No Pasaran
Der spanische Bürgerkrieg: Gespräche mit ehemaligen Mitgliedern der Internationalen Brigaden
Im Spanischen Bürgerkrieg ging es um Idealismus, Macht, Geld und Religion. Erstaunlich ist, dass sich viele Menschen für den Kampf gegen den Faschismus freiwillig zur Verfügung stellten. Aber der Faschismus – vor allem auch der deutsche unter Hitler - konnte hier auch seinen ersten militärischen Sieg erringen. Am 16. Februar 1936 siegte in dem schon zerrissenen Land mit einem knappen Vorsprung bei den Wahlen über die rechte Nationale Front die Volksfront, die Frente Popular. Die faschistische Falange begann mit Anschlägen, im Militär plante man bereits den Putsch, der dann schon im Juli in Marokko seinen Anfang nahm und nach dem Bürgerkrieg zum Sieg der Faschisten führte.
Bis ins 19. Jahrhundert hinein lebte der Großteil der spanischen Bevölkerung in mittelalterlichen Verhältnissen und bitterer Armut. Großgrundbesitzer und Kirche teilten sich Reichtum und Macht. Nach mehreren Regierungswechseln im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert errichtete General Primo de Rivera 1923 eine Militärdiktatur unter seiner Führung im Land. Das gelang ihm aufgrund der Unfähigkeit der vorherigen Regierung, Ordnung in Marokko zu schaffen, das sich von Spanien lösen wollte.
Da auch Primo de Rivera Spaniens soziale und wirtschaftliche Probleme nicht lösen konnte, wurde 1931 die Republik ausgerufen. Der Kirche wurde ein Großteil der Macht entrissen und es kam zur Neuverteilung von Ländereien. Nach den Wahlen 1933 wurden diese Reformen von der rechten Mehrheit weitgehend wieder rückgängig gemacht. In Asturien, im Nordwesten Spaniens, kam es zu Aufständen der Bergarbeiter, die aber brutal niedergeschlagen wurden. Im Frühjahr 1936 wurden schließlich Neuwahlen durchgeführt, bei denen ein linkes Bündnis, die Volksfront, eine neue Regierung bildete.
Die Volksfront hatte aber natürlich nicht nur Freunde. So waren Großgrundbesitzer, Kirche und viele Militärs gegen sie, darunter auch General Franco, einer ihrer erbittertsten Gegner. Er fühlte sich von Gott berufen, Spanien zu “befreien“ und eine faschistischen Militär-Diktatur zu errichten, er wäre sogar bereit gewesen, dafür “halb Spanien zu opfern“.
Patrick von zur Mühlen:
Franco war ein typischer Militär, er hatte relativ rasch Karriere gemacht. Er war sehr ehrgeizig und die Republik versetzte ihn, weil sie ihn im Grunde fürchtete, möglichst weit weg vom Mutterland auf die Kanarischen Inseln. Dort war er zur Untätigkeit gezwungen. Er nutzte diese Untätigkeit zu konspirativen Aktionen, indem er Kontakte zu anderen unzufriedenen Militärs knüpfte und den Putsch vorbereitete. Er war nicht der einzige, beteiligt waren natürlich etliche andere. Es waren drei führende Köpfe, von denen einer auf ungeklärte Weise während des Bürgerkrieges starb, der andere wurde ausgebootet - also Franco blieb als einziger übrig.
Dr. Patrik von zur Mühlen, geb. 1942, ist Geschichtswissenschaftler und im Forschungsinstitut/Historischen Forschungszentrum der Friedrich-Ebert-Stiftung tätig. Zur Mühlen hat sich ausgiebig mit der Geschichte des Spanischen Bürgerkriegs beschäftigt. Publikation u.a.: Spanien war ihre Hoffnung Bonn, Verl. Neue Gesellschaft, 1983.
Die von ihnen geplante Offensive sollte von Marokko, von einigen Regionen in Nord- und Zentralspanien und von Andalusien ausgehen und dann aufs restliche Land ausgeweitet werden. Am 18. Juli wurde der Befehl zum Beginn der Revolte gegeben und am Abend waren bereits Marokko und der Norden Spaniens fest in der Hand der Aufständischen. Am nächsten Tag sollten die Militärs in ganz Spanien diesem Beispiel folgen und die Macht übernehmen.
