Neue Erkenntnisse über "Long Covid"
Krankenkasse Barmer meldet tausende Betroffene, ein Forschungsteam weist langanhaltende Veränderungen im Blut nach. Ergotherapeuten nennen Behandlungsmöglichkeiten
"Long Covid" war bislang oft mit ähnlichen Stigmata verbunden wie eine Depression: Betroffene fühlen sich ständig erschöpft und antriebslos, wenn auch aus anderen Gründen - und bei einem gewissen Mangel an Sensibilität kommt vor, dass Vorgesetzte oder sogar Angehörige das Krankheitsbild mit Faulheit verwechseln. Vor allem, wenn die vorangegangene Covid-19-Infektion scheinbar milde verlaufen ist oder im akuten Stadium gar nicht als solche bemerkt wurde. Mit Atemnot, Müdigkeit und Kopfschmerzen können "Genesene" noch ein halbes Jahr und länger zu kämpfen haben.
Tausende Menschen leiden in Deutschland nach einer Covid-19-Erkrankung an solchen Langzeitfolgen, wie die zweitgrößte deutsche Krankenkasse Barmer in einer Auswertung von Versichertendaten festgestellt hat. Allein zwischen November 2020 und März 2021 waren demnach mehr als 2.900 Versicherte von einem Long- beziehungsweise Post-Covid-Syndrom betroffen, wie an diesem Mittwoch unter anderem die ARD-tagesschau berichtete.
Nachweis langanhaltender Veränderungen im Blut
Allerdings könnten sich Diagnose- und Therapiemöglichkeiten in naher Zukunft verbessern. Am 1. Juni hatte ein Forschungsteam im englischsprachigen Fachmagazin Biophysical Journal einen Artikel veröffentlicht, der nahelegt, dass die Erkrankung schon bald standardmäßig durch Bluttests nachgewiesen werden könnte. Eine Zusammenfassung der Forschungsergebnisse erschien am Montag auch auf der Homepage des beteiligten Max-Planck-Zentrums für Physik und Medizin in Erlangen (MPL). Demnach verändert eine Coronainfektion die biomechanischen Eigenschaften von roten und weißen Blutkörperchen bei einem Teil der Betroffenen monatelang - und messbar.
Das Post-Covid-19-Syndrom, kurz Long Covid, sei zwar "noch immer nicht richtig verstanden", klar sei aber, dass im Zuge einer Erkrankung oft die Blutzirkulation beeinträchtigt sei und der Sauerstofftransport im Blut nur eingeschränkt funktioniere. Daher habe ein Team um Markéta Kubánková, Jochen Guck und Martin Kräter vom Max-Planck-Zentrum für Physik und Medizin, dem Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts, der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg sowie dem Deutschen Zentrum für Immuntherapie die mechanischen Zustände von roten und weißen Blutkörperchen untersucht.
Um die Veränderungen der Zellen messen zu können, hatte das Team Blut von 17 akut an Covid-19 erkrankten Personen, 14 "Genesenen" und 24 gesunden Personen untersucht und dafür ein selbst entwickeltes Verfahren namens Echtzeit-Verformungszytometrie (real-time deformability cytometry, RT-DC) genutzt. Dabei werden die Blutzellen durch einen engen Kanal geleitet, was zur Streckung von Leukozyten (weißen Blutkörperchen) und Erythrozyten (roten Blutkörperchen) führt. Eine Hochgeschwindigkeitskamera fotografiert jede einzelne Zelle durch ein Mikroskop - eine Software ermittelt dann den Grad der Verformung. Die dabei gemessenen Veränderungen waren laut der Veröffentlichung langanhaltend und deutlich - worin die Ursache für typische Long-Covid-Symptome vermutet wird.
Schritte zurück in den Alltag
Der Deutscher Verband Ergotherapie e.V. (DVE) hat unterdessen ein Behandlungskonzept entwickelt, um Betroffene schrittweise zurück in den Alltag zu begleiten, ohne deren Belastungsgrenzen zu ignorieren. Dazu gehört unter anderem der Ratschlag, ein "Energietagebuch" zu führen und im ersten Schritt Aktivitäten zu priorisieren.