Nordkorea: War der ermordete Kim-Halbbruder CIA-Spion?
US-Präsident Donald Trump lobt einen neuen Brief, den er von Kim Jong Un bekommen hat, als Signal für baldige große Veränderungen
Der amerikanische Präsident Donald Trump gab gestern bekannt, einen "schönen", "sehr persönlichen" "sehr warmen" und "sehr netten" Brief" von Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un erhalten zu haben, den er den Medien aber nicht zeigen könne. Er äußerte jedoch die Hoffnung, dass bald "etwas sehr Positives passieren" werde, weil Kim das Potenzial erkenne, das Nordkorea unter anderem durch seine Lage zwischen China, Russland und Südkorea habe.
Ein drittes persönliches Treffen mit Kim bezeichnete Trump als möglich, wobei er betonte, dass der nordkoreanische Staatschef ihm gegenüber sein Wort halte und weder Nukleartests noch Langstreckenraketentests durchführe. Anders als zu Beginn von Trumps Amtszeit, als der US-Präsident seiner eigenen Einschätzung nach vor einem "schlimmen Schlamassel" stand, den ihm seine Vorgänger hinterlassen hatten.
Damit nahm er möglicherweise auch auf einen kurz vorher erschienenen Bericht des Wall Street Journals Bezug, wonach der US-Auslandsgeheimdienst CIA Kim Jong Uns 2017 in Malaysia ermordeten Halbbruder Kim Jong Nam als Informationsquelle angezapft hatte. Der 1971 geborene älteste Sohn des ehemaligen nordkoreanischen Machthabers Kim Jong Il galt lange als erster Anwärter auf die Nachfolge seines Vaters, fiel aber nach heimlichen Vergnügungsbesuchen in Japan in Ungnade.
Kontaktmann koreanischer Abstammung
Zu Fragen nach diesem Wall Street Journal-Bericht meinte Trump, so etwas hätte er "unter [s]einer Aufsicht nicht zugelassen" - wobei er offen ließ, ob er mit dieser Äußerung die Meldung dementieren oder die Politik seiner Vorgänger kritisieren will.
Konkret hatte das Wall Street Journal unter Berufung auf eine angeblich "gut unterrichtete", aber nicht namentlich genannte Quelle berichtet, Kim Jong Nam habe sich zum Zeitpunkt seiner Ermordung in Kuala Lumpur aufgehalten, um dort einen Kontaktmann der CIA zu treffen. Das behauptet auch Anna Fifield, deren Buch The Great Successor - The Divinely Perfect Destiny of Brilliant Comrade Kim Jong Un gestern erschien. Ihren Angaben nach zeigen Aufnahmen aus Überwachungskameras, wie sich Kim Jong Nam und sein amerikanischer Kontaktmann (der koreanischer Abstammung ist) im Hotelaufzug begegnen.
120.000 US-Dollar Bargeld
Fifield zufolge gab es bereits vorher Treffen zwischen Kim Jong Nam und Vertretern des amerikanischen Auslandsgeheimdiensts. Außer in Malaysia auch in Singapur. Bei den 120.000 US-Dollar Bargeld, die man im Rucksack des Ermordeten fand, muss es sich ihrer Einschätzung nach trotzdem nicht notwendigerweise um das Informantenhonorar handeln: Kim Jong Nam war nämlich auch im Glücksspielgeschäft aktiv.
Macao, wo Kim Jong Nam seit den Nuller Jahren residierte, ist ein Zentrum dieses Glücksspielgeschäfts. Und es gehört trotz seines Sonderstatus als ehemalige portugiesische Kolonie zur Volksrepublik China, zu deren Geheimdiensten der Nordkoreaner ebenfalls Kontakte unterhalten haben soll. Nach Macao zurück wollte der damals 45-Jährige auch, als er im Februar 2017 am Flughafen von Kuala Lumpur über Unwohlsein klagte, das einsetzte, nachdem ihm eine Frau am Flughafen eine Flüssigkeit ins Gesicht spritzte. Kurz darauf starb er (vgl. Mysteriöser Tod des Halbbruders von Kim Jong Un).
US-Auslandsgeheimdienst schweigt
Die malaysische Polizei nahm darauf hin eine 25-jährige indonesische und eine 28-jährige vietnamesische Staatsangehörige fest. Auf Überwachungskameraaufnahmen ist zu sehen, wie sie Kim Jong Nam die Flüssigkeit ins Gesicht spritzten. Eine Flüssigkeit, von der sich später herausstellte, dass sie mit dem Nervengift VX versetzt war. Die Frauen rechtfertigten sich damit, sie hätten geglaubt, an einem TV-Streich mit versteckter Kamera teilzunehmen. Die Anklage gegen die Indonesierin wurde nach längeren Ermittlungen fallen gelassen, die Vietnamesin verurteilte ein Gericht in Kuala Lumpur nicht wegen Mordes, sondern nur wegen Körperverletzung. Inzwischen ist auch sie wieder frei.
Anstifter der Frauen könnten den Erkenntnissen der Ermittler nach Nordkoreaner gewesen sein, von denen sich vier nach der Tat in ihre Heimat absetzten. Die nordkoreanische Staatsführung bestritt allerdings, etwas mit dem Mord zu tun zu haben, was zeitweise zu diplomatischen Spannungen zwischen Kuala Lumpur und Pjöngjang führte.
Die CIA äußert sich bislang weder zu Fifields Buch noch zum Bericht des Wall Street Journals. Damit bleibt nicht nur offen, ob Kim Jong Nam tatsächlich CIA-Informant war, sondern auch, ob das zutrifft, was die Zeitung vermutet: Dass seine Informationen nicht viel wert gewesen sein können, weil er schon viel zu lange nicht mehr in Nordkorea lebte und von der Kommunikation der Mächtigen dort ausgeschlossen war.