Patrick von zur Mühlen
Franco und die übrigen putschenden Generäle hatten ja erwartet, dass dies schnell und unblutig über die Bühne laufen würde. Womit die Putschisten nicht gerechnet hatten, war die Reaktion weiter Bevölkerungskreise. Einmal in den Industriegebieten, aber auch in ländlichen Gebieten, wo man das jetzt gar nicht erwartet hätte. Und dass weite Teile der Bevölkerung zu den Waffen griff, Polizeistationen stürmte, Kasernen stürmte, die bewaffneten Kräfte entwaffnete, selber die Waffen annahm, an die Front ging und plötzlich entstanden im ganzen Land Fronten, die sich in den ersten Tagen gar nicht übersehen ließen. Und nach und nach zeigten sich dann doch klare Fronten und Franco musste dann einen fast dreijährigen Bürgerkrieg führen.
Auch die Marine blieb durch einen glücklichen Zufall der Regierung treu. Daher hatten die Putschisten keine Möglichkeit, ihre Truppen aus Marokko auf spanischen Boden überzusetzen. Darum bat Franco die beiden faschistischen Großmächte Europas, Italien und Deutschland, um militärische Hilfe, die ihm auch im Austausch von Ressourcen gewährt wurde. Das geschah, trotz einem Nicht-Einmischungsvertrag, den die wichtigsten europäischen Länder unterschrieben hatten.
Patrick von zur Mühlen
Die Deutschen entsandten die “Legion Condor“, also eine Luftwaffeneinheit, und die Italiener schickten Infanteristen und Marine-Truppen nach Spanien. Die Gesamtstärke der “Legion Condor“ lag ungefähr bei 16.000, die der Italiener wird auf 20.000 geschätzt, die Zahlen sind nicht sehr genau.::Patrick von zur Mühlen
Francos Truppen kämpften sich bis Oktober nach Madrid vor, wobei sie mit äußerster Grausamkeit vorgingen. Wo immer sie hinkamen, wurden die Bewohner zusammen getrieben und die Männer abgeführt. Wer im Verdacht stand, ein “Roter“ zu sein, wurde erschossen. Auf der republikanischen Seite wiederum gab es Übergriffe auf Faschisten, Großgrundbesitzer, Kirchen und Klöster.
Patrick von zur Mühlen
Madrid wurde praktisch von drei Seiten eingeschlossen und nur der Ausweg nach Süd-Osten in Richtung Valencia war offen geblieben. Die Franco-Soldaten waren zum Teil schon in den Vororten von Madrid und die Front ging dort zum Teil durch Gebäude durch. In der einen Etage waren Republikaner, in der anderen Faschisten. Diese warfen sich dann Granaten durch die Fenster. Und irgendwann erkannte Franco, er könnte ja vielleicht Madrid erobern, aber nur mit solchen Verlusten, dass dann seine übrigen Stellungen im Lande gefährdet wären.
Den Angriff auf Madrid hatten die aus spontanen Freiwilligen zusammengesetzten republikanischen und antifaschistischen Milizen zum Erliegen bringen können. Ihr Schlachtruf ‚No pasarán’ (sie werden nicht durchkommen) wurde zum Symbol der Siegesgewissheit der republikanischen Seite.
Die Volksfront-Regierung flüchtete aus der Hauptstadt nach Valencia. Verzweifelte Eltern schickten ihre Kinder ins Ausland, um sie zu retten. Viele flohen nach Russland und Mexiko und kehrten oft nie oder erst nach langer Zeit wieder zurück.
Auch die neu angekommene 1. Internationale Brigade, freiwillige Kämpfer, die von Frankreich aufgebrochen waren, um die Republik zu verteidigen, fanden ihren ersten erfolgreichen Einsatz bei der Verteidigung von Madrid.
Patrick von zur Mühlen
Die ersten internationalen Verbände bildeten sich relativ spontan und schnell in den ersten Tagen des Putsches, als die spanischen Arbeiter als Milizionäre zu den Waffen griffen. Das waren Anhänger der Kommunisten, Anarchisten, Anarcho-Syndikalisten, das waren Sozialisten, Gewerkschaftsleute und auch Christen und baskische Nationalisten. Also ganz verschieden Gruppen, sehr heterogen. Sie bildeten spontan zusammengestellte Milizen, unter denen auch Ausländische Teilnehmer waren. Es gab eine ganze Reihe von Flüchtlingen aus Deutschland und Italien und anderen Ländern, die aus politischen Gründen nach Spanien gegangen waren und sich spontan den Milizen anschlossen. Nach Sprachgruppen wurden Einheiten aufgestellt. Später, im September 1936, kamen die offiziellen Internationalen Brigaden.
