Obama nominiert sein Gegenteil

Der 65jährige Joseph Biden, der seit Anfang der 1970er im Senat sitzt, wird Vizepräsidentschaftskandidat der Demokraten

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Mit ihm habe Obama seinen schärfsten Kritiker gewählt, spottete John McCains Wahlkampfteam gleich nach der Bekanntgabe der Entscheidung heute Vormittag. Und tatsächlich kann der Senator aus der ehemaligen schwedischen Kolonie Delaware mit dem aus Illinois in vielen Bereichen ein Oppositionspaar bilden.

Obama ist mit 47 Jahren für einen Präsidentschaftskandidaten relativ jung, der 65jährige Biden liegt deshalb altersmäßig näher bei seinem republikanischen Konkurrenten John McCain als bei ihm. Während der schwarze Präsidentschaftskandidat seit Beginn seiner Kampagne vor allem damit warb, dass er angeblich nicht dem Washingtoner Politestablishment angehört, sitzt Biden seit Anfang der 1970er im Senat. Biden ist Katholik, Obama gehört einer protestantischen Freikirche an. Er stammt aus einfachen Verhältnissen während Obamas Eltern Akademiker waren. Und wird Obama ein Mangel an außenpolitischer Erfahrung vorgeworfen, so kann er mit Biden als langjährigem Vorsitzenden des außenpolitischen Ausschusses dagegen halten. Es fehlt eigentlich nur noch, dass Biden eine Frau wäre – aber, wie es in einem Billy-Wilder-Film so schön heißt: "Nobody's Perfect".

Allerdings bewies auch Biden, der im Vorwahlkampf gegen Obama antrat, seine Fähigkeit zum "Wandel": 2007 meinte er in einem Interview mit dem Fernsehsender ABC, dass der jüngere Konkurrent für eine Präsidentschaft noch nicht reif sei - und nach seinem Ausscheiden aus den Vorwahlen behauptete er auf Nachfrage des Senders Fox, Angebote, als Vizepräsident zu kandidieren, ablehnen und lieber Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses bleiben zu wollen. Der in Pennsylvania, einem wichtigen "Swing State", geborene Jurist war schon 1988 in Vorwahlen angetreten, musste aber aufgeben, nachdem Vorwürfe laut wurden, dass er Teile einer Rede beim britischen Labour-Politiker Neil Kinnock abgeschrieben habe.

Die Entscheidung für Biden kam nicht ganz unerwartet: Zuletzt hatte sich der Kreis der öffentlich gehandelten Kandidaten auf Tim Kaine, den Gouverneur von Virginia, Kathleen Sebelius, der Gouverneurin von Kansas, Evan Bayh, einem Senator aus Indiana und den texanischen Abgeordneten Chet Edwards eingeengt.

Obama informierte über seine Wahl per SMS. Dieses seit Tagen angekündigte Vorgehen sollte offenbar auch dazu beitragen, Telefonnummern potentieller Wähler zu sammeln, die dann auch für Werbezwecke und zum Spendensammeln genutzt werden können. Allerdings kam die SMS-Botschaft dann doch nicht als erstes: Unmittelbar zuvor hatte der Kandidat schon ein Foto von sich und Biden auf seine Website gestellt.

Heute Nachmittag soll Biden in Springfied, Illinois der Wählerschaft öffentlich vorgestellt werden, dann geht es weiter zum Nominierungsparteitag der Demokraten in Denver, der am Montag beginnt.