Narzisstische Vorstandschefs setzen auf neue Technologien

Eine internationale Studie will herausgefunden haben, dass selbstverliebte CEOs ihre Unternehmen nach vorn bringen

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Dass die Überzeugung von der Außergewöhnlichkeit der eigenen Person nicht unbedingt ein Karrierehindernis bedeutet, ist hinlänglich bekannt (Prominenz oder die narzisstische Persönlichkeit). Aber sind Narzissten, wenn sie sich erst einmal in den Vorstandsetagen dieser Welt zurechtgefunden haben, auch in besonderer Weise geeignet, "diskontinuierliche Innovationen" auf den Weg zu bringen - und ihrer Zeit damit tatsächlich ein Stück voraus?

Caravaggio: Narziss. Bild: The York Project/GNU FDL

Die Möglichkeit besteht, meint eine Studie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, die mit dem International Institute for Management Development in Lausanne und der Pennsylvania State University durchgeführt wurde. Die Details sind ab Juni im Administrative Science Quarterly nachzulesen.

Laut Vorabveröffentlichung wurde das Verhalten traditioneller Pharmaunternehmen im Bereich Biotechnologie zwischen 1980 und 2008 untersucht. Die Persönlichkeit des Vorstandschefs hatte demnach entscheidenden Einfluss auf Investitionen in eine diskontinuierliche, zum Zeitpunkt der Einführung nicht marktübliche Technologie. Als anschauliche Vergleichsmodelle für solche Innovationen bemühen die Forscher die Einführung von PCs, Online-News, E-Books, und Billigfluglinien.

Wir konnten feststellen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein Unternehmen in diskontinuierliche Technologien investiert, umso höher ist, je narzisstischer der jeweilige CEO ist. Die Pharmaunternehmen, die von besonders selbstverliebten CEOs geleitet wurden, haben mehr als doppelt so häufig Biotech-Initiativen im Rahmen von Akquisitionen, Allianzen oder internen Forschungsprojekten durchgeführt als die Unternehmen, die von weniger narzisstischen CEO geführt wurden.

Andreas König, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Doch wie lässt sich überhaupt feststellen, ob ein Vorstandschef zur Selbstverliebtheit neigt oder doch nur der erste Diener eines vorgefundenen Machtmechanismus ist? Eine Erhebung über Fragebögen sei nicht erfolgversprechend gewesen, erklärten die Forscher aus einsehbaren Gründen und setzten deshalb auf ein mit Indikatoren angereichertes Evaluationsmodell - "etwa die Prominenz des Fotos eines CEO im Geschäftsbericht oder die relative Häufigkeit von Nennungen seines Namens in den Pressemitteilungen des jeweiligen Unternehmens".

Der einschlägige CEO-Narzisst zeichnet sich nach Einschätzung der Wissenschaftler unter anderem durch ein übersteigertes Selbstbewusstsein, ein Streben nach Dominanz "und eine gewisse Rastlosigkeit und Ungeduld aus". Das ist nichts wirklich Neues, aber die Schlussfolgerungen der Studie reichen weit. Denn die narzisstischen CEOs sollen sich durch die Beobachtung der Medien noch zusätzlich angespornt fühlen.

Narzisstische CEOs haben augenscheinlich ein großes Gespür für Scheinwerferlicht. Wenn die Chance dafür besonders hoch ist – zum Beispiel in Zeiten, in denen die Presse viel über eine Technologie schreibt und sie als heilsbringend, zugleich aber auch als risikoreich beschreibt –, dann investieren narzisstische CEOs mit einer noch höheren Wahrscheinlichkeit in solche Diskontinuitäten als ohnehin schon.

Andreas König, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Der Einfluss der Öffentlichkeit auf unternehmerische Innovationen sei eine der wichtigsten Erkenntnisse, welche die Studie zur Organisationsforschung beitrage, heißt es weiter. Nun gehe es allerdings auch darum, die Schattenseiten der Selbstverliebten, "wie zum Beispiel ihre mangelnde Kritikfähigkeit und Empathie", ein wenig aufzuhellen. Der unbefangene Betrachter würde wohl auch gerne wissen, wie oft die angedeuteten Risikoentscheidungen ein Unternehmen in den Abgrund stürzten und wie es um die Qualitäten der Narzissten in den Bereichen Mitarbeiterführung, Kommunikation und Unternehmenskultur bestellt ist.