Es kamen immer mehr Freiwillige aus der ganzen Welt, um den Spaniern beizustehen. Viele Kommunisten und Anarchisten, die in ihrer Heimat verfolgt wurden, konnten hier für ihre Ideale und gegen den Faschismus kämpfen. Darunter waren auch Berühmtheiten wie George Orwell und Ernest Hemingway, die ihre Erinnerungen später in Büchern festhielten. Die Einreise nach Spanien war Aufgrund des Nicht-Einmischungsvertrages strengsten verboten.
Hans Landauer
Wurde man erwischt in Österreich, bei der Ausreise, dann hat man zwei bis drei Wochen Gemeindekotter bekommen und die Sache war erledigt. Wenn man in Deutschland nach Spanien wollte, wurde man ins KZ gesperrt und ist vor Kriegsende nicht mehr herausgekommen.
Hans Landauer, geb. 1921, ging 1937 schon mit 16 Jahren als jüngster Österreicher nach Spanien, um dort gegen die Faschisten als Freiwilliger zu kämpfen. Er kam aus einem sozialdemokratischen Umfeld und war schon als Kind Mitglied der „Roten Falken“. Bis 1939 kämpfte er in der 11. Internationalen Brigade und geriet nach der Niederlage der Republik in Gefangenschaft in den französischen Internierungslagern. Nach der Freilassung wurde er 1940, wieder zurück in Österreich, von Nationalsozialisten verhaftet und kam schließlich in 1941 das KZ Dachau. Dort war er bis zur Befreiung im April 1945 inhaftiert. Danach arbeitete er als Kriminalbeamter zuerst in Niederösterreich und schließlich in Wien. Seit seiner Pensionierung ist für das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands in Wien tätig. Gemeinsam mit Erich Hackl hat er das Buch „Lexikon der österreichischen Spanienkämpfer“ verfasst.
Es gab verschiedene Beweggründe, den Spaniern zur Hilfe zu kommen.
Ferdinand Hackl
Wir haben doch damals die Regierung Schuschnigg/Dollfuß gehabt, also die Klerikalfaschisten, und die Ähnlichkeit mit Spanien, wo das Volk endlich gesiegt hat. Und die, die bei uns regierten, wollten dort unten die Republik umbringen. Das stand in den Zeitungen, über das wurde bei den illegalen Versammlungen gesprochen. Und dann war es klar, wenn man die Möglichkeit hatte, den Spaniern zu helfen. Natürlich war Interesse dabei und ein gewisser jugendliche Abenteuersuche, aber der Hauptsinn war, denen zu helfen, weil wir hier in Österreich so was erlebt hatten.
Ich selbst habe keinen Pass gehabt, ich musste also ohne Pass schwarz über die Grenze. Wir sind in einer Gruppe zusammengesteckt worden, teilweise mit und teilweise ohne Pass, und mit den Skiern dann nach Tirol und in die Schweiz gekommen.
Ferdinand Hackl, geb. 1918, war Mitglied der Kommunistischen Partei und ging 1937 nach Spanien. Auch er wurde nach Ende des Bürgerkriegs in einem Lager in Frankreich interniert und wurde anschließend in das KZ Dachau eingeliefert. Nach der Befreiung kehrte er nach Wien zurück. Dort arbeitet er wie Hans Landauer im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands in Wien.
Dann ging es weiter nach Frankreich:
Ferdinand Hackl
Und das war dann so organisiert, dass wir ziemlich legal die Grenze passieren konnten. Wir sind mit der Straßenbahn gefahren, das war so abgemacht. Anscheinend haben Leute Dienst gehabt, die damit einverstanden waren und bei denen wir uns erlauben konnten. Ganz normal sind wir da über die Grenze, wir mussten nicht mehr über den Bach kraxeln, und dann sind wir mit dem Zug nach Paris gefahren. Dort wurden wir mit einer Musikkapelle verabschiedet. Es hat Ansprachen am Bahnhof gegeben und wir waren in einem Sonderzug Richtung Spanien. Das war das letzte Mal, das hat dann später mit dem Nicht-Interventions-Komitee aufgehört.
