das sei keine Tatsache, habe keine Grundlage in der Realität.
Im Gegenteil, für die internationale Gemeinschaft tue kein Land so viel wie die USA, so Pompeo. Man habe die Ukraine bewaffnet und die baltischen Länder gegen Russland gestärkt. Gerade sei beschlossen worden, eine Milliarde Dollar in Osteuropa zu investieren im Rahmen der Drei-Meere-Initiative, "um freie Demokratien zu schützen". Die USA setzten sich dafür ein, das Nato-Budget auf 400 Mrd. US-Dollar zu erhöhen.
Gegen den internationalen Terrorismus habe man über 80 Staaten zu einer Koalition vereinigen können, sowie 59 Staaten gegen das venezolanische Regime, so Pompeo. Die USA sicherten zudem die Straße von Hormus und das südchinesische Meer. Zusammengefasst: "Der Westen siegt, wir siegen zusammen."
"Freie Länder sind einfach erfolgreicher als alles bisher in der Zivilisation. Sie fördern Menschenrechte und Wohlstand," sagte Pompeo. Deswegen nähmen Menschen die Strapazen auf, um nach Europa zu kommen. Die Leute wollen schließlich nach Cambridge, nicht Caracas, nach Silicon Valley, nicht nach St. Petersburg. Westlessness könne er nirgends finden. Die Realität sei nun mal: "Der Westen gewinnt, nicht nur der geografische Westen, sondern der Westen als Modell ... Vietnam, Äthiopien, sie wollen so werden wie wir."
Doch, ob Bolivien, Venezuela, Russland oder China, wer gemäß den USA nicht zum Westen zählt, muss wohl mit Eingriffen und Sanktionen rechnen. Pompeo: "Wir respektieren das Recht, die eigenen Angelegenheiten zu verfolgen, wir haben Achtung für Souveränität anderer Länder. Wir unterstützen unabhängige Nationen, wir respektieren Rechtstaatlichkeit."
Einige Länder würden imperiale Wünsche hegen, etwa Russland, das mit Nordstream 2 nicht nur wirtschaftliche Interesse verfolge. Auch der Iran, der "mit Flugkörpern saudi-arabische Ölfabriken angreife", oder "Stellvertreterkriege im Jemen anzettele", wolle sich ausbreiten. China erweitere seinen Einfluss auf Vietnam oder Indonesien, habe mit allen Nachbarn grenzbezogene Dispute. Zudem sei China eine Gefahr für die Cybersicherheit: "Huawei ist ein trojanisches Pferd."
China vereinnahme Beamten, sowohl in China, als auch in Europa. Das seien Angriffe auf die Souveränität, Angriffe auf die Freiheit des Westens. "Wir lieben das chinesische Volk, aber die Kommunistische Partei ist ein Risiko für die Werte des Westens."
Um es mit China aufzunehmen, solle Europa nicht den USA folgen, sondern ein starker Partner sein. Pompeo schloss seinen Auftritt ab mit den Worten: "Nennen Sie mir ein Beispiel aus der Geschichte, wo sich die Schwachen und Sanften durchgesetzt haben. Der Westen wird gewinnen. Gott beschütze euch alle, Gott beschütze die Vereinigten Staaten von Amerika."
"Haben Sie eine Alternative zu Huawei?"
US-Verteidigungsminister Mark Esper stellte seine Rede ebenfalls einer rhetorischen Mobilmachung gegen China unter. Im Wettstreit der Großmächte gehe es um den Kräftewettbewerb mit China, weniger mit Russland. Erst dann folgten der Iran, Nordkorea und der internationale Terrorismus.
Der Westen habe sich getäuscht, als er vor zwanzig Jahren China in die WTO aufnahm. Wider Erwarten habe die marktwirtschaftliche Öffnung nicht zu demokratischen Reformen geführt. Stattdessen habe China vom Welthandel profitiert und zugleich die eigene Technologie und das Militär ausgebaut. Unter Xi Jinping trete das Land aggressiver auf, greife in die Weltordnung ein. "China achtet nicht die Souveränität und Freiheit anderer Nationen", sagte Esper.
Amerika mache sich Sorgen über das Auftreten Pekings im wirtschaftlichen Bereich. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs haben die USA "Geld und Blut" für "die Sicherheit und den Wohlstand auf der ganzen Welt" aufgewendet. China wolle das untergraben und bedrohe strategische Partnerschaften.
Chinas wirtschaftlicher Aufstieg basiere auf Ausbeutung und Diebstahl. Technologisches Knowhow werde gestohlen und dann auf dem Weltmarkt verbreitet. Darunter litten vor allem europäische und amerikanische Firmen. "Wir lassen uns nicht einschüchtern. Vielleicht können wir China auf den rechten Weg bringen."
