Obdachlosen-Magazin über die EXPO
Asphalt ermöglicht ganz andere Blickwinkel
Auch das Obdachlosen-Selbsthilfe-Magazin "Asphalt" aus Hannover beschäftigt sich in der aktuellen Ausgabe mit der EXPO. Im Mittelpunkt stehen eine Umfrage unter den Verkäufern und Mitarbeitern zur Weltausstellung, das Thema Prostitution und soziale Aspekte. Die Statements und Artikel werfen ein ganz anderes EXPO-Bild auf.
"Asphalt" ist das Selbsthilfe-Magazin für Obdachlose in Hannover. Eine Zeitung kostet 2,50 DM, wovon die in der Regel wohnungslosen Verkäufer 1,20 DM erhalten. Langfristiges Ziel ist es, den Obdachlosen über den Zeitungsverkauf wieder eine Perspektive zu geben. Gleichzeitig fungiert das Blatt als Sprachrohr für ihre sozialen Belange. Herausgeber ist der Diakonie-Pastor Walter Lampe. In einer Diskussion beim Offenen Kanal Hannover forderte er unlängst deutliche Vergünstigungen beim EXPO-Eintritt für Sozialhilfeempfänger und Arbeitslose. Doch der stellvertretende Vize-Generalkommissar lehnte dieses Ansinnen aus organisatorischen Gründen ab: Man könne nicht auch noch die Berechtigung überprüfen. Wenn die Stadt Hannover das organisieren würde, könnte man darüber nachdenken. Es klang schon merkwürdig, denn Ausweise von Schwerbehinderten werden an den Ticket-Kassen durchaus überprüft.
In der aktuellen Juni-Ausgabe wurde einigen Verkäufern, Käufern und Mitarbeitern die Frage vorgelegt, ob sie zur EXPO gehen werden. Um es vorweg zu nehmen, die Mitarbeiter sprechen sich fast durchgehend für einen EXPO-Besuch aus. Kein Wunder, haben sie doch alle feste Einkommen. Die meisten Asphalt-Verkäufer verneinen bedauernd, da ihnen der Besuch der Weltausstellung zu teuer ist.
Asphalt-Ansichten zur EXPO
Patricia Ahrend (Aspalt-Verkäuferin): Ich bin gegen die EXPO, weil die armen Menschen dort nicht gern gesehen werden. Sie müssen auch die Stadt verlassen. Die Polizei macht jetzt mehr Kontrollen.
Dirk Hauburg (Asphalt-Käufer): Ich gehe hin, weil die EXPO in Hannover stattfindet. Da kann ich mit dem Rad hinfahren. Sevilla zum Beispiel war mir einfach zu weit weg. Ich habe auch schon das Baugelände von der Postbox aus betrachtet, und nun bin ich gespannt, was die fertige EXPO zu bieten hat. Fred Knorr (Asphalt-Verkäufer): Ich geh nicht hin. Aus keinen Fall! Für mich ist das Geldabzockerei. Der Bahnhofsumbau für die EXPO hat uns Verkäufern nur geschadet.
Karin Wieländer (Asphalt-Kolumnistin und -Gesellschafterin): Ich denke, ich gehe hin. Aus Neugier. Und um vor Ort kritisch die Vor- und Nachteile zu betrachten.
Marlis Lönneker (Asphalt-Vertriebsleiterin): Unsere Asphalt-Verkäufer können sich die EXPO mit Sicherheit nicht leisten, da es keine Ermäßigungen für Sozialhilfeempfänger gibt. Bus und Bahn werden teurer. Wer in Hannover wohnt, wird für die EXPO bestraft. Da überlege ich mir dreimal, ob ich hingehe oder nicht.
Elisabeth C. Gründler (Asphalt-Autorin): Natürlich gehe ich zur EXPO! Drei Jahre Baustellen und Stau: Da will ich doch wissen, wofür.
Prostitution und EXPO
Am Beispiel "Svetlana" greift das Magazin das Thema Prostitution auf. In der Hoffnung, während der Weltausstellung einen lukrativen Job zu finden, landet sie schließlich in einer Wohnung und wird zur Prostitution gezwungen. Schon seit Monaten werden Frauen aus Osteuropa mit falschen Versprechungen nach Hannover gelockt. Da vieles inzwischen in Wohnungen abläuft, gibt es kaum Möglichkeiten, mit diesen Frauen in Betreuungskontakte zu kommen.
In dem Asphaltbericht wird eine Schätzung der Polizei veröffentlicht, nach der die Zahl von Prostituierten von 1.800 auf 2.500 steigen wird. Besonders hoch ist dabei der Anteil von ausländischen Frauen. Als besonders kritisch wird die Situation eingeschätzt, dass durch den steigenden Konkurrenzdruck auf Kondome verzichtet werden könnte. Aus diesem Grund wurde während der Weltausstellung die Streetworktätigkeit erhöht.
EXPO nicht für Obdachlose
Noch immer warten die Verantwortlichen des Asphalt-Magazins auf die Antwort der EXPO-Verantwortlichen, ob das Magazin auch auf dem EXPO-Gelände verkauft werden darf. Auch die hannoverschen Verkehrbetriebe "Üstra" haben immer noch keine Ausnahmegenehmigung erteilt.
Gänzlich ausgeklammert sind nach Auffassung der Redaktion auf der Weltausstellung die Themen Armut, Obdachlosigkeit oder soziale Ausgrenzung. Zumindest war keine dieser Vokabeln in den Referentenvorträgen in einem Workshop für Journalisten benutzt worden. In der Juni-Ausgabe wird die Pressereferentin des EXPO-Themenparks Rhan Gunderlach zitiert, die "die Attraktionen ihres Bereiches als rein zukunftsorientiert" darstellt. Arbeitslosigkeit, Migration oder Immigration seien dort fehl am Platz. Außerdem sei die EXPO eine Veranstaltung, die vorwiegend der "Unterhaltung des Normalbürgers" diene.
Titel der Asphalt-Karikatur: Pavillon der Obdachloseninitiative e.V.: naturnah, flexibel, recycle-fähig und unbestritten günstig