Neue US-Linke: Mit altem Gepäck unterwegs
Ist Ilhan Omar eine Antisemitin? Ein Kommentar
Die demokratische Kongressabgeordnete Ilhan Omar kann offenbar nicht anders, als ab und zu dummes Zeug über Juden zu erzählen. Das sollte die neue Linke, die sich bei den Demokraten etabliert, mehr als bisher interessieren.
"Israel hat die Welt hypnotisiert. Möge Allah die Menschen erwecken und sie die Übel erkennen lassen, die von Israel ausgehen." Als die in Mogadischu geborene US-Amerikanerin Ilhan Omar 2012 diesen religiös verbrämten Unfug auf Twitter äußerte, war sie noch keine Politikerin, sondern Ernährungsberaterin für Kinder, angestellt beim Bildungsministerium von Minnesota. Weil Israel, resp. das Weltjudentum, anscheinend doch nicht alles kontrolliert, änderte der Tweet an ihrem steilen politischen Aufstieg nichts.
Über den Stadtrat von Minneapolis und das Repräsentantenhaus von Wisconsin führte sie der Weg bei den letztjährigen Midterm-Wahlen in den US-Kongress. Kurz vorher war sie von der Presse an ihren Tweet von 2012 erinnert worden. Sie versuchte ihn mit ihrer Emotionalität angesichts israelischer Militärschläge zu erklären und fügte hinzu, sie wisse gar nicht, wie Juden sich von dem Vorwurf getroffen fühlen könnten, Israel sei ein demagogischer, "hypnotisierender" Übeltäter und Ränkeschmied.
Nachdem Bari Weiss ihr im Januar 2019 erläutert hatte, dass ihre Bemerkungen knietief in jahrhundertealtem Antisemitismus steckten, entschuldigte sie sich (ebenfalls per Twitter), "unbewusst" ein antisemitisches Klischee benutzt zu haben. Kurze Zeit später legte sie nach und verdächtigte jüdische Kongressabgeordnete der Korruption durch das American Israel Public Affairs Committee (AIPAC), wofür sie sich ebenfalls auf zweideutige Art entschuldigte.
Bald darauf bezichtigte sie die gleichen jüdische Lobbygruppen, "gespaltene Loyalitäten" hervorzurufen, ein antisemitisches Klischee, das sich analog schon in der zaristischen Hetzschrift "Die Protokolle der Weisen von Zion" findet. Zur den bösartig-aggressiven Israelfeinden der "BDS-Bewegung" hat sich Ilhan Omar schwankend geäußert.
Mal verglich sie die moderne Kauft-nicht-bei-Juden-Truppe mit Aktivisten gegen die einstige südafrikanische Apartheid, mal hielt sie sie für Friedensfeinde, dann wiederum äußerte sie sich unterstützend, trotz gewisser Zweifel an der Fähigkeit von BDS, eine "dauerhafte Lösung" herbeizuführen.
Wenn sie sich nicht an Israel abarbeitet, bezeichnet sich Ilhan Omar als eine demokratische Sozialistin. Sie fordert einen Mindestlohn von 15 Dollar pro Stunde, setzt sich für die Anliegen der LGBT-Community ein, fordert ein gebührenfreies Studium für Studierende, deren Eltern unter 125.000 Dollar im Jahr verdienen, und will Medicare für alle.
Bernie Sanders verteidigt sie
Es sei erwähnt, dass sie sich in ihrer vergleichsweise jungen politischen Karriere schon mehrfach gegen sexistische Attacken aus den Reihen der somalisch-amerikanischen Community hat wehren müssen. Man darf annehmen, dass ihre linken Positionen und ihre dunkle Hautfarbe die Gründe dafür waren, dass sie auf die Todesliste des rechtsradikalen Möchtegern-Attentäters Christopher Hasson geriet.
Der altbekannte US-Nazi David Duke wiederum fand im Februar 2019 die Tendenz Ilhan Omars zu antisemitischen Verschwörungstheorien sehr erfrischend.
Während sowohl Juden als auch Moslems aus Minnesota ihre Frustration über die antisemitischen Provokationen Ilhan Omars ausgedrückt haben, halten die bekannten Akteure der demokratischen Progressives die Hand über sie. Elizabeth Warren, Kamala Harris und Bernie Sanders haben sie gegen den Vorwurf des Antisemitismus verteidigt.
Das ist nun allerdings interessant. Die demokratischen Sozialisten rechnen sich nämlich bei den Wahlen im nächsten Jahr große Chancen aus, nachdem der Golf-Amateur im Weißen Haus schon bei den Midterms eine empfindliche Niederlage einstecken musste.
Diese Hoffnungen mögen schlecht begründet bis völlig illusionär sein - Lars Quadfasel hat sie unter dem Titel "Ein Gespenst geht um in Amerika" in Konkret (4/2019) ziemlich zerlegt - aber es ist relevant, wenn die Hoffnung Leute wie Ilhan Omar einschließt, die ab und an Beifall von David Duke einheimst.
Die Tendenz geht interessanterweise über die USA hinaus. Jeremy Corbyn, die große, geriatrische Labour-Hoffnung für das zerstrittene Königreich, hat in seiner Partei derart den Antisemitismus einreißen lassen, dass im Februar neun Labour-Parlamentsabgeordnete die Segel strichen und jetzt als "unabhängige Gruppe" in Westminster weiterwerkeln.
Deutschland hat selbstverständlich eine Menge Antisemitismus in der Linken zu bieten, der sich als "Israelkritik" tarnt; das geht über das ganze Spektrum von der SPD bis zu "Marx 21". Man denke nur an Martin Schulz, der die infame "Brunnenvergifter"-Rede von Mahmud Abbas seinerzeit "inspirierend" fand oder an die ständigen Einladungen bestimmter linker Gruppen an palästinensische Judenhasser wie Rasmea Odeh und Ahed Tamimi.
Gesinnungsmode und destruktive Bündnisse
Die Frage, warum sich Leute, die sich als Linke begreifen, auf solche Spielchen einlassen, ist deprimierend leicht zu beantworten. Da gibt es einmal die, und es sind nicht zu wenige, die auf Geschmack Wert legen und ihren Judenhass lieber links einkleiden als rechts.
Zur Gesinnungsmode gehören alle argumentativen Pirouetten, die den unauflösbaren Widerspruch zwischen der allgemeinen Ablehnung des Rassismus und der Förderung des tödlichsten aller Rassismen kaschieren sollen - wie das Gequatsche vom "Apartheidstaat Israel", von dem "israelischen Konzentrationslager in Gaza" und so weiter.
Und dann gibt es da die Strategen, die den Mobilisierungseffekt des Antisemitismus als "Sozialismus der dummen Kerle" mitnehmen wollen oder im Antisemitismus wohlfeile Bündnisoptionen in Bezug auf die muslimisch geprägte, migrantische Community sehen. Ob sie nun eine echte Antisemitin ist oder nicht - Ilhan Omar verkörpert diese destruktiven Bündnisoptionen wie kaum jemand sonst.