Netanjahu gewinnt - aber wahrscheinlich keine absolute Mehrheit
In Israel wird nach der dritten Wahl innerhalb eines Jahres wohl weiter koalitionsverhandelt
Israel hat gestern eine neue Knesset gewählt. Das dritte Mal innerhalb eines Jahres, weil sich die Parteien nach den vorherigen Wahlen nicht auf die Bildung einer Koalition einigen konnten (vgl. Israel: Regierungsbildungsauftrag an Gantz, Netanjahu oder beide?). Dem derzeitigen Auszählungsstand nach konnte Ministerpräsident Benjamin Netanjahus Likud dabei mit 36 Mandaten vier der sechs Sitze zurückgewinnen, die er bei der letzten Wahl im Herbst einbüßte.
Für die dem Likud-Lager zugerechnete sephardisch-religiöse Schas-Partei bleibt es voraussichtlich bei neun Mandaten - und das nationalreligiöse Bündnis aus Naftali Bennetts HaBajit HaJehudi ("Jüdisches Zuhause") und Uri Ariels Tkuma ("Wiedergeburt") verliert entweder leicht auf sechs oder bleibt bei sieben. Auch die aschkenasisch-religiöse Partei Jahadut HaTorah HaMeukhedet ("Vereinigtes Thora-Judentum") gibt entweder einen Sitz auf sieben ab oder behält seine acht.
Gantz' Verbündete verlieren nach Zusammenschluss deutlich
Die vom ehemaligen Heeresoberbefehlshaber Benny Gantz angeführte Liste Kachol Lavan ("Blau-Weiß"), die schon im Herbst zwei Sitze verlor, büßt ein weiteres ihrer damals 33 Mandate ein. Ihr engster Partner, das um die linksliberale HaMahaneh HaDemokrati ("Demokratische Union") erweiterte Bündnis aus der sozialdemokratischen Mifleget HaAwoda HaIsra’elit ("Israelische Arbeitspartei") und der Lebenshaltungskostenminderungspartei Gesher ("Brücke"), stürzt sogar von elf auf sechs Sitze ab.
Von 13 auf 14 oder 15 Sitze zulegen kann dagegen die al-Qa'imah al-Mushtarakah, die "Vereinigte Liste". Sie besteht aus vier arabischen Parteien: Aus der sozialistischen al-Jabhah ("die Front"), die in den 1990er Jahren Jitzchak Rabin duldete (ohne jedoch seiner Koalition beizutreten), aus der arabisch-nationalistischen al-Hareket al-Arabiyet Liltagyir, der "Arabischen Bewegung für Erneuerung", aus der islamistischen al-Qa'ima al-Arabiyya al-Muwahhada und aus dem noch umstritteneren at-Tadschammu al-Watani ad-Dimuqrati ("Nationales Demokratisches Bündnis"). Letztere lehnt auch Gantz ab, während ihn die anderen drei arabischen Parteien wählen würden, um eine erneute Amtszeit von Benjamin Netanjahu zu verhindern.
Lieberman oder Gantz als Mehrheitsbeschaffer?
Nachdem ihm Exit Polls und Teilergebnisse diesen deutlichen Zugewinn an Stimmen prognostizierten sprach der aktuell ohne Parlamentsmehrheit amtierende Ministerpräsident in der Nacht von einem "Riesensieg", der auch ein "enormer Sieg für Israel" sei - während sein Herausforderer Benny Ganz bedauerte, solche Ergebnisse würden "Israel nicht zurück auf den richtigen Weg bringen". Nun will Netanjahu nach eigenen Angaben "eine starke nationale Regierung einrichten, die gut für Israel ist". Ändert das wegen Nachzählungen erst für nächste Woche erwartete amtliche Endergebnis nichts Wesentliches an der Stimmen- und Mandatsverteilung, fehlen ihm und seinen festen Partnern dafür jedoch noch Sitze.
Die könnten beispielsweise aus der "Russenpartei" seines ehemaligen Koalitionspartners Avigdor Lieberman kommen, dessen Jisra'el Beitenu ("Unser Hause Israel") voraussichtlich zwei der beim letzten Mal dazugewonnenen drei Mandate wieder verlor. Um eine Mehrheit mit Liebermann und den religiösen Parteien zu schmieden, müsste Netanjahu jedoch gelingen, was ihm in den Koalitionsverhandlungen nach den beiden Wahlen davor nicht gelang: Einen Kompromiss zwischen Liebermans Wunsch nach dem Wegfall der Wehrdienstbefreiung für Haredim ("Gottesfürchtige") und der strikten Ablehnung dieses Wunsches in den religiösen Parteien zu finden.
Die Alternative dazu wäre, dass sich ein durch das Wahlergebnis in seinen Erwartungen gestutzter Gantz auf das einlässt, was er vorher ausschloss, und Netanjahu trotz des am 17. März beginnenden Korruptionsprozesses gegen den Likud-Politiker als Ministerpräsidenten akzeptiert. Manche Beobachter interpretieren bereits Gantz' gestern Nacht getätigte Äußerung, Kriminalverfahren würden "nur im Gericht" und "unabhängig von den Wahlergebnissen oder anderen politischen Vorgängen" entschieden, als Bereitschaftssignal in diese Richtung.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.