Auch Hans Landauer hatte sich entschlossen, nach Spanien zu fahren:
Hans Landauer
Ich war nicht allein, wir waren zu viert: zwei Freunde aus dem Nachbarort, einer der Freunde, der in der Fabrik gearbeitet hat, aber alle waren um 10 Jahre älter als ich. Aber ich, der 16-Jährige, war der einzige, der einen Reisepass hatte. Denn ich bin schon zuvor mit dem Rad nach Italien zum Bergsteigen gefahren, das war ein Hobby von mir. Und so war es für mich auch jetzt leicht. Einen Tag vor der Abfahrt habe ich von einem Kontaktmann 150 Schillinge bekommen. Die Fahrkarte Wien-Paris und Retour kostete 102 Schilling, die restlichen 48 Schilling musste man an der Grenze vorweisen, um zu beweisen, dass man Geld hat. Die Retourkarte sollte anzeigen, dass man wieder zurückfährt. Und so bin ich also anstandslos ruckzuck von Wien nach Paris gekommen.
Am Abend sind dann zwei Autobusse gekommen. Wir waren ca. 100 Leute aus aller Welt und wurden in die Ausläufer der Pyrenäen geführt. Bei Nacht und Nebel mussten wir über die Grenze gehen. Für mich war das eine Spaßangelegenheit, ich war das Marschieren in den Bergen gewohnt. Manche Städter, z.B. aus New York, hatten zu kämpfen, aber für mich war das eine leichte Sache. Im Morgengrauen waren wir beim spanischen Dorf Massanet de Caprenice. Dort erwarteten uns schon militärische LKWs, mit denen wir in die Festung Figueras gebracht wurden. Dort habe ich das Eindrucksvollste für mich gesehen, das mir immer in Erinnerung bleiben wird: Es war ein riesiges Plakat, Kopfsteinpflaster, auf dem Kinderleichen lagen im Alter von 4 bis 5 Jahren und darüber eine JU 52 und über diesem Flugzeug die Silhouette von Adolf. Unten standen nur 5 Worte auf Spanisch: "Hoy espana manana el mundo.“ (Heute Spanien und morgen die Welt) Bombenterror, nicht? Begonnen hat er in Guernica und geendet hat er in Dresden und Hiroshima.
Der Spanische Bürgerkrieg war einer der ersten modernen Kriege: Luftterror und Propaganda wurden intensiv eingesetzt. 1937 richtete die Legion Condor, Hitlers Elite-Einheit, ein Massaker unter der Zivilbevölkerung in dem kleinen baskischen Städtchen Guernica an. Die Stadt wurde bombardiert und Jagdflieger schossen auf die flüchtenden Menschen. Das lenkte erstmals starke internationale Aufmerksamkeit auf diese neue Art der Kriegsführung und deren verheerende Folgen. Im Februar 1937 kommen Ferdinand Hackl und seine Kameraden in Spanien an.
Ferdinand Hackl
Die erste Anlaufstelle war Figueres. Das war eine Militärfestung, die von Anarchisten belegt war. Katalonien war ziemlich anarchistisch und da hat es eine anarchistische Einheit gegeben in der Kaserne. Der Kommandant, der für die Internationalen Brigaden zuständig war, war ein ungarischer Immigrant, der aber lange in Wien gelebt hat. Der hat uns dann gleich am ersten Abend gesagt, dass die Wiener, das heißt die Österreicher nicht schlafen gehen sollen, da er einen Waffentransport von Frankreich erwartete und er Angst habe, dass die Anarchisten uns die Waffen wegnehmen würden, welche in der gleichen Kaserne waren, nur eben in einem anderem Trakt. Also sind wir aufgeblieben aber dieser Waffentransport ist nicht gekommen.
Auf republikanischer Seite war es keine Seltenheit, dass Waffentransporte nicht ankamen. Währenddessen schickten Italien und Deutschland, die Helfer Francos, immer mehr Waffen, Artillerie, Panzer und Flugzeuge und erhielten dafür Schürfrechte in Spanien. Das Erz benötigte Hitler für seine Kriegsindustrie.
