Neonikotinoide: Das lukrative Geschäft mit den Ackergiften

Ohne Bienen könnte die Menschheit sehr schnell alt aussehen. Foto: NiklasPntk auf Pixabay (Public Domain)

Über Importfrüchte gelangen die bei uns verbotenen Ackergifte wieder zurück in die EU. Währenddessen erweist sich das neue Insektenschutzgesetz als zahnloser Tiger

Rund 90 Prozent aller Ackerböden in Deutschland werden mit Ackergiften gespritzt. Glaubt man den Herstellern, sind die erlaubten Gifte für Bienen ungefährlich. Neonikotinoide allerdings gehören zu den giftigsten Pestiziden überhaupt. Jahrelang forschte der inzwischen verstorbene Toxikologe Henk Tennekes zur Wirkung von Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid auf Bienen und andere Insekten. Ihm und anderen Wissenschaftlern ist es zu danken, dass diese drei Neonikotinoide 2018 in der EU endgültig verboten wurden.

Selbst von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) wird das Sterben bestäubender Insekten inzwischen als Bedrohung für die weltweite Ernährungssicherheit wahrgenommen. Trotzdem werden die von Syngenta produzierten Wirkstoffe Imidacloprid von Bayer, Clothianidin (Bayer, BASF) und Thiamethoxam in Länder außerhalb der EU verkauft. Auf den Äckern ausgebracht, gelangen die Neonikotinoide letztendlich über Importfrüchte wie Mais, Soja, Mangos und Avocados wieder zurück nach Europa.

Das ergaben jüngere Recherchen der Schweizer Nichtregierungsorganisation Public Eye sowie einer britischen Greenpeace-Gruppe. Demnach wurde von September bis Dezember 2020 ein beabsichtigtes Exportvolumen von rund 3900 Tonnen Neonikotinoid-Produkten bei den Behörden gemeldet. Glaubt man Carla Hoinkes von Public Eye, so reicht diese Menge aus, um die Agrarfläche Frankreichs komplett einzusprühen.

Demnach ist der Agrochemie-Konzern Syngenta mit 3426 Tonnen Thiamethoxam-Produkten der mit Abstand größte Exporteur aus Europa, gefolgt von Bayer mit 137 Tonnen Imidacloprid- und Clothianidin-Produkten sowie BASF mit 95 Tonnen Clothianidin. Hergestellt in Belgien, Frankreich und Deutschland, gehen die Produkte nach Russland, in die Ukraine, nach Argentinien und in den Iran.

Der mit Abstand wichtigste Abnehmer jedoch ist Brasilien. Ausgerechnet das Land, in dem rund 20 Prozent der weltweiten Biodiversität vorkommen, will seine Agrarexporte künftig noch steigern. In nicht wenigen Empfängerstaaten werden die Anwendungsbestimmungen für Pestizide oft weniger streng gehandhabt als in Europa.

Der Bayer-Wirkstoff Imidacloprid bildet Stoffwechselprodukte, die sowohl auf das Nervensystem von Insekten, als auch auf menschliche Nervenzellen wirken, so lautet das Ergebnis einer aktuellen Studie einer Gruppe internationaler Wissenschaftler.

Es könnte sein, dass die Mengen, die über die normale Ernährung aufgenommen würden, bereits Auswirkungen im menschlichen Nervensystem zeigen - ähnlich wie bei Nikotin - erklärt Mitautor Prof. Marcel Leist von der Universität Konstanz. Besonders kritisch bewerten die Forscher mögliche Folgen bei der Gehirnentwicklung von Ungeborenen bzw. Neugeborenen.

Bayer hingegen betont, die Substanzen würden seit vielen Jahren sicher verwendet. Bayer-Sprecher Alexander Hennig verweist auf die von der EU in diesem Jahr gewährten Notfallzulassungen im Zuckerrübenanbau. Für das nächste Jahr wies das zuständige Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) die beantragte Notfallzulassung für den Rübenanbau zwar zurück. Für ein Export-Verbot von Neonikotinoiden gibt es allerdings keine rechtliche Möglichkeit, wie es heißt. Stattdessen wird auf die Gesetze der Empfängerländer verwiesen. Allein Frankreich kündigte ein Export-Verbot von verbotenen Pestiziden für 2022 an.

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