"Multiple Krisen" aus Heuschrecken, Seuchen, Unwettern und militärischen Konflikten

Wanderheuschrecke. Foto: Marta Boroń / CC BY-2.0

Die UN verkündet erste Erfolge im Kampf gegen die Schädlingsinvasion in Ostafrika

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In Ostafrika haben die Menschen derzeit noch andere Sorgen als nur Corona: Eine Heuschreckenplage. Im Kampf dagegen zeigen sich jetzt erste Erfolge, die die Food and Agriculture Organization (FAO) der Vereinten Nationen gestern in der italienischen Hauptstadt Rom verkündete. Ihren Schätzungen nach konnten durch großflächige Lufteinsätze in zehn afrikanischen und arabischen Ländern insgesamt etwa 720.000 Tonnen Getreide gerettet werden. Diese Menge ernährt etwa fünf Millionen Menschen ein Jahr lang.

Dem chinesischen Vizelandwirtschaftsminister und FAU-Direktor Qu Dongyu zufolge sind diese Erfolge zwar "bedeutend", aber noch nicht das Ende der Maßnahmen: "Der Kampf", so der im niederländischen Wageningen promovierte Agrarwissenschaftler, sei "lang und noch nicht zu Ende", weil die Heuschrecken durch ungewöhnlich viel Regen in der Gegend viel Nahrung fänden und sich weiter stark vermehren könnten. Die kommende Generation könne potenziell besonders viel Schaden anrichten, weil sie für die Haupterntezeit im Juni erwartet werde.

Altes Phänomen

Heuschreckeninvasionen kennt die Menschheit mindestens seit der Antike. In der Bibel zählen sie neben Stechmücken, Hagel, der Viehpest und den Schwarzen Blattern zu den Plagen, die das pharaonische Ägypten heimsuchen. Sie entstehen, wenn die Dichte einer Wüstenheuschreckenpopulation zu sehr ansteigt. Dann ändern diese Insekten ihren Körperbau und bilden Schwärme, die auswandern und pro Tag bis zu 150 Kilometer zurücklegen können.

Finden sie Nahrung vor, vermehren sie sich exponentiell: Innerhalb von nur neun Monaten kann eine Population um das Achttausendfache zunehmen. Mitte des 20. Jahrhundert ermöglichten ein Ausbau der Kommunikationsinfrastruktur und die Erfindung von Pestiziden eine zunehmend bessere Bekämpfung des Phänomens: Schwärme wurden bereits in ihren Entstehungsphasen gemeldet und dann aus der Luft mit relativ geringem Einsatz vernichtet.

Kollateralschaden des Krieges im Jemen

In den Jahren 2018 und 2019 war das anders, weil der Krieg, den die von Saudi-Arabien angeführte Sunnitenallianz im Jemen gegen die schiitischen Huthi-Milizen führt, ein frühes Erkennen und Bekämpfen der Heuschreckenschwärme dort verhinderte. Sie konnten sich deshalb nach Ostafrika ausbreiten. In ein Gebiet, in dem durch den alle paar Jahre auftretenden Indischer-Ozean-Dipol besonders viel Regen fiel. Durch diese ungewöhnlich reichen Regenfälle fanden die Heuschreckenschwärme so viel Futter, dass sie von Somalia, Dschibuti, Eritrea und Äthiopien aus nach Kenia, Tansania, Uganda, in den Südsudan und in den Kongo weiterwandern konnten.

In diesen Ländern hatte man solch eine Invasion seit 70 Jahren nicht mehr gesehen, weshalb man darauf entsprechen wenig gut vorbereitet war. Bis die großflächige Bekämpfung anlaufen konnte, vergingen deshalb Monate, in denen die Schwärme exponentiell wachsen konnten. Im April hatten sie zusammengerechnet eine Fläche von über 2.000 Quadratkilometern befallen.

In Äthiopien reichen die Schädlingsbekämpfungsmittelvorräte noch bis Juni

Hinzu kamen andere Probleme, die die Bekämpfung potenziell erschwerten: Durch Überschwemmungen am Nzoia und in anderen Teilen Kenias mussten Menschen evakuiert werden - und wegen der Coronakrise kam die Befürchtung auf, dass aufgrund unterbrochener Verkehrswege und Lieferketten die zur Heuschreckenbekämpfung nötigen Chemikalien knapp werden könnten. FAU-Chef Qu warnte deshalb vor "multiplen Krisen" aus Heuschrecken, Seuchen, Unwettern und militärischen Konflikten. Sie würden die Ernährungslage seiner Einschätzung nach "dramatisch verschlechtern". Bei den Seuchen bezog er sich dabei nicht nur auf Corona, sondern auch auf die Cholera, die im Jemen und im Südsudan ausgebrochen ist.

Bislang verfügen die ostafrikanischen Länder noch über Schädlingsbekämpfungsmittel: In Äthiopien reichen sie der FAO-Funktionärin Fatouma Seid nach allerdings nur bis zum nächsten Monat. Außerdem fehlten Maschinen, um sie auszubringen. Optimistischer gibt sich Alphonse Owuor, der FAO-Pflanzenschutzbeauftragte der FAO für Somalia. Dort reichen die Pflanzenschutzmittel bis zum Juli und die Lieferanten "kennen unseren Bedarf für den Rest des Jahres und stehen bereit für den Fall, dass wir dringend mehr Vorräte benötigen".

Heuschrecken lassen sich sowohl mit Chlorkohlenwasserstoffen, Carbamaten, Pyrethroiden und Phosphorsäureestern bekämpfen. Chlorkohlenwasserstoffe wie Dieldrin und γ-Hexachlorcyclohexan werden besonders häufig verwendet, weil sie sehr wirksam und kostengünstig sind. Carbamate und Phosphorsäureester wirken relativ langsam - und Pyrethroide haben den Nachteil, dass Heuschrecken ein Besprühen relativ leicht überleben können, wenn es nicht zielgenau genug erfolgt.

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