Nach langem Zögern: Die "Road Map" ist da

Neue Hoffnung im Nahostkonflikt

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Nach monatelangen Verzögerungen wurde am Mittwochnachmittag der neue Plan für Frieden im Nahen Osten ausgehändigt. Vertreter des sogenannten Nahost-Quartetts aus USA, Europäischer Union, den Vereinten Nationen und Russlands übergaben das Dokument dem palästinensischen Ministerpräsidenten Mahmud Abbas (Abu Masen) in Ramallah und dem israelischen Premier Ariel Scharon. Das ist der Beginn eines neuen Versuchs zur Lösung des jahrzehntelangen Besatzungskonflikts.

Die Umsetzung des "Fahrplans" zum Frieden "basiert auf dem Verhalten beider Konfliktparteien und ist zielgerichtet, mit klaren Etappen und Zeitplänen". Er bezieht sich auf die Bereiche "Politik, Sicherheit, Wirtschaft, die humanitäre Lage und den Aufbau der (palästinensischen) Institutionen" unter der Aufsicht des Quartetts. Die Palästinenser sind gehalten, gegen die Vielzahl bewaffneter Gruppen vorzugehen. Auf der anderen Seite soll sich Israel von den seit Oktober 2000 wiederbesetzten Gebieten zurückziehen und die seither auf palästinensischem Gebiet errichteten jüdischen Siedlungen wieder abreißen. Auf dem Weg zur anvisierten palästinensischen Staatsgründung Ende 2005 sind zwei internationale Friedenskonferenzen geplant. Grundlage sind die Resolutionen der Vereinten Nationen, die den Rückzug Israels aus den 1967 besetzten Gebieten fordern.

Viele Fragen bleiben offen

Beide Konfliktparteien und zahlreiche Staatschefs begrüßten die Initiative, die aber viele Fragen offen lässt. So hat Mahmud Abbas in seiner Antrittsrede am Dienstag zwar den "unerlaubten Waffenbesitz" angesprochen und betont, dass es in Zukunft nur noch "eine Autorität" gebe. Angesichts der Bekundungen der Opposition, "die Waffen erst nach dem Ende der israelischen Besatzung", so ein Hamas-Sprecher, niederlegen zu wollen, wird das aber kein leichtes Unterfangen. Und es steht zu bezweifeln, dass Abbas einen Bürgerkrieg riskiert. Viele Palästinenser bezeichnen ihn bereits jetzt als "Israeli", der angetreten ist, die israelischen Sicherheitsinteressen umzusetzen und nicht die der eigenen Bevölkerung.

Unklar ist zudem, wie sich die interne Entwicklung der palästinensischen Führung abzeichnet. Präsident Jassir Arafat musste zwar einen Teil der Macht abgeben. Aber Kontrolle und Interessensicherung funktionieren hier noch zum großen Teil informell. Familienstrukturen und Druck hinter den Kulissen sind oft einflussreichere Instrumente als ein Antrag im Parlament. Allerdings zeichnen sich Veränderungen ab. Besonders der seit Oktober amtierende Finanzminister Salam Fayyad macht mit weitreichenden Umstrukturierungen und Transparenz auf sich aufmerksam.

Auf der anderen Seite steht Israel. "Als militärische Bedrohung sind die Palästinenser lächerlich", sagte der ehemalige Ministerpräsident Ehud Barak vor vier Jahren und begann doch mit dem Einsatz von Kampfhubschraubern und Panzern gegen sie. In den sieben Friedensjahren davor verdoppelte Israel seine Siedlerbevölkerung in den besetzten Gebieten. Das ist der Hauptgrund für das Misstrauen vieler Palästinenser gegenüber Friedensbeteuerungen Israels. Für die palästinensischen Pläne zur Errichtung eines unabhängigen Staates neben Israel waren die "Interimsabkommen" aus heutiger Sicht ein Rückschlag. Vor wenigen Tagen hat Israels Verteidigungsminister Shaul Mofas erklärt, die Lage der seit zwei Jahren errichteten "Außenposten" der Siedlungen zu prüfen. Er bezeichnet nur einen Teil davon als "illegal". Nach internationalem Recht ist die Ansiedlung eigener Bevölkerung auf fremdem Gebiet - mittlerweile 400.000 Menschen - insgesamt verboten.

Deshalb sind die Mechanismen zur Umsetzung des "Fahrplans" von großer Bedeutung. Das Nahost-Quartett hat zwar schon die Einrichtung verschiedener Kontrollgremien angedeutet. Deren Form und Befugnisse sind aber noch nicht öffentlich. Die Palästinenser fordern seit Jahren internationale Beobachter in den besetzten Gebieten. Israel lehnt das wegen der ungewollten "Einmischung in innere Angelegenheiten" ab.

Die Gewalt geht trotz "Fahrplan" weiter

Ungeachtet der Vorgänge auf der politischen Ebene, ging die Gewalt weiter. Am Mittwochmorgen sprengte ein Palästinenser sich selbst und drei Israelis in einer Tel Aviver Strandbar in die Luft. Wenige Stunden zuvor töteten radikale Siedler zwei Palästinenser bei Nablus. Und obwohl die israelische Führung von einer "Gnadenfrist" für die Palästinenser spricht, tötete ihre Armee am Donnerstagmorgen acht Menschen in Gaza. Einem zweijährigen Kind wurde in den Kopf geschossen, ein 13-Jähriger war ebenfalls unter den Toten. Zwei weitere Palästinenser wurden bei einem erneuten Einmarsch bei Hebron getötet.

"Die palästinensischen Bürger wünschen sich einen Funken Hoffnung auf ein Ende ihres Leids", sagte Mahmud Abbas in seiner Antrittsrede am Dienstag. Seine Regierung werde "im Rahmen seiner Möglichkeiten" alles tun, um das Leben der Palästinenser zu verbessern. Abbas wird international große Glaubwürdigkeit und Bereitschaft bescheinigt, die gewollten friedlichen und demokratischen Reformen umzusetzen. Aber ohne den internationalen Druck gebe es heute noch keinen palästinensischen Ministerpräsidenten. Genauso sicher ist, dass er ohne die Kooperation Israels scheitern wird. Auf palästinensischer Seite kann keine Hoffnung entstehen, wenn der Druck nicht auch auf die israelische Regierung ausgeübt wird.