Nach Gerichtsurteil: Unionspolitiker für neue "Bundesnotbremse"
Bundesverfassungsgericht weist Klagen gegen Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen zwecks Pandemie-Bekämpfung zurück. Geklagt hatten Mitglieder aller Ampel-Parteien, vor allem der FDP
Nach Überzeugung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe waren die zentralen Maßnahmen der "Bundesnotbremse" zur Eindämmung der Corona-Infektionswelle im April nicht zu beanstanden. Das Gericht wies bereits am 19. November mehrere Verfassungsbeschwerden ab, die sich gegen die damals angeordneten Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen sowie gegen Schulschließungen richteten.
Die Grundrechtseingriffe seien durch "überragend wichtige Gemeinwohlbelange" gerechtfertigt gewesen, heißt es in dem am heute veröffentlichten Beschluss. Gesetzgeberischers Handeln sei umso dringlicher, "je größer die Nachteile und Gefahren sind, die aus gänzlich freier Grundrechtsausübung erwachsen können".
"Bestätigung auf ganzer Linie"
Angesichts der hohen, wenn auch erstmals seit Wochen wieder minimal gesunkenen Inzidenzen blieben nach diesem Urteil die Rufe nach einer Neuauflage nicht aus: "Bestätigung auf ganzer Linie", schrieb der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Markus Söder auf Twitter. "Das ist die Grundlage für eine neue Bundesnotbremse. Wir müssen jetzt schnell handeln", fügte er hinzu.
Der scheidende Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) erklärte, das Gerichtsurteil sei "staatspolitisch klug und rechtlich überzeugend": Sie gebe der alten und der neuen Regierung eine Chance zur Gemeinsamkeit: "Wir durften im Frühjahr handeln und wir dürfen/müssen es auch jetzt. Der Ball liegt bei Parlament und Regierung", so Altmaier.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Mediziner Karl Lauterbach, über dessen Ernennung zum Gesundheitsminister der Ampel-Koalition seit einigen Tagen spekuliert wird, nannte das Urteil eine Erleichterung: "Wenn es darum geht, Menschen vor einer epidemischen tödlichen Erkrankung zu schützen braucht der Staat die notwendigen Mittel", erklärte Lauterbach und sprach von einem "Sieg der Vernunft".
"Wir brauchen jetzt eine Notbremse"
Der geschäftsführende Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) verlangte schnelles Handeln: "Wir brauchen jetzt eine Notbremse, dabei zählt nun jeder Tag", sagte Braun den Redaktionen der Funke Mediengruppe. Nur so könnten die Infektionszahlen bis Weihnachten wieder gesenkt werden.
Die Sieben-Tage-Inzidenz der registrierten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner lag an diesem Dienstagmorgen bei 452,2 und hatte am Vortag bei 452,4 gelegen. 45.753 Neuinfektionen und 388 neue Todesfälle wurden vom Robert-Koch-Institut (RKI) gemeldet.
Zwar liegen die Inzidenzen damit deutlich über den Werten, die im April als Grundlage für die "Bundesnotbremse" gedient hatten, allerdings wurde zwischenzeitlich wegen der steigenden Impfquote davon abgerückt, die Maßnahmen nur noch an den Inzidenzen festzumachen. Zusätzlich sollte etwa die Zahl der Krankenhausaufnahmen berücksichtigt werden.
Die Zahl der hospitalisierten Covid-19-Patienten pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen gab das RKI am Dienstagmorgen für ganz Deutschland mit 5,52 an. Der bisherige Rekordwert der Hospitalisierungsrate war um die Weihnachtszeit 2020 erreicht worden und hatte bei etwa 15 gelegen.
Gegen die "Bundesnotbremse" geklagt hatten Bundestagsabgeordnete aus allen drei Parteien der designierten "Ampel"-Koalition – neben den Einzelkämpfern Florian Post (SPD) und Canan Bayram (Grüne) allerdings primär die FDP.