Nukleare Aufrüstung: Henne und Ei

Seite 2: Rüstungsspirale: Aktion und Reaktion

Der Schlüssel, aus der atomaren Rüstungsspirale auszusteigen, liegt also in den USA, etwa indem auf eine Politik umgeschwenkt würde, die einen Verzicht auf einen Ersteinsatz von Atomwaffen beinhaltet ("no-first-use"). Insofern ließen Aussagen des heutigen Präsidenten Joseph Biden während des Wahlkampfes aufhorchen:

Wie ich 2017 sagte, glaube ich, dass der einzige Zweck des US-Atomwaffenarsenals die Abschreckung – und, falls nötig, die Vergeltung – eines nuklearen Angriffs sein sollte. Als Präsident werde ich daran arbeiten, diese Überzeugung in die Praxis umzusetzen, in Absprache mit dem US-Militär und den US-Verbündeten.

Joseph Biden

Doch wie so häufig scheint Biden nach seiner Wahl von derlei Aussagen nicht mehr viel wissen zu wollen, sodass sich unter Atomwaffenkritiker wie Tom Collina Ernüchterung breit macht: Auch unter Biden sei hier keine Kursänderung in Sicht, das Signal, das von ihm ausgehe, sei "volle Kraft voraus", so Collina:

Das ist nicht die Botschaft, die Biden als Kandidat ausgesendet hat. Jetzt verschreibt sich Biden dem Nuklearplan von Donald Trump und geht in manchen Bereichen noch darüber hinaus.

Tom Collina

Allzu viel sollte man sich von der aktuell in Arbeit befindlichen Überprüfung der US-Nuklearstrategie ("Nuclear Posture Review"), die in Kürze veröffentlicht werden soll, also nicht versprechen – man sollte dann aber auch vorsichtig sein, die Schuld an dem neuen Wettrüsten völlig einseitig Peking (oder Moskau) in die Schuhe zu schieben.

Joe Bidens Administration (27 Bilder)

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Die Aufrüstung des US-Arsenals und die – wenn auch nicht offiziell eingeräumten, so doch recht offensichtlichen – Versuche eine Erstschlagsfähigkeit zu erlangen, stellen den Hintergrund für chinesische Aussagen dar, man sehe sich gezwungen, Anpassungen zum Erhalt der Abschreckungsfähigkeit zu unternehmen – sprich: ebenfalls aufzurüsten.

Angestoßen wurde diese Entwicklung aber in Washington, ein Umstand, der erstaunlicherweise auch in einem im Dezember 2021 bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) erschienenen Papier recht deutlich benannt wird:

Chinas Abschreckungspolitik basiert auf der Fähigkeit zum nuklearen Zweitschlag. Dieses Abschreckungspotenzial will Beijing gegenüber den USA erhalten, die ihrerseits in Aufklärung, Abwehr und Erstschlagsfähigkeiten investieren. […] Auf der einen Seite befürchte China tatsächlich einen Erstschlag oder präemptiven Schlag der USA. Auf der anderen Seite werde in chinesischen Meinungsbeiträgen vermehrt argumentiert, dass ein wirkungsmächtigeres Nuklearwaffenarsenal Washington überzeugen würde, Chinas Status als (Atom-)Macht zu akzeptieren und sich mit einem Zustand wechselseitiger Verwundbarkeit als Grundlage der gegenseitigen Abschreckung abzufinden.

Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik