Musik statt Pistolenschuss
Neues Messverfahren soll die Akustik von Innenräumen verbessern
Es gibt Kirchen mit „Flüsterecken“, in denen sich Leute, die –zig Meter auseinander stehen, flüsternd unterhalten können, ohne dass dieses irgendjemand anders mitbekommt. Auch im Münchner „Nachtcafé“ gibt es infolge der gerundeten Wände Tische, an denen man die Unterhaltung von Leuten am anderen Ende des Raumes über eine lautstark spielende Jazzkapelle hinweg laut und deutlich verstehen kann. Ebenfalls irritierend ist, wenn bei einem Vorstellungsgespräch jedes Wort der eigenen Stimme in den Ohren widerdröhnt, im Wartezimmer des Arztes die Unterhaltung der anderen Wartenden zu einem unverständlichen, nervigen Klangbrei verschmilzt oder die Bässe der Stereoanlage des Nachbarn im eigenen Wohnzimmer besser zu hören sind als in seinem.
Alle diese zunächst überraschenden Phänomene kann man heutzutage exakt ausmessen, doch sind derartige Akustikmessungen bislang ziemlich unangenehm: ein impulsartiger Schall, typischerweise ein Pistolenschuss oder eine andere Art von Explosion, wird ausgelöst und die eintreffenden Echos und Reflektionen ausgemessen. Damit ist die Messung nur in einem leeren Raum möglich, und dies entspricht nicht dem tatsächlichen Ergebnis, da anwesende Menschen die Akustik deutlich verändern.
Außerdem ist die akustische Reaktion auf den Knall auch nicht unbedingt nützlich: für das Sprachverständnis ist nicht entscheidend, ob ein derartiger Knall exakt wiedergegeben wird und räumlich klar zuzuordnen ist, sondern ob Sprache und Musik mit Texten gut zu verstehen sind. Daher wäre es eigentlich naheliegend, mit derartigen, realistischeren Signalen zu testen, doch überforderte dies bislang die Messgeräte: während sie den einzelnen Knall eindeutig identifizieren können, ist dies mit Sprache oder Musik in einer realen Umgebung deutlich schwieriger.
Ingenieure der Universität von Salford haben nun mit leistungsfähigen Prozessoren eine derartige Messtechnik entwickelt, mit der es nicht mehr notwendig ist, für Messungen die entsprechenden Räume zu leeren. Trevor Cox, Professor für Akustikentwicklung an der Universität von Salford, geht davon aus, dass Innenraumakustik in Zukunft eine deutlich exaktere Wissenschaft wird, als sie es heute ist und in fünf bis zehn Jahren zu deutlichen Veränderungen bei der Konstruktion von Innenräumen führen könnte, bei denen die Akustik wichtig ist. Ebenso nützlich könnte das neue Messverfahren für die Entwicklung von Hörgeräten werden.