Nach Köln: Schubladenlösungen
Politiker der etabierten Parteien wollen alte Vorhaben zum Sexualstrafrecht umsetzen
Als am 11. September 2001 arabische Terroristen Flugzeuge entführten und in die World-Trade-Center-Türme und das Pentagon flogen, da waren die US-Bürger und die Welt so geschockt, dass einige Politiker als Reaktion auf diese Anschläge Pläne aus den Schubladen zauberten, die dort schon länger lagen - auch deshalb, weil der Handlungsdruck hoch war und weil Medien schnell Lösungen forderten.
Zu diesen Vorschlägen aus der Schublade zählte auch ein Regime Change im Irak, den der Neocon-Flügel in der Republikanischen Partei lange vor dem Anschlag und ganz ohne Bezug zu Osama bin Laden und al-Qaida propagiert hatte. 2003 setzte man diesen Plan um, obwohl Kritiker warnten, dass man mit einem Sturz Saddam Husseins al-Qaida kaum schaden, sondern eher nützen werde. Heute weiß man, dass diese Kritiker sogar noch zu optimistisch waren: Al-Qaida und ihre Abspaltung Islamischer Staat (IS) sind nicht nur weiter in der Lage, blutige Massenmorde in den USA und Europa zu verüben, sondern beherrschen große Teile Asiens und Afrikas.
Auch nach den massenhaften sexuellen Übergriffen, die es nicht nur in Köln, Hamburg, Stuttgart, Frankfurt und Bielefeld, sondern bis in bayerische und sächsische Kleinstädte und Märkte wie Traunreut und Kühbach gab, stehen deutsche Politiker unter einem erheblichen Druck schnell Lösungsvorschläge zu präsentieren. Und auch diesmal greifen sie auf Vorschläge zurück, die sie schon lange in der Schublade liegen haben.
Dazu gehört vor allem eine Änderung des Sexualstrafrechts, die Politiker der etablierten Parteien seit langem fordern. Vor allem Grünen-Politiker wollen den Tatbestand für Vergewaltigungen so ausdehnen, dass es bei seiner Erfüllung vor allem auf das subjektive Empfinden der Frau ankommt und dass diese dem Täter gar nicht mehr signalisieren muss, dass sie mit einem Geschlechtsverkehr nicht einverstanden ist. In ihrer Mainzer Erklärung am Wochenende hat sich aber auch die CDU dafür ausgesprochen, das Sexualstrafrecht zu verschärfen. SPD-Justizminister Maas und die Linkspartei-Vorsitzende Katja Kipping sind ebenfalls dafür.
Warum ein so breit gefasster Tatbestand rechtsstaatlich problematisch wäre, hat der BGH-Richter Thomas Fischer in seiner Kolumne in der Wochenzeitung Die Zeit im letzten Jahr ausführlich dargelegt. Er sah sich die Fälle, die von "Aktivistinnen" und Politikern genannt wurden, um eine "Schutzlücke" zu behaupten, genau an und stellte fest, dass sich die Opfer in diesen Fällen zum Beispiel auszogen, Freundinnen vor die Tür schickten und von sich aus nackt die Beine hochhoben - und dass in keinem der Fälle beweiskräftige Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass die angezeigten Männer zwar keine Gewalt, aber rechtswidrigen Druck ausübten.
Die Fälle in Köln und anderen Städten liegen da ganz anders: Hier gab es nicht nur ein klares physisches Hindern am Verlassen der Tatorte, sondern auch klare Zeichen der angegriffenen Mädchen, dass sie nicht wollten, dass man sie berührt, ihnen die Wäsche zerreißt und Finger in ihre Körperöffnungen steckt: Schreien, Weinen und Wehren zum Beispiel.
Das Problem ist nicht, dass solche schweren sexuellen Nötigungen nach derzeitiger Rechtslage nicht strafbar wären, sondern, dass man die Täter offenbar nicht hindern konnte, dass bislang nur relativ wenige Verdächtige ermittelt wurden und dass die Beweisführung dem Polizeigewerkschaftsvorsitzenden Rainer Wendt zufolge so schwierig wird, dass er keine harten oder gar keine Verurteilungen erwartet. Die Woche Jugendarrest, zu denen zwei 18 und 19 Jahre alte nordafrikanische "Antänzer" am Freitag verurteilt wurden (obwohl sich einer davon in seiner Aussage, wo er am Silvesterabend war, widersprach) deuten darauf hin, dass Wendt mit dieser Einschätzung möglicherweise nicht ganz falsch liegt.
Passendere Lösungen
Das erste dieser drei Probleme könnte sich dadurch lindern lassen, dass für solche Ernstfälle deutlich mehr Polizeibeamte zur Verfügung stehen, die sofort eingreifen. Dazu, wie man ihre Zahl schnell erhöhen könnte, wird sich Christoph Jehle demnächst in einem Artikel für Telepolis befassen. Auch technische Innovationen wie zum Beispiel Drohnen, die von Oben Tränengas versprühen, könnten in solchen Fällen angemessene Antworten zur Opferrettung sein.
Das zweite Problem - die Ermittlung der Täter - hängt damit zusammen, dass seit September massenhaft Personen über die deutschen Grenzen gelassen werden, die sich nicht mit gültigen Papieren ausweisen. Einem dialektkundigen Kölner Marokkaner zufolge waren viele der Tatverdächtigen, die sich Silvester als Syrer auswiesen, tatsächlich Nordafrikaner, denen deutsche Behörden mit ihren Phantasieangaben Dokumente für Asylverfahren ausstellten. Der aus Tunesien stammende IS-Attentäter, der am Donnerstag bei einem Angriff auf Polizisten in Paris ums Leben kam, war in Deutschland unter mindestens sieben verschiedenen Identitäten aufgetreten, wie das nordrhein-westfälische Innenministerium gestern bekannt gab - und er konnte unter all diesen Identitäten Straftaten begehen. Ob dieses Problem lösbar ist, ohne dass man zur eigentlich gültigen Rechtslage zurückkehrt und Personen ohne gültige Pässe auffordert, sich in Österreich Ersatzdokumente zu besorgen, scheint fraglich.
Beim dritten Problem, der mangelnden Beweisbarkeit der Taten, könnte die Technik eine Hilfe sein: Wer mit den Fingern Wäsche zerreißt oder in Körperöffnungen eindringt, der hinterlässt genetische Spuren. Diese müssen allerdings schnell gesichert werden - und dazu muss man die Polizeibehörden entsprechend ausstatten. Doch auch damit können möglicherweise nicht jene Täter verurteilt werden, die sich nur durch Blockieren der Fluchtwege der Opfer am "taharrush gamea" beteiligen, wie das Phänomen in arabischen Ländern heißt (vgl. Das BKA über den in arabischen Ländern bekannten Antanztrick "taharrush gamea"). Vielleicht muss für diesen Import ein neuer Straftatbestand geschaffen werden, der - analog zum Landfriedensbruch - bereits die Beteiligung an einer Menge unter Strafe stellt, aus der heraus andere Straftaten geschehen.
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