OECD: Deutsche Arbeitgeber zufrieden mit Migranten
Flüchtlinge und Migranten sollen schnell in den Arbeitsmarkt kommen. Problematisch ist aber die Qualifikation, die eine längerfristige Strategie erfordert
Wie sieht es mit der Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen in Deutschland aus? Ein dickes Papier der OECD beantwortet die Frage, die vor Jahresfrist noch große Medienaufmerksamkeit hatte, auf 96 Seiten. Die Antworten fallen, um es vorwegzunehmen, in großen Linien erwartungsgemäß aus: Sprachkenntnisse und berufliche Qualifikation geben den Hauptausschlag für ein Gelingen auf dem Arbeitsmarkt, der eine Menge Geringqualifizierte integrieren muss.
Der Zeitpunkt für eine Evaluation biete sich an, da die Asylbewerber, die zu den Hochzeiten der Zuwanderung 2015/2016 nach Deutschland einreisten, nun auf den Arbeitsmarkt kommen, konstatiert der Bericht mit dem Obertitel "Nach der Flucht: Der Weg in die Arbeit".
Der Anfang sei wichtig, so die OECD. Während die Beschäftigungsquoten von Flüchtlingen in den ersten fünf Jahren relativ rasch steigen, verlangsame sich der Prozess danach "erheblich". Nach 10 bis 15 Jahren werde dann eine Obergrenze erreicht, die "häufig deutlich unter dem Wert der im Inland geborenen Bevölkerung liege.
Im Februar waren 9% aller registrierten Arbeitssuchenden in Deutschland Flüchtlinge und Asylbewerber, über die Hälfte davon Syrer, informiert der Bericht. Die Integration in den Arbeitsmarkt muss also möglichst schnell gehen, ist der Schluss, den der Bericht nahelegt. Anderseits weist der Bericht an mehreren Stellen darauf hin, dass sich die verantwortlichen Stellen um eine langfristige Strategie bemühen müssten, um das Qualifikationsniveau zu heben. Ein Schlüsselsatz dazu lautet:
Die Erfahrungen anderer OECD-Länder, z.B. Schweden, lassen darauf schließen, dass die Integration der zahlreichen sehr geringqualifizierten Flüchtlinge eine entscheidende Herausforderung auf lange Sicht darstellt und dass die Heranbildung der erforderlichen Grundkompetenzen, um auf dem Arbeitsmarkt operationell zu sein, einige Zeit in Anspruch nimmt.
OECD-Bericht
Einen anschaulichen Einblick in die gegenwärtige Situation liefert eine Unternehmensbefragung, die das OECD zusammen mit dem Arbeitsministerium und dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag von Mitte Januar bis Anfang Februar durchgeführt hat. Die Grundlagen und Ergebnisse sind auf Seite 35 und 36 des PDF zu lesen.
Positive Erfahrungen der Arbeitgeber
Daraus geht hervor, dass die allermeisten Arbeitgeber, nämlich 80 Prozent, Asylbewerber oder Flüchtlinge aus "Gründen der gesellschaftlichen Verantwortung" einstellten. Das zivilgesellschaftliche Engagement wird auch im OECD-Bericht als maßgeblicher Faktor für eine Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen herausgestellt.
Laut Umfrage gaben lediglich 45 Prozent der befragten Arbeitgeber an, die derzeitige oder erwartete künftige Arbeitskräfteengpässe als Beweggrund für die Einstellung an. Das spiegelt sich auch in der Art der Jobs wieder. Nicht einmal die Hälfte, rund 40 Prozent der Einstellungen, bezeichnet die Umfrage als reguläre Arbeitsverhältnisse. Ungefähr ein Drittel waren Praktika, der Rest Ausbildungsplätze und "Einstiegsqualifizierungen".
Mehr als 40% der teilnehmenden Arbeitgeber, die Asylbewerber oder Flüchtlinge einstellten, taten dies zumindest teilweise unter Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Initiativen. Weitere wichtige Kanäle waren die Bundesagentur für Arbeit (34%), Initiativbewerbungen (29%), Mitarbeiter oder Freunde (23%), Industrie- und Handelskammern (21%) und Schulen (20%).
OECD
Die Erfahrungen mit den eingestellten Migranten werden positiv geschildert. Über 80 Prozent waren "weitgehend oder vollkommen" mit ihrer Arbeit zufrieden. Mehr als drei Viertel der Befragten hatten im Arbeitsalltag nur "wenige oder gar keine Schwierigkeiten mit den eingestellten Flüchtlingen". Die Zahl der Zufriedenen sei relativ stabil und unabhängig von der Größe des Unternehmens oder der Art der Beschäftigung, ergänzt der Bericht. "Die Arbeitgeber, die eine größere Zahl von Flüchtlingen und Asylbewerbern einstellten, waren jedoch mit größerer Wahrscheinlichkeit zufrieden."
Anforderungen der Arbeitgeber
Der OECD-Bericht macht aufgrund der bisher gesammelten Erfahrungen auf den noch immer großen Bedarf beim Sprachunterricht aufmerksam. In der "Hierarchie" der Anforderungen und Schwierigkeiten stehen Sprachkenntnisse ganz oben. So würden 50 Prozent Arbeitgeber selbst für geringqualifizierte Tätigkeiten (Hilfsarbeiter, angelernte Kräfte) "zumindest gute Deutschkenntnisse" voraussetzen. Bei Tätigkeiten mit mittleren Kompetenzanforderungen (Facharbeiter) steigt der Prozentsatz auf über 90%. 40 Prozent halten hier sehr gute Sprachkenntnisse für erforderlich.
Mehr als 60% der Arbeitgeber, die Schwierigkeiten hatten, gaben an, dass ihnen dieser Aspekt "erhebliche Schwierigkeiten" bereitete, gefolgt von unzureichenden beruflichen Fachkenntnissen und unterschiedlichen Arbeitsgewohnheiten (jeweils rd. 25%) sowie Unsicherheiten bezüglich der Länge des weiteren Aufenthalts in Deutschland (23%).
OECD
Am besten wären berufsbezogene Sprachkurse für die Dauer des Arbeitsverhältnisses, so der Tenor des Berichts, der Erfahrungen aus anderen OECD-Ländern heranzieht, und die Umfrage, aber die wirkungsvollste Form der Sprachförderung ist auch die kostspieligste. Neben dem auf dem Beruf ausgerichteten Sprachunterricht sind Höherqualifizierungsmaßnahmen der andere Wunsch, der dem Bericht aus der Arbeitswelt aufgefallen ist.
"Niedrigschwellige Arbeitsgelegenheiten"
Die Arbeitgeber wünschen sich bekanntlich Facharbeiter und des sieht noch immer nicht so aus, also ob das zu Beginn des Flüchtlingsandrangs plakatierte Versprechen, dass Flüchtlinge und Migranten hier große Lücken füllen könnten, sich bewahrheiten könnte. Zumindest kurzfristig nicht.
Dem Bericht lässt sich eher entnehmen, dass es zeitaufwendige Mühen kosten wird, aus Geringqualifizierten weiterzubilden. Viele, vor allem Frauen, die in der zweiten Hälfte 2015/Anfang 2016 zugewandert sind, werden "niedrigschwellige Arbeitsgelegenheiten" zugeordnet. Wobei der Bericht anmerkt, dass es noch große Defizite gebe bei der effizienten Einschätzung der Qualifikationen und Kompetenzen.