Nazis auf dem Mond
"Iron Sky": Mit einer geheime Nazi-Basis auf der Mondrückseite und der dort gefertigten Reichs-UFO-Flotte wollen finnische Guerilla-Filmer das erforschte Humor-Weltall erweitern
Die erste SciFi-Comedy über finale Vergeltungsfantasien in der dunkelsten Stunde des dutzendjährigen Reichs, mit Highlights wie Reichsflugscheiben, Vril-Raumschiffen, und einer ultra-geheime Nazi-Mondbasis zerrt SS-Mythen und ihre Übertreibung zurück in die Realität des Unterhaltungsfilms.
Anscheinend war die intellektuelle Entnazifizierung noch nicht ganz vollzogen: Aus der gruseligen SS-Esoterik um die "Schwarze Sonne" und deren techno-mystischer Ausführung in Form der "Reichsflugscheibe" wurde bislang noch keine Comedy-Verfilmung. Diese heldenhafte Aufgabe haben sich die finnischen Filmer von Energia Productions auf die Fahnen geschrieben (..um mal im Sujet zu bleiben). Kann sowas gutgehen? Betritt man da nicht ein ideologisches Minenfeld? Ja (jeweils), wenn Mel Brooks mit launigem Singsang a la "Don't be stupid, be a smarty, come and join the Nazi party!" seine ideologisch eher retentiven Zeitgenossen ärgern und den Rest der Welt glänzend amüsieren konnte, sollte das engagierten finnischen Jungfilmern ebenfalls gelingen können. Und was bisher davon zu sehen war, deutet einen echten cineastischen Volltreffer an; wobei "cineastisch" hier bitte ganz im Sinn der reichhaltigen Trash-, B-Movie-, Zombie- und Cheap-Thrill-Kultur zu verstehen ist.
Der finnische SciFi-Film "Iron Sky" ging gerade in die Pre-Production-Phase. Das heißt: Das Drehbuch von der bekannten, Nebula-nominierten finnischen SciFi-Autorin Johanna Sinisalo ist bereit zur Umsetzung. Die Schauspieler sind gecastet, unter den verpflichteten Darstellern findet sich ein bemerkenswert hoher Anteil der deutschen A-Riege, wie Bond-Widersacher Götz Otto als schneidigster Offizier der Mondbasis, (u.a. die Deutsche Julia Dietze für die weibliche Hauptrolle), Hollywoodstar Udo Kier als Mond-Führer und Comedy-Sternchen Julia Dietze als prototypisch blonde-SS-Geheimagentin.
Die Concept Art ist atemberaubend: Nie sah man schönere, detailreichere Vril-Flugscheiben und Haunebu-Raumschiffe, deren Tausende zufolge der "Iron Sky"-Hintergrundstory im Jahr 2018 die längst geplante Eroberung der Weltherrschaft abschliessen sollen. Dass sich aus dieser konzeptkünstlerischen Opulenz ein Wallfahrtsfilm für verirrte Neonazis entwickeln könnte, muss man gar nicht befürchten. Schon im ersten Trailer zum Movie wird das martialische Weltraumepos durch eine Taube konterkariert, die dem kühn zum Horizont blickenden Reichsadlerstandbild direkt mal auf den Kopf kackt. Ah, da gehts lang.
Rückschritt durch Technik
Wer mit dem bizarren Mythos der Reichsflugscheibe unvertraut ist, möge sich eine unterhaltsame Stunde mit der Suchmaschine seines Vertrauens gönnen und mit Begriffen wie "Vril" und Haunebu" jonglieren. Die damit zu findenden verschwommenen UFO-Bilder kennen wir zwar schon aus anderen Zusammenhängen, nicht aber die dazugehörige bizarre Geschichte von Reichsuntertassenflugzeugen, die wegen der zugrundeliegenden Irgendwas-Kraft keine Kurven, sondern nur saubere, ordentliche Winkel von 90, 45 und 22,5 Grad fliegen konnten. Jawoll. Unverzichtbar in diesem Zusammenhang auch die Geschichte vom legendären (nicht) Neu-Schwabenland, dem angeblich vom deutschen Forschungsschiff MS Schwabenland 1938/39 für Reich und Führer in Besitz genommenen antarktischen Atlantikküstenzipfel (heute unter norwegischer Verwaltung).
