Neuseeland: 49 Tote bei Terroranschlag auf Moscheen
Der festgenommene mutmaßliche Täter aus Australien, der sich selbst als "Faschist" bezeichnet, hat sein Hassverbrechen gefilmt
Der Anschlag auf zwei Moscheen in Christchurch sei "sehr gut geplant" gewesen, sagte Police Commissioner Mike Bush bei der Pressekonferenz. Das sagte auch Premierministerin Jacinda Ardern, die wie ihr australischer Kollege Scott Morrison von einem Terroranschlag spricht. Der Hauptverdächtige, ein Endzwanzigjähriger, stammt aus Australien.
Den Sicherheitsbehörden hätten keinerlei Informationen über "die Täter", so der Polizeisprecher Bush. Auch die Premierministerin wies darauf hin, dass man nicht davon sprechen könnte, dass hier jemand "unter dem Radar durchgelaufen" sei, dass also niemand dabei war, der von Sicherheitsbehörden als gefährlich eingestuft überwacht wurde und dann durchs Netz schlüpfte, um aus Hass Muslime zu töten.
Vier Personen seien festgenommen worden, aber bis auf den Hauptverdächtigen, der sich am Samstag dem Haftrichter wegen mehrfachen Mordes stellen muss, ist noch nicht wirklich klar, was sie mit den Schüssen auf Besucher des Freitagsgebets in zwei Moscheen zu tun haben. Bekannt ist nur, dass sie der Polizei bislang nicht aufgefallen sind.
49 Tote und über 40 Verletzte nannte der Polizeisprecher als Opfer des Anschlags, der gegen 13.45 Uhr Ortszeit (01.45 Uhr MEZ) stattfand und vom mutmaßlichen Haupttäter mit einer Helmkamera gefilmt wurde und über Facebook live übertragen, mitsamt der Sirenen der herannahenden Rettungsfahrzeuge. Da wollte sich jemand inszenieren.
Bildmaterial und Manifest
In Neuseeland und Australien wurden alle möglichen Aktivitäten in Gang gesetzt, um so viel wie möglich zu löschen, was über Twitter, Facebook und 8chan verbreitet wurde: Bildmaterial von einem angeblich 17 Minuten langen Film und ein Manifest, das an den Norweger Breivik denken lässt (laut kursierenden Informationen soll es mit dem Ideologem des "Großen Austausches" zu tun haben).
Laut der Beschreibung der New York Times sei auf dem Video einiges vom Ablauf des Angriffes auf die Masjid-al-Noor-Moschee im Stadtzentrum von Christchurch zu sehen. Als bisherige Bilanz meldete der Polizeisprecher von dort 41 Tote. Laut der US-Zeitung filmt sich der Täter dabei, wie er vom Auto auf die Moschee zuläuft und schon am Eingang auf Menschen schießt. Danach ging er wohl schießend in die Moschee, wo die Besucher zum Freitagsgebet versammelt waren.
In der nächsten Szene, die die New York Times konkret aus dem Videomaterial schildert, läuft er zurück zum Auto, feuert aber zwischendrin auf dem Bürgersteig nach links und rechts. Möglicherweise um Flüchtende zu treffen. Im Auto soll er sich das nächste Gewehr geholt haben, danach lief er wieder zurück zur Moschee, um weitere Menschen zu erschießen.
"Tatsächlich ein Faschist"
Um welche Waffe es sich genau gehandelt hat, wird aus dem NYT-Bericht nicht klar. Dort ist allerdings zu lesen, dass die Waffen mit Nummern, Symbolen und Botschaften bemalt oder beschriftet waren. Der Mann hatte seinen Massenmordauftritt ganz offensichtlich sehr genau geplant. Aus seinem Manifest zitiert die Zeitung, dass der Mann "weiße nationalistische Helden" aufzählen und sich als Faschist bezeichnen würde. "Die Person, die als Faschist bezeichnet werden wird, ist tatsächlich ein Faschist."
In dem Auto wurden mehrere Waffen gefunden und Sprengstoff, weswegen es Spekulationen darüber gab, ob der Angriff unterbrochen wurde. Die genauen Umstände der Festnahme des Haupttäters wurden der großen Öffentlichkeit noch nicht bekannt gegeben.
Man kann davon ausgehen, dass der Fall noch sehr viele Spekulationen aufwirbeln wird, allein schon wegen des Materials des Täters, das im Netz nicht mehr zum Verschwinden gebracht werden kann (Nachtrag: Anscheinend kurbelt auch die IS-Medienabteilung die Rotation des Videos über Telegram an).
Von offizieller Seite hält man sich noch mit Informationen zurück, weil, wie die Regierungschefin und der Polizeivertreter betonten, die Ermittlungen noch am Laufen sind. Über die Beteiligung bzw. Nichtbeteiligung der anderen Personen in Polizeigewahrsam ist noch nichts bekannt.
Massenmord in einem friedlichen Land
Als Hintergrund interessant ist, dass in der größeren Öffentlichkeit bislang nichts Bemerkenswertes von Konflikten zwischen Muslimen und anderen Bewohnern Neuseelands zu erfahren war. 50.000 Muslime sollen dort laut Spiegel leben.
So drängt sich der Gedanke auf, dass der Massenmord an unschuldigen Zivilisten, die den Mann nicht kannten, nichts mit aktuellen konkreten Konflikten in Neuseeland zu tun hat, sondern hauptsächlich einem fanatischen hochmütigem Kopftheater, Ideologie und Hass entsprungen ist.
Neuseeland sei wegen seines Rufes zum Ziel der mörderischen Attacke geworden, lässt Regierungschefin Arders bei ihrer Suche nach Erklärungen verstehen:
"Wir wurden nicht für diesen Gewaltakt ausgesucht, weil wir Rassismus stillschweigend billigen oder weil wir eine Enklave für Extremismus wären. Wir wurden einfach deswegen ausgesucht, weil wir all das nicht sind (..). Weil wir für Diversität stehen, Freundlichkeit und Mitgefühl (i. O. diversity, kindness, compassion). Dass wir ein Zuhause für diejenigen sind, die solche Werte teilen und ein Zuflucht für diejenigen, die dies brauchen."