In den USA werde Technologie genutzt, um Wohlstand erzeugen und Freiheit zu sichern, in China dagegen um das Volk zu kontrollieren. Von einer Zusammenarbeit mit chinesischen Technologiefirmen sollen Amerikas Partner Abstand nehmen. "Kritische Systeme unserer Partner dürfen nicht zur Gefahr werden." In der anschließenden Diskussion warnte Esper weiter vor einer Zusammenarbeit mit Huawei, die "nachrichtendienstliche Probleme" bereiten, als auch Nato-Fähigkeiten kompromittieren. "Nur in sicheren Netzwerken können wir Operationspläne diskutieren."
Zum Schluss stellte Estlands ehemaliger Präsident Toomas Ilvis Esper eine Frage, die für Applaus im Publikum sorgte. Einige hatten genug von der Angstmache vor Huawei. Ilvis fragte, welche 5G-Alternative die US-Regierung stattdessen vorschlage. Esper musste gestehen: "Wir haben noch keine Alternative. Wir befassen uns damit. Wir entwickeln unser eigenes 5G." Auf einigen Militärstützpunkten werde bereits Huaweis 5G-Technologie verwendet, "um zu sehen, wie weit wir sind".
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China: Ost-West-Ideologie überwinden
Der chinesische Außenminister Wang Yi widmete einen Großteil seiner Rede der Coronavirus-Epidemie. "Die Geschichte der Zivilisation ist Geschichte des Kampfes gegen Krankheiten", sagte Wang, "wir haben das volle Vertrauen, diese Epidemie zu besiegen. Der Morgen naht und wir sehen das Licht." Die chinesische Nation habe in ihrer Geschichte sehr viele Schwierigkeiten und Probleme durchlebt, wodurch ein nationaler Geist der Widerstandsfähigkeit und der Resilienz entstanden sei. "China wird aus der Epidemie stärker hervor gehen."
China würde hier wertvolle moralische und materielle Unterstützung geboten. Das Land kämpfe nicht alleine. Wang zählte auf: Staaten wie Südkorea, Russland, Weißrussland hätten dringend benötigte medizinische Güter nach Wuhan geflogen. Pakistan habe viele Atemschutzmasken geschickt. Kambodschas Präsident habe Peking besucht und seine Unterstützung für China zum Ausdruck gebracht. Thailands Premierminister schickte Videobotschaften, Sri Lankas Premierminister habe im Abhayaramaya-Tempel in Colombo mit ein tausend Buddhisten für China gebetet.
Japanische Gruppen hätten den medizinischen Lieferungen chinesische Gedichte beigelegt: "Habt keine Angst, dass ihnen Rüstung fehlt, denn meine könnt Ihr ebenfalls tragen." Amerikaner hätten Güter bereit gestellt, ein indonesischer Polizist habe das Lied "Go Wuhan!" gesungen, wie auch britische Schüler ein chinesisches Lied. Der Burj Khalifa sei in rot angestrahlt worden, um China Unterstützung zu zeigen. Und auch der FC Bayern München habe Grüße geschickt. "Staats- und Regierungschefs sowie internationale Organisationen von 130 Ländern haben uns Botschaften gesandt", sagte Wang. "Die chinesische Nation ist eine dankbare Nation, wir werden uns an jede Unterstützung erinnern. Im Namen der chinesischen Regierung möchte ich Danke sagen."
Bezüglich der von der Sicherheitskonferenz thematisierten "Westlessness" appellierte Wang an die Weltgemeinschaft, die West-Ost-Unterscheidung hinter sich zu lassen. "Wir sind eine Erde, eine Familie, wir tragen gemeinsame Verantwortung für eine gemeinsame Zukunft." Die großen Länder hätten die besondere Verantwortung für eine offene Welt einzutreten, statt Einflusssphären zu schaffen, zusammenzuarbeiten, statt Konfrontation zu provozieren.
Dem Werben der Amerikaner um Europa schloss sich auch Wang an: "Gerade in Zeiten, in denen die USA unilateral arbeiten, sollten China und Europa sich auf Gemeinsamkeiten statt auf Differenzen verständigen." Als Gemeinsamkeiten nannte Wang, die Bestrebungen den Multilateralismus zu fördern, Unilateralismus und Protektionismus zu verurteilen, internationale Beziehungen demokratisch zu gestalten, statt durch Macht- und Drohpolitik.
Die Vorwürfe gegen Huawei nannte Wang eine "Schmierkampagne" mit bekannten Worten, die ständig wiederholt werden. Alle Beschuldigungen seien Lügen, die nicht auf Tatsachen basierten. "Ein künstlich erzeugtes Thema."
"Aber wenn wir diese Thematik umdrehen, und sie auf Amerika anwenden, dann werden sie zu Tatsachen", sagte Wang in der anschließenden Diskussion ungewöhnlich scharf. "Die Menschen in der Supermacht sollten ihren gesunden Menschenverstand nicht verlieren."
Abschließend sagte Wang, es sei wichtig den Dialog zu suchen und die bilateralen Beziehungen mit den USA weiterzuführen: "Die Welt kann von einer Zusammenarbeit der zwei Länder nur profitieren. Dann können wir wirklich etwas bewegen. Wir könnten einen Beitrag dazu leisten, dass die Erde ein besserer Ort wird."