Nach Anklageerhebung: Netanjahu will von der Anklagebank aus regieren
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu will "noch viele Jahre" im Amt bleiben und sucht dafür den Schulterschluss mit Rechtsextremisten
Als zum ersten Mal ein israelischer Regierungschef wegen polizeilicher Ermittlungen zurücktrat, ging es nur um gut 10.000 US-Dollar: 1977 fanden Journalisten heraus, dass der damalige Premierminister Jitzhak Rabin und seine Ehefrau Leah Rabin ein Bankkonto in den USA besaßen; damals war das in Israel illegal. Doch obwohl die Vorschrift damals schon umstritten war, obwohl das Geld unzweifelhaft aus dem Einkommen stammte, das Rabin vor seiner Amtszeit als Botschafter in den USA erzielt hatte, trat er zurück.
Die Vorwürfe, die die Generalstaatsanwaltschaft fast 43 Jahre später gegen seinen Nachfolger Benjamin Netanjahu erhebt, wiegen um einiges schwerer: Jahrelang sollen Netanjahu, seine Frau und sein Sohn Ja'ir von Milliardären teure Geschenke gefordert und erhalten haben.
Mit dem Verleger der landesweit größten Tageszeitung, Jedioth Ahronoth, soll er eine genehmere Berichterstattung abgesprochen haben; die Gegenleistung: Steuervergünstigungen, Hilfe bei einem Visaantrag für die USA und, im Fall von Jedioth Ahronoth, ein Gesetz, das die Verbreitung von Gratiszeitungen einschränkt.
Dafür soll Netanjahu nun angeklagt werden, so hat es Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit entschieden. Es folgt nun ein Vorverfahren, in dem geklärt wird, ob die Beweise ausreichend sind; falls ja, wird das Hauptverfahren eröffnet.
Bündnis mit Ultrarechten
Der Gang der Dinge, wie ihn sich Netanjahu vorstellt, sieht so aus: Anders als Rabin will er nicht zurücktreten; im Gegenteil. Nach den vorgezogenen Parlamentswahlen am 9. April will er erneut eine Regierung bilden; um die Chancen zu erhöhen, hat er durchgesetzt, dass die kleine rechte Partei Jüdisches Heim ein Bündnis mit Otzma Jehudith eingeht, einer ultrarechten Partei, die als politischer Flügel von der verbotenenen Kach-Bewegung stammt.
Sowohl Baruch Goldstein, der 1994 in Hebron 29 Palästinenser erschoss, als auch Jigal Amir, der 1995 Rabin ermordete, stammten aus dem Umfeld von Kach. Sowohl Jüdisches Heim als auch Otzma Jehudith wären ohne Bündnis an der 3,25 Prozent-Hürde gescheitert. Verläuft alles nach Netanjahus Plan, würde mindestens ein Otzma-Jehudit-Abgeordneter auch Minister werden und ein weiterer im Auswahlkomitee für die Justiz sitzen, so sieht es eine Vereinbarung vor, die der Wahlleiter veröffentlichte.
Laut Netanjahus Plan würde er also das Strafverfahren aus dem Amt heraus über sich ergehen lassen, während Angehörige einer Partei, deren Ziel es ist, die staatliche und gesellschaftliche Ordnung zu verändern, in der Regierung sitzen, dort Entscheidungen über Militäreinsätze und Gesetzgebung mittreffen können.
"Hexenjagd"
Um sein Vorhaben durchzusetzen, nutzte Netanjahu selbst die Nachricht über die Anklageerhebung für Wahlwerbung: Es gebe eine Hexenjagd gegen ihn, sagte er in einer Fernsehansprache; die Linke plane einen Putsch. Und seine Wahlkämpfer warben vehement um jene Ultrarechten, die bislang nicht zur Wahl gehen. Denn jede Stimme zählt für ihn: Netanjahu und sein Likud sind weit davon entfernt, Volkspartei zu sein, kommen höchstens auf 23 bis 24 Prozent der Stimmen.
Und nun halten nur noch die rechten und ultraorthodoxen Parteien zu ihm; zusammen kommt man in den Umfragen auf höchstens zwischen 50 und 58 der 120 Parlamentsmandate; alle anderen Parteien haben nun eine Koalition mit Netanjahu kategorisch ausgeschlossen, und auch an der Likud-Basis rumort es, während Fraktion und Parteiführung sich hinter Netanjahu gestellt haben: Denn 43 Jahre nach Rabins Rücktritt sind die Standards, die an das Verhalten israelischer Politiker gesetzt werden, zwar gesunken, doch nach Ansicht vieler hat Netanjahu nun eine Grenze überschritten.
Diejenigen, die die Anklage gegen ihn vorangetrieben haben, sind übrigens mitnichten Linke: Sowohl Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit als auch der ehemalige Polizeichef Rini Alscheikh wurden von Netanjahu nominiert.