Hans Landauer
Ich war 14 Tage im Ausbildungslager und haargenau einen Monat nach meiner Abreise in Österreich am 19. Juli an der Front in Brunetti, dass ist in der Nähe von Madrid. Es war ein furchtbar heißer Sommer, die ganze Gegend war verbrannt von Brandbomben, die da abgeworfen wurden. Es war die Erntezeit, das Getreide wurde gerade eingebracht. Es lagen überall Menschenleichen herum, ganz dünn mit dieser trockenen Erde zugedeckt, Tierleichen von Maultieren und so weiter. Es war ein furchtbarer Gestank, das kann man sich vorstellen. Und da sind wir dann des Nachts mit so einem Nachschubauto, das warmes Essen an die Front brachte, an die Front gefahren. Wir sind über Jijona, welches von dem österreichischen Bataillon verteidigt wurde, zu einem Dorf gefahren, das dem Erdboden gleichgemacht worden war. Es war eine holprige Fahrt, wie man sich vorstellen kann. Erstens waren die Stoßdämpfer noch nicht so gut wie heute und zweitens gab es Bombentrichter und Schlaglöcher.
Und dann kamen wir zu einer kleinen Brücke von vielleicht zwei Metern Durchmesser, die mit Decken verhangen war und von einem Petroleumlicht erleuchtet wurde. Das war der Bataillonsstab. Dann begann der Tag mit allen Übeln, die es in einem Krieg gibt. Bombenflieger kreisten und die Jagdflieger beobachteten, ob sich da unten etwas tut und stürzten sich herab. In jeder Kompanie gab es einen Mann mit einer Trillerpfeife gegeben, und wenn es hieß “Aviation, Aviation“, das heißt Fliegeralarm, dann musste man sich hinlegen und sich ruhig verhalten, nicht nervös herumlaufen und so... Alle Gegenstände, die blitzen könnten, waren verschmiert, da man so ein kleines Stückchen Spiegel oder blankes Metall Kilometer weit sehen kann. Und dann hat man natürlich das Aas gerochen, die Hügel gesehen und nicht gewusst, ob dort ein Maultier oder ein Mensch verscharrt war.
Während Francos Truppen von seinen starken Verbündeten bestens ausgerüstet wurden, waren die Milizen der Republik und die Internationalen Brigaden meist nur sehr schlecht ausgestattet. Ihnen fehlte es an Patronen und schwerer Kriegsmaschinerie. Die der Regierung verbliebene Marine wurde von feindlichen Bombern weitgehend zerstört. Auch der Luftwaffe fehlte es an Bomben und verwendbarem Treibstoff. Außerdem waren die verschiedenen Kräfte innerhalb der Republik grundverschieden und waren sich oft nicht einig.
England, Frankreich und Amerika weigerten sich, der Republik zu helfen. Die einzige Unterstützung kam aus Russland. Stalin schickte, nach dem Scheitern des Nicht-Einmischungsvertrags, ebenfalls Waffen an die Republik. Doch diese Lieferungen blieben weit hinter denen der Deutschen und Italiener zurück und wurden seit dem Sommer 1938 weitgehend eingestellt.
Patrick von zur Mühlen
Die Rolle Stalins, der Sowjetunion spielte im Hintergrund natürlich eine Rolle. Die Kommunisten konnten innerhalb der republikanischen Regierung, in der natürlich auch Sozialisten und sogar Anarchisten vertreten waren, obwohl die sehr große Vorbehalte hatten, da sie ja eine Regierung ablehnten, die meisten ihrer Entscheidungen durchsetzen, mit der Begründung, dass wenn diese nicht machten was sie wollten, die Sowjets keine Waffenhilfe mehr geben würden. Das war das Druckmittel. Und diese ehemals kleine und bedeutungslose Partei der Kommunisten wurde dann im Verlauf des Bürgerkrieges zur stärksten Kraft. Sie waren sehr organisiert, diszipliniert – anders als die Anarchisten – und das brachte ihnen Zulauf. Sie wirkten in starkem Maße als Ordnungsfaktor, das heißt sie wollten einigermaßen, oder halbwegs rechtsstaatliche Strukturen bewahren.
