Neo-Faschistin Meloni: Trotz radikaler Rhetorik auf US-, Nato- und EU-Linie
Seite 2: Auf Kollisionskurs?
Melonis offensichtliche Vorsicht und Zurückhaltung stehen jedoch im Widerspruch zu den Versprechen, die sie den Wählern vor ihrer Wahl gegeben hat, was sie möglicherweise auf Kollisionskurs mit ihrer eigenen Wählerschaft bringt.
So hatte sie beispielsweise versprochen, eine "Seeblockade" zu errichten, um die Boote mit Migranten und Asylbewerbern abzuwehren, die aus Nordafrika nach Italien kommen. Stattdessen verpflichtete sich die EU, Tunesien dafür zu bezahlen, dass es seine Grenzen verschärft, um die Ausreise von vornherein zu verhindern.
Nun ist auch diese Vereinbarung nicht mehr in Sicht. Melonis Innenministerium berichtet, dass sich die Zahl der Einreisen auf dem Seeweg seit 2022 fast verdoppelt und seit 2021 fast verdreifacht hat.
Auch an der wirtschaftlichen Front sieht es für Meloni nicht besser aus. Viele ihrer Wähler wurden in dem Glauben gelassen, dass ihre Regierung eine 2011 durchgeführte Reform des Rentensystems rückgängig machen würde und sie früher in Rente gehen könnten.
Doch Finanzminister Giancarlo Giorgetti sagt nun, dass es doch keine umfassende Reform des Rentensystems geben wird. Im Gegenteil, er hat gewarnt, dass angesichts des prognostizierten Anstiegs der Gesamtausgaben für die Renten um fast acht Prozent im Jahr 2023 stattdessen eine strenge Kontrolle der öffentlichen Ausgaben unumgänglich sei.
Rechtspopulistische Parteien werden in ganz Europa zunehmend zu Regierungsparteien. Sie unterliegen jedoch den gleichen äußeren Zwängen wie jede andere Regierung auch.
Im Falle Italiens muss die Regierung fiskalische Zurückhaltung üben, um die Finanzmärkte bei Laune zu halten, und sie weiß, dass eine gute Beziehung zur EU-Kommission für ihren Erfolg entscheidend ist.
In Anbetracht des Ausmaßes und der Geschwindigkeit, mit der die im Wahlkampf 2022 gemachten Versprechungen nun auf Eis gelegt werden, läuft Melonis Regierung jedoch Gefahr, bei den rechten Wählern den Eindruck zu erwecken, sie würde nur reden und nichts tun. Das stellt Meloni vor ein Dilemma.
Angesichts der Unbeständigkeit der Wahlen in Italien kann sie es sich auf keinen Fall leisten, ihre neu gewonnenen Anhänger als gegebene Klientel vorauszusetzen.
Der Artikel erscheint in Kooperation mit The Conversation. Das englische Original finden Sie hier. Übersetzung: David Goeßmann.