Daraus montieren die Persiflagen-erfahrenen Film-Finnen von Energia Productions (siehe "Star Wreck") eine atemberaubend hysterische Parallelwelt-Klamotte. Der Plot: Die Nazis gründen im Angesicht der bevorstehenden grossen vaterländischen Niederlage im Jahr 1945 eine geheime Basis an der antarktischen Atlantikküste (a.k.a. "Neuschwabenland") und verstärken diese mit Hilfe von Ubooten und Vril-Flugmaschinen (a.k.a. "Reichs-Flugscheiben". Dort werden die fliegenden Untertassen weiterentwickelt (a.k.a. "Haunebu") und Mensch und Material auf einen noch geheimeren Stützpunkt auf der Mondrückseite geflogen. Originalton: "Ein kleinerr Schrritt fürr einen Mann, aberr ein grrosser Schrritt fürr das Vaterrland!" Dort bauen die Raumnazis eine riesige unter-lunare Basis ("Schwarze Sonne") und eine Invasionsflotte, um im Jahr 2018 zurückschlagen und die Erde doch noch erobern zu können. Wie ja schon ursprünglich geplant, im Führerbunker 1.0. Allein schon der Plot ist fantastisch, ja mondsüchtig, und ich kann es kaum erwarten, den Film endlich zu sehen.
Aufmerksamkeitsökonomie pur: Gegen Raumnazis
Die Propaganda so erstklassig, wie man es von einem "Nazis auf dem Mond"-Film nur erwarten kann. Hier muss man der finnischen Film-Crew gratulieren: Sie machen alles richtig. Regelmässige, überzeugende Videos auf Youtube ("Signal"). Zeitungsjungen mit "Nazis on the Moon"-Schlagzeile vor dem Bundestag anlässlich der diesjährigen Berlinale. Der Titelsong mit Videomaterial dabei, zum Remixen, unter CreativeCommons-Lizenz downloadbar. "War Bonds", bestehend aus vorab bezahlter Fanartikelkiste mit DVD und lustigen Mondnazi-Items drin, zur Unterstützung der Produktion. T-Shirts, Mützen, Plakate, und Aufnäher "Gegen Raumnazis", letzterer für drei Euro im Webshop. Also die ganze Trickkiste der Aufmerksamkeitsökonomie, mit Blog, Pflege des Fandoms und reichlich viraler Selbstdarstellung durch die Filmemacher. So zeitgemäss möchte man Vermarktung auch gerne von alteingesessenen Medienfirmen erleben, aber das mag ein unerfüllbarer Wunsch bleiben.
Zurück zur Eingangsfrage, die in Kurzform etwa lautet: "Darf man sowas?". Plus der Folge-Unterstellung: "Muss sowas nicht zwangsläufig in die Hosen gehen?" - wie zahlreiche halb-, dreiviertel- oder ganz peinliche Nazi-Klamotten a la "U-900" illustrieren. Die Antwort in Kurzform: "Muss man sogar". Wenn man einen sehr, sehr trockenen Humor hat, den wir unseren neuen finnischen Freunden einmal wohlwollend unterstellen wollen, muss man sich einfach früher oder später der Aufgabe stellen, die bizarre, todesverliebte Nazi-Esoterik in Form eines 90minütigen Scifi-Knallers der Lächerlichkeit preiszugeben. Keine Kleinigkeit. Eher eine Herausforderung, an die sich in den letzten 54 Jahren niemand sonst herangewagt hat. Da bleibt nur noch, den Mytho-Nauten um Regisseur Timo Vuorensola und Samuli Torssonen viel Glück zu wünschen. Das Ergebnis ist dann, eher nächstes Jahr, Gegenstand einer Rezension.