"Nie dagewesene Dimension der Gewalt"

In Stuttgart kommt es zu Ausschreitungen und Plünderungen - warum?

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In der Stuttgarter Innenstadt kam es in der Nacht auf Sonntag "zu erheblichen Angriffen auf Polizeibeamte, Streifenwagen und Ladengeschäfte in der Innenstadt. Mehr als ein Dutzend Polizeibeamte erlitten Verletzungen", wie es das Polizeipräsidium Stuttgart heute Morgen in einer längeren Meldung berichtete.

400 bis 500 Personen sollen beteiligt gewesen sein, 200 Polizeibeamte waren im Einsatz, 19 Polizeibeamte wurden verletzt und 24 Personen vorläufig festgenommen worden, etwa 40 Geschäfte wurden "offenbar wahllos beschädigt", es kam zu Plünderungen, die Situation wurde erst nach Stunden ruhiger, so das Polizeipräsidium.

Jetzt wird die Situation diskutiert und bis sich diese Erregung beruhigt, wird es noch etwas dauern. Das Geschehen, "diese Art von städtischer Gewalt", ist für deutsche Verhältnisse sehr selten, schreibt die französische Le Monde, um so größer sei der Schock für die politisch Verantwortlichen.

"Solche Szenen hat es in Stuttgart noch nie gegeben", so der Polizeipräsident der Stadt, Franz Lutz. Er habe so etwas noch nie erlebt, sagte er. Er sprach in einer Pressekonferenz von einer "nie dagewesenen Dimension der Gewalt". Der Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn sprach von einem Schock. Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann (Grüne), sagte, dass uns die Bilder aus der Stuttgarter Innenstadt "nicht kalt lassen können". Innenminister Strobl (CDU) kündigte die volle Härte des Rechtstaats an, um gegen die Randalierer vorzugehen. Er sprach von einer beispiellosen "Qualität der Ausschreitungen".

Diese seien nicht politisch motiviert, so Polizeipräsident Franz Lutz: "Wir können aus der momentanen Sicht der Dinge eine linkspolitische oder überhaupt eine politische Motivation für diese Gewalttaten ausschließen". Er spricht von einer Party- und Eventszene, die sich in den vergangenen Wochen schon in den sozialen Medien mit ihrem Handeln inszeniere. "Dazu gehört seit neuestem auch ein aggressives Tun gegen Polizeibeamte." (SWR)

Die Polizei habe einen 17-Jährigen wegen eines mutmaßlichen Rauschgiftdelikts kontrollieren wollen, wird als Anstoß zur Eskalation angegeben, daraufhin hätten sich Feiernde "solidarisiert" (Polizeibericht), seien Richtung Schlossplatz gezogen und hätten sich offenbar auch in Gruppen in der Innenstadt verteilt.

Polizei-Vizepräsident Thomas Berger erklärte auf die Frage nach der Nationalität der Beteiligten beziehungsweise deren etwaigen Migrationshintergrund, es sei "ein bunter Mix über den Globus" gewesen.

Da laut Bergers Erklärungen anzunehmen ist, dass die Antifa nicht beteiligt war und wahrscheinlich auch nicht die Inspiration für die gefilmten Gewalttaten gegen die Polizei bot, laufen die akklamationsheischenden Erklärungslinien des politisch rechten Spektrums auf Folgendes hinaus: Die Ursachen werden in der Gewaltbereitschaft von Personen mit migrantischem Hintergrund gesucht und bei Medien, die der Gewaltbereitschaft gegen Polizisten angeblich zuarbeiten. Der Vorwurf lautet, dass Kritik an der Polizeigewalt, wie sie zuletzt infolge der Proteste in den USA erfolgte, Hemmschwellen heruntersetzen würde.

Diese Diskussion bekommt durch die Stuttgarter Geschehnisse neue Nahrung. Ob die Eskalation damit erklärt wird, ist da nachrangig. Die Erregung ist die Hauptsache.