Öko-Tod im Jurameer

Deutsche Wissenschaftler entdecken auf dem weltweit einzigartigen Eislinger Fischsaurierfriedhof erstmals urzeitliche Skelette von Krokodilen, Haien und Schlangenhals-Sauriern. Fielen diese vor 181 Millionen Jahren Opfer einer "ur-plötzlichen" ökologischen Katastrophe zum Opfer?

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Bei Untersuchungen im Rahmen eines Gemeinschaftsprojektes zwischen der Kreisarchäologie Göppingen und dem Institut für Geowissenschaften der Universität Tübingen waren in den vergangenen Jahren in Eislingen an der Fils (Kreis Göppingen) 17 Fischsaurier lokalisiert und größtenteils geborgen worden. Nunmehr haben die Paläontologen auf dem weltweit einzigartigen Fischsaurierfriedhof erstmals auch Millionen Jahre alte Skelette und Knochen von Krokodilen, Haien und den seltenen Plesiosauriern (Schlangenhals-Saurier) entdeckt. Nach den bisherigen Erkenntnissen hat sich die Gesteinsschicht, aus der die Funde stammen, vor 181 Millionen Jahren am Grund des Jurameeres gebildet. Spezielle Untersuchungen zeigen, dass der Tod der Tiere möglicherweise auf eine Umweltkatastrophe zurückzuführen ist.

Gestein schmilzt glasartig auf und wird hochgeschleudert. Gewaltige Feuerstürme ziehen über die Erde. Milliarden Tonnen Gesteinstrümmer, Asche, Ruß, und Gase steigen in einer riesigen Rauchsäule bis in die obersten Schichten der Stratosphäre. Große Staub- und giftige Schwefelwolken umhüllen den Globus und bilden einen Wolkenteppich, der Sonnenstrahlen, Licht und Wärme abschirmt. Eisige Kälte hält Einzug. Pflanzen und Tiere sterben.

Massenaussterben kein singuläres Phänomen

So in etwa könnte es vor 65 Millionen Jahren ausgesehen haben, als sich ein 10 bis 14 Kilometer großer Asteroid mit einer Aufprallgeschwindigkeit von 15 Kilometer in der Sekunde in den Erdboden bohrte. Viele Indizien deuten darauf hin, dass der Chicxulub-Krater in Yucatan/Mexiko jene Stelle ist, wo einst der todbringende kosmische Brocken niederging, der mit der fünfmilliardenfachen Kraft der Hiroshima-Atombombe einen 180 Kilometer großen und 10 Kilometer tiefen Krater sprengte. Der gewaltige Aufprall zog gewaltige Erdbeben, massive vulkanische Aktivität und das Umkippen des gesamten Ökosystems nach sich. Dreiviertel der damals lebenden urzeitlichen Geschöpfe verendeten - unter ihnen die vielleicht spektakulärsten Kreaturen, die unseren Planeten jemals bewohnt haben: die Dinosaurier.

Der Einschlag des Asteroiden in Yucatan/Mexico (Bild: NASA)

Solche "Massenextinktionen", wie Geologen und Paläontologen ein lokal großflächiges oder globales Massensterben von Flora und Fauna nennen, hat es in der Ur- und Frühgeschichte der Erde immer wieder gegeben. Wie die fossile Überlieferung dokumentiert, wurde unser Planet während der letzten 600 Millionen Jahren mindestens von sechs großen geologischen beziehungsweise biologischen Katastrophen heimgesucht, bei denen jeweils über die Hälfte aller vorhandenen Arten zu Grunde ging. So ereignete sich das größte Massensterben der Erdgeschichte vor 250 Millionen Jahren. Damals verendeten neunzig Prozent aller im Meer lebenden Organismen und die meisten Landpflanzen und fast drei Viertel aller Landwirbeltierarten. Über die genaue Ursache dieser Katastrophe rätseln Experten weltweit noch heute.

Über 1000 Knochen freigelegt

Eine Katastrophe ähnlichen Ausmaßes könnte sich auch vor 181 Millionen Jahren in unseren "Breitengraden" ereignet haben, als Mitteleuropa noch von einem flachen Meer bedeckt gewesen war. Von dieser Annahme geht zumindest ein Forscherteam der Kreisarchäologie Göppingen und dem Institut für Geowissenschaften der Eberhard Karls Universität Tübingen aus, das während einer intensiven Ausgrabungskampagne im Bereich des weltweit bekannten Eislinger Fischsaurierfriedhofs im Kreis Göppingen kürzlich auf einem 1600 Quadratmeter großen Areal mehr als 1000 Knochen unterschiedlicher Größe freilegte. Dabei entdeckten die Forscher erstmals größere Mengen an Skelettteilen von Meereskrokodilen, Überreste von Stachelhaien und Extremitätenknochen eines seltenen Schlangenhalssauriers. "Dies sind höchst seltene Funde. Sensationell ist, dass die Knochen dreidimensional erhalten sind. An der Oberfläche sind sogar Ansätze von Muskelgewebe und Sehnen erkennbar", freut sich der Ausgrabungsleiter Dr. Reinhard Rademacher. "Eislingen ist ein Phänomen, das sich wohl kilometerweit erstreckt und weltweit einzigartig ist."

