Neue Partei von Sahra Wagenknecht: Welches Programm sie sich geben sollte

Die Grundlagen einer Partei für Gerechtigkeit und Frieden müssen geklärt werden, meint unser Autor. Was er von der neuen Kraft erwartet.

Die Gründung einer neuen Partei mit Sahra Wagenknecht als zentraler Person steht Anfang 2024 bevor. Ich halte eine solche Partei für nötig und für eine Chance, die politische Landschaft in Deutschland neu in Bewegung zu bringen, soziale und friedenspolitische Positionen zu stärken und insbesondere auch der AfD etwas entgegenzusetzen.

Es muss eine Partei sein, die in populärer und verständlicher Weise die Menschen anspricht und für soziale Sicherheit und Gerechtigkeit, Frieden und internationale Zusammenarbeit, Freiheit und Demokratie sowie Verantwortung gegenüber der Natur und künftigen Generationen steht.

Das politische Spektrum, das eine neue Partei ansprechen und dem sie eine neue politische Vertretung geben muss, ist anders und breiter als das der bisherigen linken Parteien. Ulrich Reitz hat dazu Richtiges geschrieben. Der Begriff "links" wird mittlerweile in erheblichem Maße mit Positionen und Haltungen verbunden wird, die viele dieser Menschen abschrecken, ähnliches gilt für "sozialistisch".

Es ist daher klar, dass sich eine neue Partei nicht als "links" oder auch als "sozialistisch" öffentlich präsentieren sollte, wenn sie erfolgreich sein will. Zugleich muss sie aber die linke und sozialistische Tradition der Arbeiterbewegung in sich aufheben und darf sich davon nicht distanzieren. Sie muss in der Sache im traditionellen Sinne sozial-links sein. So war es ja auch bei der WASG.

Viele, die auf die neue Partei warten, sie aktiv unterstützen wollen oder dafür ansprechbar sind, verstehen sich weiterhin als Linke und als Sozialistinnen oder Sozialisten und waren oder sind noch in der Partei Die Linke oder in anderen linken Parteien politisch aktiv.

Viele haben den "Aufruf für eine populäre Linke" unterstützt. Ich halte für notwendig, dass möglichst viele vernünftige Leute mit fundierten, auch marxistisch qualifizierten Positionen und politischen Erfahrungen aus der Linken und anderen sozial orientierten Parteien, den Gewerkschaften und anderen Verbänden und Vereinen sowie aus Kultur, Medien und Wissenschaften in einer neuen Partei mitmachen oder sie in ihrem Umfeld unterstützen.

Ohne einen "harten Kern" solcher Personen in Funktionen und möglichen Mandaten der Partei und ohne ihre Verbindungen und Wirkung als Multiplikatoren in den gesellschaftlichen Strukturen und der Öffentlichkeit ist eine erfolgreiche und politisch vernünftig orientierte Partei auf die Dauer nicht zu machen.

Sahra Wagenknecht hat selbst in Veröffentlichungen und Gesprächen mehrfach politische Schwerpunktsetzungen, Positionen und Orientierungen geäußert, die mir sinnvoll erscheinen. Vier Politikfelder sollten zentral für das politische Profil der neuen Partei sein:

Ralf Krämer war Mitinitiator der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) und später im Parteivorstand der Linkspartei.

1. für wirtschaftliche Vernunft und die Verteidigung der industriellen Basis und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Deutschlands. Das ist die Basis für hohen Wohlstand für möglichst viele, sichere Arbeitsplätze und steigende Löhne. Es ist auch die Grundlage für einen erfolgreichen Umbau in Richtung Klimaneutralität.

2. für einen handlungsfähigen und effizienten Staat, der soziale Sicherheit und Arbeitnehmerrechte gewährleistet, soziale Gerechtigkeit anstrebt und Armut bekämpft. Nötig sind Investitionen in die Zukunft, leistungsfähige und bezahlbare Infrastrukturen im Verkehr, Energieversorgung, gute Bildung. Es geht um die Interessen der breiten Mehrheit der Bevölkerung und um gleiche Rechte und Chancen für alle, die dauerhaft hier leben.

3. für Freiheit und offene Rede, Schutz vor Bevormundung, gegen Überwachung, Kontrolle und Manipulation, sei es durch Regierungen, Massenmedien oder Konzerne. Nur so und wenn die politische Macht und Einflussnahme der großen Unternehmen beschränkt wird, kann Demokratie gedeihen.

4. eine Politik für Frieden, Diplomatie, internationale Zusammenarbeit, Interessenausgleich und Entspannung, gegen das Schüren von Konflikten, gegen Krieg und Wirtschaftskrieg, Aufrüstung und neue Blockkonfrontationen.

Gegen Versuche der Diffamierung als "rechts"

Um die notwendige Breite, Ausstrahlungskraft und Verankerung zu erreichen ist es erforderlich, dass diese politischen Zielsetzungen mit verschiedenen Ausprägungen und Konkretisierungen vorgetragen werden, um verschiedene Gruppen anzusprechen und einzubinden. Zugleich muss Versuchen, die neue Partei als "rechts" oder "AfD-nah" zu diffamieren, entgegenwirkt werden.

Die AfD muss klar und sachlich als rechtsextreme, antisozialstaatliche, militaristische und menschenfeindliche Partei kritisiert werden. Die hauptsächliche Abgrenzung sowohl von rechtsextremen wie von anderen rechten und neoliberalen Positionen muss sich allerdings durch die inhaltlichen Positionen der neuen Partei und ihre politisch-inhaltliche Auseinandersetzung mit anderen ergeben, dazu unten mehr.

Es ist erforderlich, dass auch traditionelle Anliegen linker, sozialistischer und marxistischer Kräfte und eine grundsätzliche Kapitalismuskritik in dieser Partei aufgegriffen und aufgehoben werden. Die daran orientierten Personen müssen sich in ihrem Rahmen betätigen und sie mitgestalten können.

Die neue Partei muss eine Verbindung mit der linken und sozialistischen Tradition der Arbeiterbewegung herstellen und den von dort kommenden oder sich neu bewusst dort einordnenden Menschen eine neue politische Heimat bieten. Dies ist auch unverzichtbar um eine starke Verankerung unter gewerkschaftlich Aktiven zu erreichen.

Inhaltlich und bei der öffentlichen Darstellung von Positionen der neuen Partei treten vor dem Hintergrund des hier Dargestellten eine Reihe von politisch-inhaltlichen Widersprüchen auf, mit denen sinnvoll umgegangen werden muss. Teils sind Gratwanderungen erforderlich. Einige möchte ich hier kurz ansprechen:

• Schutz der Industrie und wirtschaftlichen Grundlagen muss abgegrenzt werden von neoliberalen oder anderen kapitalorientierten Forderungen etwa nach ungezielten Steuersenkungen oder Subventionen für Unternehmen oder Schwächung von Schutzregelungen für Arbeitnehmer oder die Umwelt unter dem Label des "Bürokratieabbaus" und der Wirtschaftsförderung. Es geht um eine öffentlich und sozial regulierte Industrie- und Dienstleistungspolitik, im Zentrum stehen öffentliche Investitionsinitiativen.

Und vernünftige und erfolgreiche Wirtschaftspolitik muss sich um die gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge und Bedingungen kümmern, ausreichende private und öffentliche Nachfrage, eine vernünftige Zinspolitik, die die Wirtschaft nicht abwürgt, und Regulierung der Finanzmärkte usw.

• Sicherung der Industrie darf nicht bedeuten, deren Behauptungen und Forderungen von deren Lobby kritiklos gegenüberzustehen und das problematische deutsche Entwicklungsmodell der übermäßigen Exportüberschüsse, die zu Lasten anderer Länder Europas gehen, erhalten zu wollen. Es ist und bleibt ökonomisch und sozial sinnvoll, einen allmählichen und gesteuerten Abbau übermäßiger Industrie- und Exportorientierung zu vollziehen.

In den öffentlichen und privaten Dienstleistungen liegen wichtige Bedarfs-, Beschäftigungs- und Wertschöpfungsfelder, die auszubauen sind. Zugleich muss international solidarisch die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in anderen Ländern unterstützt werden, Zusammenarbeit zum Nutzen aller gestärkt und dürfen nicht andere Ländern als Gegner behandelt und mit Sanktionen überzogen werden.

• Die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung der Unternehmen, insbesondere der kleinen und mittleren, und die Einbeziehung von Unternehmern und Mittelstand im Rahmen der neuen Partei, darf nicht die grundsätzliche Parteilichkeit für die abhängig Beschäftigten und ihre Familien untergraben. Auch wenn der Hauptfokus gegen das Finanzkapital und internationale Großunternehmen, vornehmlich US-basierte Fonds und Digitalkonzerne, gerichtet ist, besteht ein allgemeiner Klassengegensatz zwischen Kapital und Arbeit, auch in KMU.

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