Die Volksfront-Regierung, die mittlerweile zu einem großen Teil von der KP kontrolliert wurde, nahm parallel zu der Trotzkistenverfolgung in Russland Säuberungen in ihren eigenen Reihen vor. Die POUM, eine marxistische Partei, wurde verboten und einige ihre Mitglieder gefangen genommen oder getötet. Die Kämpfe gingen trotzdem weiter:
Ferdinand Hackl
Also sind wir dann an die Front gefahren. Das war damals noch bisschen ein Durcheinander, nicht organisiert. Da sind uns Spanier entgegengekommen, die von der Front kamen, also das war einfach nicht organisiert, das Ganze. Und so hat es verschiedene Unsinnigkeiten gegeben. Wir mussten zum Beispiel während des Tages Gebiete besetzen, ohne Kampf, obwohl wir das in der Nacht auch hätten machen können. Niemand hatte sich damals so richtig ausgekannt. Dann endlich haben wir eine Frontlinie bezogen, wir waren natürlich alle nervös. Plötzlich gab es eine Schießerei. Die Faschisten haben geschossen. Sie waren auf einem Berg – meistens waren die Faschisten oben und wir waren immer unten. Sie haben geschossen, wir haben zurückgeschossen. Alle waren nervös. Ein gewisser Morani, ein Italiener, ist von einem zum anderem gerannt, hat ihm die Hand gedrückt, hat ihm alles Gute gewünscht. Aber eigentlich war gar nichts los. Dann waren wir schließlich oben am Berg, obwohl wir im Gegensatz zu den Faschisten keine Artillerie hatten, aber am nächsten Tag mussten wir wieder runter, weil sie uns mit Fliegern und Artillerie bombardiert haben. Dann haben wir wieder mal einen Stellungswechsel gehabt, das war dann in Andalusien.
Es ist unglaublich, wenn man heute darüber nachdenkt, was für Glück wir manchmal gehabt haben. Die Faschisten haben uns einmal abgeschnitten. Wir waren vier, fünf Leute, die Tür vom Panzerauto stand offen, ich saß auf der Stufe. Wir hatten Papiere und Munition aufgeladen gehabt und sind auf einer Wirtschaftsstraße für die Bauern zwischen den Olivenhainen gefahren. Das waren nur ganz schmale Wege, meistens sind die Bauern da nur mit Mauleseln entlang. Unser Fahrer war ein junger Valencianer. Plötzlich sehen wir vor uns die Faschisten in Schwarmlinie. Es waren Marokkaner dabei mit Kitteln und Gewehr, sie gingen in die gleiche Richtung wie wir und wir kommen von hinten mit dem Panzerauto. Wir rissen sofort unsere Mützen mit den Sternen herunter. Einer der Spanier wollte schießen, doch wir sagten: “Nix, samma froh, wenn wir heil rauskommen aus dem Ganzen.“ Der Valencianer hat sogar gehupt, die Faschisten sind auf die Seite gegangen und haben uns den Weg freigemacht, so dass wir durchfahren konnten. Der Valencianer hat dann Gas gegeben und wir haben geschaut, dass wir weggekommen sind. Die dachten, dass wir ein Panzerfahrzeug von ihnen, zur Unterstützung, gewesen wären. Also solche Situationen hat es manchmal gegeben.
Von wenigen Ausnahmen abgesehen verschoben sich die Frontlinien zu Gunsten Francos, der bis Oktober 1937 ganz Nordspanien und den größten Teil Zentral- und Südspaniens kontrollierte.
Patrick von zur Mühlen
In den Gebieten, in denen Franco siegreich war, und Franco konnte sich ja durchsetzen gegen alle Konkurrenten in seinen eigenen Reihen, errichtete Franko einen totalitären Staat, im Grunde mehr nach italienischem Vorbild, das heißt eher das faschistische Italien als das nationalsozialistische Deutschland waren das Vorbild. In diesem autoritären Staat wurden der Kirche wieder alle alten Privilegien zugesprochen, Arbeiterparteien, alle Parteien außer der von Franco wurden verboten, ebenso Gewerkschaften und Verbände. Auch furchtbare Massaker wurden verübt.
Franco und seine Verbündeten starteten 1938 eine Offensive, um Spanien zu teilen und schnitten Katalonien vom Rest der Republik ab. Noch einmal sammelte die Regierung alle ihre Kräfte und bereitete eine Offensive vor: Die Gegend um den Fluss Ebro, die die Republik trennte, sollte zurückerobert werden. Tausende Männer und viele Panzer wurden über den Fluss gebracht. Doch auch diese Offensive schlug fehl und nun war es endgültig klar, dass Spanien bald ganz in der Hand der Faschisten sein würde.
