Nach neuem Eklat: Grünenpolitiker Boris Palmer tritt aus Partei aus

Boris Palmer, 2019. Bild: Reinhard Kraasch / CC-BY-SA 4.0 DE

Erst das "N-Wort", dann Vergleich von Kritik mit einem "Judenstern" – Palmer erntet Empörung. Versuch einer Rechtfertigung macht es nicht besser. Was er noch sagte.

Boris Palmer (Grüne) hat in den vergangenen Jahren immer wieder polarisiert und seine Partei hat ihm deshalb schon vor Jahren den Austritt nahegelegt. Nach erneuten Querelen hat der Tübinger Oberbürgermeister die Konsequenz gezogen und seinen Parteiaustritt erklärt.

Am Montag hatte das die Landespartei in Stuttgart mitgeteilt. Eine Sprecherin des baden-württembergischen Landesverbandes der Grünen teilte am Montagabend mit: "Boris Palmer hat am heutigen Montag, 1. Mai 2023, seinen Austritt aus der Partei Bündnis 90/Die Grünen erklärt". Der Austritt gelte unmittelbar.

Palmer hatte die Entscheidung gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) bestätigt. Zuvor hatte er noch erklärt, eine Auszeit nehmen zu wollen.

Palmers umstrittene Äußerungen in Frankfurt am Main hatten am Wochenende für heftige Diskussionen gesorgt. Damit setzte sich ein Konflikt fort, der sich immer wieder um seine Wortwahl drehte und die Partei seit Jahren beschäftigte.

Im Mai 2021 wurde etwa der Landesvorstand bereits damit beauftragt, ein Parteiordnungsverfahren gegen Palmer einzuleiten. Knapp ein Jahr später wurde das Verfahren mit einem Vergleich beendet. Der Tübinger Oberbürgermeister hatte anerkannt, dass er mit seinen Äußerungen "gegen die Grundsätze und die Ordnung der Partei verstoßen hat". Seitdem ruhte seine Mitgliedschaft.

Der jüngste Anlass: Palmer äußerte sich am Freitag am Rande der Migrationskonferenz in Frankfurt am Main zu seinem Umgang mit dem "N-Wort". Er habe es genutzt, sagte er im Nachhinein, weil er Sprachvorschriften nicht akzeptiere. Aber das Wort gehöre nicht zu seinem aktiven Wortschatz.

"Ich benutze es nur, wenn darüber diskutiert wird, ob man schon ein Rassist ist, wenn man es verwendet", schrieb er auf Facebook. Und darüber entscheide letztlich der Kontext.

Vor zwei Jahren hatte Palmer mit dem "N-Wort" bereits für einen Eklat gesorgt. Damals betitelte er den ehemaligen Nationalspieler Dennis Aogo damit – und wollte es letztlich nur ironisch gemeint haben. Dieser Fall zeigt aber, dass Palmer die früher in Deutschland gebräuchliche rassistische Bezeichnung auch außerhalb von Diskussionen benutzt.

In Frankfurt am Main wurde Palmer nach eigener Darstellung von einer Gruppe empfangen, die skandierte: "Es gibt kein Recht, auf Nazipropaganda". Angesichts weiterer "Nazis raus"-Rufe sagte Palmer laut dpa der Menge:

Das ist nichts anderes als der Judenstern. Und zwar, weil ich ein Wort benutzt habe, an dem ihr alles andere festmacht. Wenn man ein falsches Wort sagt, ist man für euch ein Nazi. Denkt mal drüber nach.

Am Montag entschuldigte sich Palmer in einer persönlichen Erklärung bei den Menschen, die er damit enttäuscht habe. Er betonte, als Oberbürgermeister hätte er "niemals so reden dürfen". Dass der Eindruck entstanden sei, er würde den Holocaust relativieren, tue im "unsagbar leid".

Er betonte, dass es so wie bisher nicht weitergehen könne. "Die wiederkehrenden Stürme der Empörung kann ich meiner Familie, meinen Freunden und Unterstützern, den Mitarbeitern in der Stadtverwaltung, dem Gemeinderat und der Stadtgesellschaft insgesamt nicht mehr zumuten", erklärte Palmer.

Am Sonntag hatte er noch gegenüber dpa versucht, seine Äußerungen zu kontextualisieren. "Ich habe die Methode der Protestierer, mir den Stempel als Nazi und Rassist aufzudrücken, niederzuschreien und auszugrenzen als Vergleich herangezogen", sagte er demnach.

In seiner persönlichen Erklärung schrieb Palmer weiter: "Wenn ich mich zu Unrecht angegriffen fühle und spontan reagiere, wehre ich mich in einer Weise, die alles nur schlimmer macht".

Aus einer großen übermächtigen Gruppe als Nazi bezeichnet zu werden, hat tief in mir sitzende Erinnerungen wachgerufen. An den Besuch des von Neo-Nazis geschändeten Friedhofs mit den Gräbern meiner Vorfahren. An meinen Vater, der mit dem Judenstern auf der Brust gegen Unrecht demonstrierte. An die Gruppe Jugendlicher, dir mir als Junge Schläge androhten und riefen, man habe nur vergessen, meinen Vater zu vergasen.

Boris Palmer

Aber auch dieser Erklärungsversuch verfing nicht: Freunde und politische Weggefährten wandten sich inzwischen von Palmer ab.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.