Nur "German Angst" vor der Inflation?

Seite 2: Die "asymmetrische Reaktion" der Notenbanken

Schon die Geldschwemme im Rahmen der Finanzkrise seit 2008 war immer wieder von Warnungen vor einer massiven Inflation begleitet, die dann allerdings nie kam und schon deshalb einige zum Glauben verleitet, dass sie nie kommen wird. Die Finanzkrise hat uns gelehrt, dass ein übermäßiges Geldwachstum zwar nicht notwendigerweise sofort zur massiven Steigerung der Verbraucherpreise führt, allerdings zu gefährlichen Blähungen an den Finanzmärkten.

Klar ist, da die Geldflut nach der Finanzkrise kaum oder gar nicht zurückgenommen wurde, dass die Gefahren nun mit der weiteren Ausweitung immer größer werden. Dass die Inflation anzieht, dürfte ausgemachte Sache sein. Unklar ist, wie stark und wie dauerhaft sie sein wird. Prognosen, wann es tatsächlich zu einem wirklichen Inflationsschub oder einem "Sprung" kommt, sind dagegen sehr schwierig.

Er wird aber mit großer Wahrscheinlichkeit kommen, da sich an der "asymmetrische Reaktion" der Notenbanken auf Krisenprozesse nichts geändert hat, welche die Notenbank der Notenbanken schon länger kritisiert. So hatte die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel immer wieder in den letzten zehn Jahren dafür plädiert, die Geldschwemme auch wieder zurückzunehmen.

Denn, das hatte die BIZ immer wieder herausgearbeitet, hatte die Geldflutung praktisch keine positiven Wirkungen mehr gezeigt, aber mit ihr sind erhebliche negative Wirkungen verbunden. Die Gefahren für die Finanzmarktstabilität wurden vor der Corona-Krise damit nur weiter erhöht.

Als asymmetrische Geldpolitik versteht die BIZ, dass auf jede Krise, beginnend beim Crash am Schwarzen Montag 1987, über das Platzen der Dotcom-Blase 2000, bis zur Finanzkrise ab 2008 stets von den Notenbanken das gleiche Rezept angewendet wurde. Stets wurden die Zinsen gesenkt und massiv Liquidität in die Märkte gepumpt.

Es zeigt sich seither aber nicht nur, dass die Abstände zwischen dem Ende einer und dem Beginn der nächsten Krise immer kürzer werden, während ihre Auswirkungen immer drastischer ausfallen. Es zeigt sich auch, dass die Maßnahmen, die zur Bekämpfung umgesetzt wurden, danach immer weniger zurückgenommen werden. Das Ausmaß, in dem die Märkte mit Geld geflutet wurden und werden, ist von Krise zu Krise immer größer geworden.

Null- und Negativzinsen sind - wie andere angeblich "temporäre" Notmaßnahmen (wie zum Beispiel der Rettungsfonds) - längst zum dauerhaften Zustand mutiert. Die Frage ist deshalb, ob nicht die Krise längst zum Normalzustand eines Kapitalismus in der Endphase mutiert ist.

Interessant im Zusammenhang dieser Entwicklungen und der steigenden Inflationsgefahren sind Betrachtungen von Daniel Stelter. Der Gründer des auf Strategie und Makroökonomie spezialisierten Diskussionsforums "Beyond the Obvious" nennt den offensichtlichen Weg zu immer aggressiveren Maßnahmen "Notenbanksozialismus".

Stelter bezieht sich auf die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), "die zu den unbequemen Mahnern" gehört und "frühzeitig das Risiko der Weltfinanzkrise" erkannt hatte. Dass es sich deshalb "lohnt, sehr genau zuzuhören, wenn die Basler Experten sich zu Wort melden" - siehe dazu die Warnungen an dieser Stelle, wonach immer mehr Unternehmen und Banken im Notenbank-Krisenmodus zu Zombies werden.

Aussichten

Sie werden über die Notenbank-Maßnahmen als Untote künstlich am Leben erhalten. Und daran ändert auch die Tatsache nichts, dass dies aus der EZB bestritten und dies von großen Medien wie dem Spiegel entsprechend sekundiert wird. Stelter verweist mit Bezug auf die Basler BIZ darauf, dass in der Corona-Krise über die Interventionen von Notenbanken und Staaten ein Zusammenbruch der Vermögenspreise und damit eine Konkurswelle und ein breiter Rückgang des Preisniveaus verhindert wurde.