Hans Landauer
Während des Ebrokampfes am 23. September wurden die Internationalen Brigaden demobilisiert. Der damalige Ministerpräsident Juan Negrin, ein Sozialist, hat in Genf erklärt, er zieht seine Freiwilligen zurück und hat angenommen, dass Franco dies auch tun würde. Dem war nicht so, wie wir wissen.
Die Spanier entließen ihre Helden mit einer Abschiedsparade durch Barcelona.
Hans Landauer
Und wir wurden demobilisiert, die Amerikaner, Engländer, Schweden und Schweizer sind nach Hause gefahren, und die Deutschen, Österreicher, Italiener, Ungarn, Tschechen, die ja schon von den Deutschen besetzt waren, mussten in Spanien bleiben. Als dann Franco am 23. Dezember 1938 die letzte Offensive gegen Katalonien begann, haben wir noch einmal freiwillig zu den Waffen gegriffen.
Ferdinand Hackl
Und dann ist der Befehl gekommen – beziehungsweise die Anfrage: Barcelona ist bedrängt, wir müssen versuchen, Barcelona zu retten, aber das war natürlich nicht möglich, also war das Wichtigste, der Bevölkerung zu helfen, indem wir versuchten, in die zurückströmenden Massen eine gewisse Ordnung zu bringen. Denn so wie man sich das vorgestellt hatte, Barcelona wie Madrid zu retten, dass die Faschisten nicht reinkommen würden, das war damals schon unmöglich. Die Meisten haben sich freiwillig gemeldet und so ging’s wiederum an die Front, Richtung Barcelona.
Der Rückzug glich einer Flucht. Wenige Tage später stand Francos Armee an der Grenze zu Frankreich, über die schon Tausende von Menschen geflohen waren, die seine Rache fürchteten. Am 28. März 1939 fiel schließlich auch Madrid und ganz Spanien war in der Hand der Faschisten. Der Krieg war zu Ende.
Hans Landauer
Und am 9. Februar 1939 haben wir die spanisch-französische Grenze überschritten und wurden sofort nach der Grenzüberschreitung in den verschiedenen Lagern interniert.
Ferdinand Hackl
St. Cyprien war unser erstes Lager, dort hat es keine Baracken gegeben und so mussten wir damals in Sandlöchern biwakieren, dann haben sie uns Holz gebracht und wir konnten uns selbst Baracken bauen. Von dort sind wir dann nach Gurs gekommen.
Hans Landauer
Das waren Sandstrände am Mittelmeer, die zwei Kilometer lang und zwei bis dreihundert Meter breit waren. Auf drei Seiten waren sie mit Stacheldraht umzäunt, auf der vierten Seite war das Meer. Und in so einen Käfig wurden ungefähr hunderttausend Leute hineingezwängt, Frauen, Männer, Babys aller Kategorien. Dort waren auch sehr viele Zivilisten, die Francos Rache fürchteten und Militär sowieso. Und so haben wir in St. Cyprien, Argelès und Barcarès unter solchen Umständen gelebt.
Nach längerem Aufenthalt in diesen Lagern wurden die Spanienkämpfer von Frankreich nach Deutschland und dem inzwischen annektierten Österreich ausgeliefert. Viele von ihnen, wie auch Hans Landauer und Ferdinand Hackl, kamen in das KZ Dachau. Erst nach Kriegsende erhielten sie ihre Freiheit wieder.
Der Spanische Bürgerkrieg forderte über 600.000 Tote, wovon nur rund die Hälfte auf dem Schlachtfeld starb. Viele fielen dem Terror beider Seiten zum Opfer. Aber auch nach Francos Machtübernahme kam es noch zu Massakern unter der Bevölkerung. Hunderttausende wurden interniert oder erschossen. In einigen Gebieten Nord-Ost-Spaniens gab es noch jahrelang Partisanenverbände, die sich gegen das faschistische Regime wehrten. Franco blieb bis zu seinem Tod 1975 an der Macht. Aus Angst vor seine Rache hatten sich viele Menschen versteckt gehalten, die sich nun endlich wieder an die Öffentlichkeit wagen konnten. Erst jetzt konnte sich der Traum eines demokratischen Spaniens erfüllen.