Murdochs Medienimperium wankt
In Großbritannien versuchen Konservative im Windschatten der Affäre weiter die Privatisierung der BBC zu betreiben, andere Initiativen versuchen alternative Medien aufzubauen
Der "News of the World"-Abhörskandal (Abhörskandal schwerer Schlag für Murdoch-Imperium) dominiert nach wie vor die Titelseiten britischer Tageszeitungen. Die News of the World gibt es nicht mehr. Führende Polizisten mussten ihren Hut nehmen. Zentrale Personen in Murdochs internationalem Firmengeflecht mussten doch abtreten, nachdem der Patriarch zunächst an ihnen festhielt. Der Skandal weitet sich derweil in die USA aus, das FBI denkt über Ermittlungen nach. Selbst Rupert Murdochs Position bei News International scheint nicht mehr sicher, andere Großaktionäre wenden sich gegen ihn (Das Murdoch-Spektakel). Seine Übernahme von BskyB ist zunächst gescheitert.
Der Skandal hat in Großbritannien die Debatte über die Besitzverhältnisse in der Medienbranche neu entfacht. Am Mittwoch fand im britischen Unterhaus eine Sondersitzung über das "öffentliche Vertrauen in die Medien und die Polizei statt". Während dieser Debatte wurde Premierminister Cameron wiederholt befragt, ob er mit Murdoch über die BskyB Übernahme diskutiert habe. Cameron verweigerte eine direkte Antwort, inzwischen gilt es als sicher, dass Cameron die Übernahme mit Murdoch wiederholt diskutierte.
Cameron kündigte während der Debatte das Einsetzen einer Kommission an, die sich mit Besitzverhältnissen und der Dominanz großer Medienunternehmen beschäftigen soll. Explizit geht es bei dieser Kommission nicht nur um die Murdoch-Unternehmen, sondern auch um soziale Medien wie zum Beispiel Facebook und Twitter, sowie die BBC. In seinen Redebeiträgen betonte Cameron wiederholt die Notwendigkeit einer pluralistischen Medienstruktur.
Gerade den Konservativen ist die BBC als öffentlicher Mediendienstleister ein Dorn im Auge. In den vergangenen Tagen wurde der BBC von konservativen Zeitungen wie der Daily Mail eine Hetzkampagne gegen Murdoch vorgeworfen. Die BBC habe jegliche Ausgewogenheit vermissen lassen.
Gleichzeitig veröffentlichte Tim Montgomerie auf seinem "Conservative Home"-Blog einen Angriff auf die BBC, in der er dieser eine dominierende und marktverzerrende Stellung in der britischen und globalen Medienlandschaft vorwarf. Es gebe ein Problem mit Medienpluralität, dieses lege aber zu einem großen Teil bei der BBC, so Montgomerie in seinem Artikel.
Die Versuche konservativer Medien, im Windschatten des Murdoch-Skandals einen Schlag gegen die BBC zu landen, decken sich mit konservativer Parteipolitik. 2010 handelte die konservativ-liberaldemokratische Koalitionsregierung eine drastische Budgetkürzung mit dem BBC Management ausgehandelt. Diese Kürzungen wirken sich nicht auf die überdurchschnittlich hohen Gehälter der BBC-Spitzenfunktionäre, sondern vor allem negativ auf die Jobs der durchschnittlichen BBC-Angestellten aus. Weil dem World Service Entlassungen drohen, ruft die Journalistengewerkschaft NUJ ihre Mitglieder zu Streiks auf. Der nächste Streiktag ist am 1. August.
Trotz des Abhörskandals steht die Privatisierung der BBC nach wie vor zur Debatte. Dies ist im Einklang mit dem erklärten Regierungsvorhaben, alle Teile des öffentlichen Sektors für den privaten Markt zu öffnen. Inwieweit die von Cameron eingesetzte Medienkommission zur Vorbereitung eines solchen Vorhabens beitragen wird, bleibt abzuwarten.
Die BBC wird nicht nur von Konservativen kritisch betrachtet. Auch linke Journalisten wie John Pilger haben an der BBC einiges auszusetzen. Ähnlich wie die Konservativen wirft er der BBC mangelnde Ausgewogenheit vor. Zum Beispiel bei der Frage des Irakkrieges sei zwischen den Murdoch-Publikationen und der BBC kein inhaltlicher Unterschied bemerkbar gewesen. Die BBC sei fast als verlängerter Arm der Murdoch-Presse aufgetreten.
Dem tritt die gewerkschaftsnahe "Campaign for Press and Broadcasting Freedom" entgegen. Die BBC sei nicht perfekt. Um aber ein weiteres Absinken redaktioneller Standards in der britischen Medienlandschaft insgesamt zu verhindern, müsse die BBC auf jeden Fall verteidigt werden. Ansonsten drohe ein Monopol privater Konzerne und eine Medienstruktur wie in den USA.
Für die Gewerkschaften ist die Frage redaktioneller Standards mit den Besitzverhältnissen verknüpft. Die NUJ fordert gesetzlichen Schutz für Journalisten, die sich unethischen Arbeitsweisen verweigern. Gleichzeitig verweist sie auf den Verhaltenskodex, dem sich alle NUJ-Mitglieder unterwerfen. Dieser könne nur durch starke Gewerkschaften durchgesetzt werden. In ein ähnliches Horn stößt die Gewerkschaft für Staatsangestellte PCS. Sie sieht in starker gewerkschaftlicher Organisierung ein Mittel, mit denen die Exzesse großer Medienkonzerne eingedämmt werden können.
Suche nach Alternativen
Spricht man mit britischen Journalisten, dann ist immer öfter von einer allgemeinen Krise der Branche die Rede. Vor allem die Existenz vieler Lokalzeitungen ist immer öfter bedroht, da Mutterkonzerne Stellen abbauen beziehungsweise ganze Redaktionen schließen. Ein jüngstes Beispiel sind die Zeitungen der Johnston Press Gruppe in der Yorkshire Region. Dort sind die Redakteure seit einer Woche im unbefristeten Streik, weil die verschiedenen Lokalredaktionen drastisch abgebaut werden sollen.
Manche Journalisten reden bereits vom Versagen des privaten Besitzes von Medienkonzernen. Kaum ein Treffen der NUJ vergeht, ohne dass nicht über mögliche Alternativen zur gegenwärtigen Lage diskutiert wird. Das Alternativen nötig sind, darüber besteht vielerorts Einigkeit. Die inoffizielle Bibel vieler britischer Journalisten ist das Buch Flat Earth News des Investigativjournalisten Nick Davies. Davies, der auch den Abhörskandal weitgehend aufdeckte, beschreibt hier den negativen Effekt, den die Ausdünnung von Redaktionsräumen und die Profitinteressen der Besitzer auf die journalistische Arbeit haben.
In verschiedenen Städten haben Journalisten ihre eigenen Kooperativen gegründet. Ein Beispiel ist MagNet in Port Talbot, Wales. MagNet ist ein Internetportal, das sich auf Lokalnachrichten spezialisiert. Die Seite wurde von Journalisten gegründet, deren Jobs durch die Schließung der vom Trinity Mirror Konzern betriebenen örtlichen Lokalzeitung verloren gingen. Das Portal hat einen wachsenden Leserkreis und will versuchen, die Einwohner des Ortes in den Produktionsprozess mit einzubeziehen.
MagNet-Mitbegründer und NUJ-Aktivist Ken Smith ist aber nicht der Meinung, dass kleine Kooperativen am grundsätzlichen Medienproblem etwas ändern können. Dazu würden ihnen die Ressourcen fehlen. "Für echte Veränderung muss die Presse aus den Händen der multinationalen Konzerne gerissen werden", meint er.
Tatsächlich steht immer wieder das Problem der Finanzierung alternativer Medien im Raum. Innerhalb der NUJ wird auch diskutiert, ob Lokalmedien nicht durch Stadtverwaltungen finanziert werden könnten. Ein Magazin, das dies probierte, ist der Salford Star. Der Salford Star ist ein hauptsächlich von Ehrenamtlichen betriebenes Stadtmagazin. Für seine Enthüllungen über die Verbindungen zwischen der lokalen Stadtverwaltung und großen Baukonzernen wurde der Salford Star mit dem prestigeträchtigen "Paul Foot Award" ausgezeichnet.
Die Stadtverwaltung weigerte sich, dem Magazin Mittel zur Verfügung zu stellen und änderte dafür sogar die eigenen Richtlinien zur Vergabe von Fördergeldern. Stattdessen gründete die Stadtverwaltung ihre eigene Publikation, die eine wesentlich unkritischere Rolle gegenüber der Lokalpolitik hat als der Salford Star. Dieser kann seit längerem nicht mehr gedruckt erscheinen und ist nur noch im Internet präsent. Und das in einer Stadt, in der nur eine Minderheit Zugang zu Computern hat.
Im nahegelegenen Manchester gibt es den Manchester Mule, eine Zeitung die als Alternative zum offiziellen Lokalblatt "Manchester Evening News" gegründet wurde. Manchester Mule finanziert sich über unterschiedliche Geldtöpfe und Spenden Allerdings reicht es auch hier, ähnlich wie bei MagNet, nicht zum Überleben der Redakteure. "Das Hauptproblem für einen Aufschwung alternativer Medien ist, dass sich Journalisten ernähren können müssen. Dafür gibt es derzeit keine augenscheinliche Lösung", erklärt Andy Lockhart, Mitglied des Redaktionskollektivs.
Zur BBC hat man auch hier ein gespaltenes Verhältnis. Privatisierung sei natürlich eine Bedrohung, allerdings sei die politische Berichterstattung der BBC oft ziemlich schlecht. Die Berichterstattung über den Irakkrieg sei nicht viel mehr als Nachrufe auf getötete Soldaten, meint Lockhart. Letztendlich könnten weder staatliche noch private Medien die Machthabenden zur Rechenschaft ziehen: "Um diese eigentliche Aufgabe der Presse wahrnehmen zu können, müssten Journalisten selber die Kontrolle über die Medien haben, unabhängig von privaten und staatlichen Interessen."