Mugabe, das Unwort und die Chinesen
Der größte Erfolg des EU-Afrika-Gipfels war, dass er stattgefunden hat. Von einer Annäherung der Positionen in den Wirtschafts- und Handelsbeziehungen, der Migration oder der Menschenrechtspolitik konnte in Lissabon keine Rede sein
Die Löwen haben gut gebrüllt: Auf dem Lissabonner Gipfeltreffen haben die Vertreter Afrikas kaum ein gutes Haar an der Politik Europas gegenüber ihren Staaten gelassen. Auch die scharfen Anwürfe der deutschen Bundeskanzlerin gegen die Politik des Präsidenten Simbabwes stießen auf Protest. In der Abschlussdeklaration und dem Aktionsprogramm allerdings klang das ganz anders: Man wolle eine partnerschaftliche Zusammenarbeit auf zahlreichen Gebieten, etwa in den Feldern Zuwanderung, Sicherheit, Energie, Handel und Klimaschutz. Zur Umsetzung der Ziele sind rund 200 einzelnen Maßnahmen geplant.
Robert Mugabe war da. Per Sondervisum reiste der Präsident Simbabwes zum EU-Afrika-Gipfel am Wochenende nach Lissabon. Eigentlich steht der autoritär regierende Staatschef auf der Schwarzen Liste in Brüssel - ebenso wie gut 100 seiner engsten Gefolgsleute, denen die Einreise nach EU-Europa verwehrt ist. Aber nochmals, so wie die geplante Begegnung 2003 sollte ein Treffen nicht an der Haltung zu Simbabwe scheitern. Schließlich liegt die letzte Begegnung europäischer und afrikanischer Spitzenpolitiker bereits sieben Jahre zurück. Auch die Absage des britischen Premiers Gordon Brown aus Protest gegen die Teilnahme Mugabes hatte kaum Auswirkungen auf die Runde - und schon gar nicht auf den Regierungskurs in dem südafrikanischen Land.
Dennoch zeigte der Streit um Mugabe, wie sensibel das afrikanisch-europäische Verhältnis ist. Dabei fehlt es nicht an klangvollen Worten. Hauptziel der Entwicklungspolitik der EU sei "auf längere Sicht die Beseitigung der Armut", heißt es im EU-Reformvertrag, der am kommenden Donnerstag offiziell unterzeichnet werden soll. Allerdings muss man schon ziemlich weit nach hinten blättern, um diese Passage überhaupt zu finden. Und das Wort Afrika kommt im Vertragstext gleich gar nicht vor.
Die höchst allgemein gehaltene Zielbestimmung der EU gegenüber dem schwarzen Kontinent spiegelte sich auch auf dem Lissabonner Gipfel wider. Vier Hauptthemen standen auf der Agenda: Sicherheitspolitik, Menschenrechte, Migration und Handel. Die ersten beiden sind die brisantesten, die letzteren die für die EU wichtigsten. Gerade in den Wirtschafts- und Handelsbeziehungen sollen nach dem Willen Brüssels die Weichen neu gestellt werden.
Während das 1975 unterzeichnete erste Lomé-Abkommen zwischen der damaligen EG und AKP-Staaten (Afrika, Karibik, Pazifik) den Entwicklungsländern noch erleichterten Marktzugang nach Europa sicherte und auch das im Jahr 2000 folgende Abkommen von Cotonou die Spezifik der früheren Kolonien prinzipiell noch berücksichtigte, soll diese Vereinbarung nun mit den so genannten EPAs untersetzt und konkret ausgestaltet werden. Das Unwort EPA steht für Economic Partnership Agreements (7), mit denen - nach offizieller Lesart - die Handelsbeziehungen zwischen der EU und den Staaten des Südens WTO-kompatibel gemacht sollen.
Kernelement der bilateral zu vereinbarenden Freihandelszonen ist ein "gleichberechtigter" und unbeschränkter Marktzugang für beide Seiten. Angesichts der Tatsache, dass Afrikas Bedeutung für Europa noch immer vorrangig in der Lieferung von Rohstoffen (z.B. Kaffee, Kakao, Kupfer, Gold und Metallen für die Elektronikindustrie) und als Absatzmarkt für veredelte Produkte besteht, ist offensichtlich, wer Gewinner und Verlierer dieser "Einigung" sein wird.
Problematisch ist, dass die in Lissabon diskutierten Politikfelder kaum voneinander zu trennen sind und das Raster "Afrika=gut, Europa=schlecht" nicht aufgeht. Zwar gab es auch in der portugiesischen Hauptstadt heftige Proteste der afrikanischen Seite gegen die EPAs. Fakt ist aber ebenso, dass die bisherigen Schutzmechanismen inzwischen weitgehend unterhöhlt wurden und - nicht nur wegen den WTO-Forderungen nach freiem Handel - ersetzt werden müssen. So bitten sich die afrikanischen Staaten längere Bedenkzeit über die Abkommen aus und eine stärkere Berücksichtigung ihrer Interessen. Die Mehrheit aber lehnt die Verträge zumindest nicht generell ab. Auch in Fragen der Einwanderung will man zumindest im Gespräch bleiben - auch wenn die EU-Staaten die Abwehr von Wirtschaftsflüchtlingen aus Afrika immer weiter perfektionieren und das Mittelmeer inzwischen zu einem Massengrab für Flüchtlinge wird.
Kaum klarer sieht es bei der Menschenrechtspolitik aus. Zwar hat Brüssel mit der 2005 vorgenommenen Reformierung der Beziehungen eine stärkere Berücksichtigung gemeinsamer Ziele, Werte und Grundsätze betont. Aber die Tatsache, dass insbesondere China sich bei seinem Griff nach Afrikas Rohstoffen herzlich wenig um Menschenrechte oder Demokratie schert, bringt die Europäer in Bedrängnis. Allein im vergangenen Jahr habe China mehr als eine Milliarde US-Dollar in Afrika investiert, meldete die Nachrichtenagentur dpa kurz vor dem Lissabon-Gipfel. Die Frage, wie viel Moral sich die EU in den Beziehungen zu den afrikanischen Staaten leisten kann und will, ist in Brüssel durchaus keine theoretische.