Für ihn ist klar, dass dabei "rote Linien" überschritten werden mussten. Damit bestünde deshalb die "gute Hoffnung, dass es bei einer schweren Rezession bleibt und wir von einer Depression verschont werden."

"So positiv die BIZ die kurzfristigen Maßnahmen zur Krisenbekämpfung sieht, so besorgt äußern sich die Experten über die mittelfristigen Folgen."

Stelter verweist darauf, dass man sich in Basel derweil große Sorgen um die Inflation macht. "Es droht die Umkehr des seit fast 40 Jahren andauernden Trends zu immer geringeren Inflationsraten und Zinsen." Da die Pandemie die Produktivität genauso schädige wie die Wertschöpfungsketten, werden Unternehmen zunehmend "auf regionale Produktion setzen, Staaten auf die nationale Produktion bestimmter Güter bestehen und beide mehr Lagerhaltung betreiben".

Damit einher gehe der Kostendruck, der sich zunächst in geringeren Gewinnmargen und "perspektivisch in höheren Preisen" niederschlage. Das finde vor einem Szenario statt, das sich nach Angaben der BIZ noch am ehesten mit der Situation nach dem Zweiten Weltkrieg vergleichen lässt: hoch verschuldete Staaten, mehr staatlicher Einfluss in der Privatwirtschaft und eine Abkehr von der Globalisierung.

Da auch die Staatsverschuldung in der Krise weiter ausufert, steigt der Druck der Staaten auf die Notenbanken (wie wir es schon aus der Finanzkrise kennen), die Zinsen möglichst niedrig zu halten, um die Staatsschulden bezahlbar zu halten. Ein zentrales Mittel, das Notenbanken haben, um einer steigenden Inflation zu begegnen, besteht darin, die Leitzinsen anzuheben, um Geld auch wieder vom Markt zu saugen.

Für verschuldete Staaten ist aber der Anreiz groß, über niedrige Zinsen den Schuldendienst bezahlbar zu halten, die Schulden über eine steigende Inflation aber "wegzuinflationieren", indem darüber ihr Anteil an der Wirtschaftsleistung zum Sinken gebracht wird.

Was das für Verbraucher und Sparer bedeutet, ist ebenfalls klar. Während man weiterhin keine oder kaum Zinsen auf Spareinlagen erhält, werden diese obendrein über eine steigende Inflation entwertet. "Sich dem Druck der Politik, mehr Inflation zuzulassen, entgegenzustellen, dürfte laut BIZ eine der größten Herausforderungen für die Notenbanken in den kommenden Jahren sein", meint Stelter.

Die Aussichten darauf sind allerdings eher gering, da die Notenbanken immer stärker auch in die Konjunkturpolitik eingespannt werden und sie natürlich darauf zurückblicken, dass bisher die Inflation trotz Geldschwemme ausgefallen ist. Im Fall der EZB, die einst noch einigermaßen unabhängig von politischen Einflüssen war, ist der Schwenk besonders klar zu beobachten. Auch in Frankfurt hat man sich längst vom eigentlichen EZB-Ziel, für Geldwertstabilität zu sorgen, verabschiedet.

Man betreibt längst Konjunkturpolitik und Staatsfinanzierung durch die Hintertür. Wie das in den USA läuft, hatte Ex-Präsident Trump vorgemacht, der klare Forderungen an die FED stellte, auf deren Erfüllung die Notenbank durch Zinssenkungen nicht lange warten ließ.

Stellen sich die Notenbanken nicht dem Druck entgegen, mehr Inflation zuzulassen, droht die Rückkehr der Inflation, beschwört deshalb Stelter.

Er vermutet, dass die Nominalzinsen auch dann steigen werden, wenn die Notenbanken die Leitzinsen tief halten. Statt Jahrzehnten geringer Konsumentenpreisinflation und hoher Vermögenspreisinflation, wie sie an den Finanzmärkten längst deutlich sichtbar ist, drohe dann das Gegenteil: "deutlich höhere Inflation in der Realwirtschaft und erhebliche Verluste bei Finanzvermögen".