Seite 2: Krisengipfel

Das wurde durch die Teilnahme Assads an dem gemeinsamen Krisengipfel der Organisation für Islamische Zusammenarbeit und der Arabischen Liga zum Thema Gaza am 11. November in Riad unterstrichen.

"[Assad] versucht, sich wieder als Mitglied des Clubs zu positionieren, nachdem er zwischen 2011 und 2022 ausgeschlossen und wie ein Paria behandelt wurde", sagte Karim Emile Bitar, der an der Saint-Joseph-Universität in Beirut internationale Beziehungen lehrt, in einem Interview mit Responsible Statecraft.

Der Gipfel in Riad war das zweite Mal, dass Assad vor der Arabischen Liga sprach, seit sein Land im Mai wieder in die Gruppe aufgenommen wurde. In seiner Rede in der saudischen Hauptstadt warnte er, dass das Versäumnis der arabischen Staaten, konkrete Maßnahmen gegen Israel zu ergreifen, den Gipfel seiner Bedeutung berauben würde.

Assad erklärte außerdem, dass kein Land der Region Tel Aviv in einen "politischen Prozess" einbeziehen sollte, solange Israel nicht einem Waffenstillstand im Gazastreifen zustimmt.

Abgesehen von der Ironie, die Assads Rede darstellte – schließlich wurden im laufenden Krieg in dem unseligen Land Syrer, darunter auch Kinder und Zivilisten, mit chemischen Waffen angegriffen – [erwähnte er] nicht, dass seine Streitkräfte Krankenhäuser zerstörten und Palästinenser belagerten und bombardierten, die zuvor in Syrien Zuflucht gesucht hatten,

… so Kechichian.

Bedrohungen für Syrien

Während der Krieg in Gaza Assads Bemühungen befördert, seinem Paria-Status zu entkommen, insbesondere bei den arabischen Staaten, birgt er auch Gefahren. Da Damaskus sich darauf konzentriert, die westlichen Sanktionen zu umgehen und ausländische Investitionen für den Wiederaufbau Syriens anzulocken, ist Assads Regierung besonders besorgt über die mögliche Eskalation des Krieges zu einem größeren regionalen Konflikt.

"Assad sucht verzweifelt nach ausländischen und inländischen Investitionen", so Landis.

Die Syrer brauchen dringend Stabilität. Dieser Krieg erinnert jeden daran, dass es riskant ist, im Nahen Osten zu investieren. Syrien ist zum Schlachtfeld geworden, auf dem regionale Streitigkeiten ausgetragen werden,

… erklärte er gegenüber Responsible Statecraft.

Der Krieg hat die Bedeutung der vom Iran angeführten "Achse des Widerstands" im Nahen Osten und die Schlüsselrolle Syriens in dieser Achse verstärkt.

Laut Javad Heiran-Nia, dem Direktor der Persian Gulf Studies Group am Center for Scientific Research and Middle East Strategic Studies in Iran, "spielt Syrien in diesem Krieg eine zentrale Rolle für die Logistik und bietet die Hauptroute für die Lieferung von Waffen und Ausrüstung an die Hamas und die Hisbollah", sagte er gegenüber Responsible Statecraft.

Iranische Streitkräfte sind auch in Syrien präsent, und in diesem Krieg hat der Iran seine Streitkräfte in Syrien von Nordsyrien und Gebieten wie Aleppo nach Südsyrien verlegt. Daher zielen die Angriffe auf US-amerikanische Stellungen in Syrien darauf ab, die iranische Drohung gegen die USA und Israel in die Tat umzusetzen, um einerseits eine Ausweitung des Krieges auf andere Regionen zu verhindern und andererseits die Kosten für die Verstärkung der amerikanischen Streitkräfte in der Region zu erhöhen.

Die Vorsicht Israels

Angesichts der Situation Syriens als kriegsgebeuteltes Land, bei dem sich Teile seines Territoriums unter ausländischer militärischer Besatzung befinden, muss Damaskus selbst einsehen, dass es besonders anfällig für Angriffe ist.

[Assad] weiß, dass er das schwächste Glied sein könnte, wenn Israel sich als unfähig erweist, der Hamas einen schweren Schlag zu versetzen und nicht vermag, die Hisbollah im Libanon anzugreifen. Einige Syrer glauben, dass Israel versuchen könnte, das syrische Regime anzugreifen, um dem Iran einen seiner wichtigsten Verbündeten zu entziehen,

… so Bitar.

Doch die gleichen Gründe, die Israel während des syrischen Bürgerkriegs, als die Regierung in Damaskus weitaus instabiler war, dazu veranlassten, auf einen Sturz der Regierung zu verzichten, sind nach wie vor relevant.

Die Ungewissheit über ein mögliches Nachfolgeregime trug damals zur Zurückhaltung Israels bei, und dieselben Erwägungen könnten auch jetzt zu einer ähnlichen Vorsicht führen.

Der Artikel erscheint in Kooperation mit Responsible Statecraft. Das englische Original finden Sie hier. Übersetzung: David Goeßmann.