Humerus (Oberschenkelknochen) eines Schlangenhalssauriers (Plesiosaurus) (Bild: Uni Tübingen)

Bei den Ausgrabungen konzentrierten sich die Wissenschaftler auf das Belemnitenschlachtfeld, eine maximal 10 Zentimeter starke Schicht aus tonig-mergeligem Gestein, das mit gigantischen Mengen von Überbleibseln von Tintenfischen (Belemniten) durchsetzt ist. Im oberen Bereich dieser Fundschicht, die sich über zirka 7,5 Kilometer durch den mittleren Abschnitt des Filstals im Landkreis Göppingen erstreckt, liegen die Saurierknochen eingebettet. Dass in dieser Gegend bereits schon vor Jahren etliche spektakuläre Fossilien und Knochen aus der Jurazeit zutage gefördert wurden, hat einen triftigen Grund. Denn im Grenzbereich des Lias epsilon/zeta, womit Paläontologen und Geologen den Zeitraum vor 181 Millionen Jahre bezeichnen, war Mitteleuropa noch von einem flachen Meer bedeckt. Während dieser Erdepoche war unser Kontinent ein Randmeer des Thetys-Ozeans, eines Vorläufers des heutigen Indischen Ozeans. Wohl deshalb zeigten sich die Forscher überrascht, als nach dem Abtragen von einem Meter Sediment - nur die letzten 30 Zentimeter wurden mit Feinwerkzeug abgetragen - derart seltene Knochen zum Vorschein kamen. "Hierbei stießen wir auf einen Flossenstachel eines Hais, der wie die Saurierknochen dreidimensional erhalten war. Die aufgefundenen Wirbel stammen alle vom Krokodil oder von Fischsauriern", erzählt der Paläontologie-Student Philipe Havlik. "Und von dem Krokodil, das wir fanden, wissen wir, dass es mit zwei Metern Länge relativ klein war. Aber die damaligen Tiere waren besser am Wasser angepasst als unsere heutigen".

"Ur-plötzliche" Ökokatastrophe

Nicht minder sensationell ist aber auch das Ergebnis der durchgeführten mikropaläontologischen und geochemischen Analysen der vorliegenden fossilen Knochenfragmente. Sie deuten darauf hin, dass der Tod der in dieser Ablagerung geborgenen Tiere offenbar mit einer "ur-plötzlichen" Ökokatastrophe zusammen hängt. "Der Auslöser hierfür war höchstwahrscheinlich der Feststoff Methanhydrat", betont der Tübinger Geologe und Paläontologe Dr.phil. Dr.rer. nat. Michael Montenari am Freitag letzter Woche in Uhingen (Kreis Göppingen) auf einer eigens einberufenen Pressekonferenz. "Es ist einerseits ein sehr kostbarer Energieträger, andererseits eines der schärfsten Stoffe, die ich in letzter Zeit kennengelernt habe". Montenaris "Methanhydrat-Theorie" basiert auf einer ungewöhnlichen Anomalie, die ihm bei der Analyse der Eislinger Gesteinsschicht aufgefallen war. Denn zu seiner Überraschung fand er im Gestein eine Erhöhung im Mengenverhältnis von Kohlenstoff-12 zu Kohlenstoff-13, was ein klarer Hinweis auf die Aktivität von Methan produzierende Bakterien (Methanobacter) war. Normalerweise entsteht biogenes Methan infolge der Aktivität solcher Mikroben, wobei sich die verräterischen Spuren, die solcherlei Einzeller hinterlassen, in dem geringfügig erhöhten Kohlenstoff-12 äußern.

Methanhydrat entsteht in der Regel im Meer, wenn sich Methan bei einer Meerestiefe von 400 bis 500 Meter Tiefe und 2 bis 4 Grad Celsius mit Wasser vereinigt. Dort lagert es sich dann als eisartiger Feststoff am Grund des Meeres ab. Wird das darin eingeschlossene Gas beispielsweise infolge geologischer Aktivitäten freigesetzt, wirkt es als extrem aktives Treibhausgas. "In seiner Wirkung ist es dann 30 bis 32-mal stärker als Kohlendioxid, das momentan unseren Treibhauseffekt prägt", erklärt Montenari.

Verstärkter Treibhauseffekt und verseuchtes Meer

Tatsächlich nähren die Eislinger Funde den Verdacht, dass genau dies vor 181 Millionen geschehen sein könnte. Möglicherweise hat sich damals das eisartige Methanhydrat nach einem Erdbeben vom Meeresboden gelöst, bevor es dann nach oben getrieben wurde. Als dieses mit Luft in Berührung kam, spaltete es sich in Kohlendioxid und Methan auf. Darauf hin verflüchtigen sich beide Gase, konzentrierten sich dann aber wieder in der Atmosphäre - allerdings mit der Folge, dass sich dadurch der Treibhauseffekt gleichzeitig verstärkte. Anfangs resultierte hieraus nur eine geringfügige Klimaerwärmung, die sich aber sukzessive steigerte, bis die kritische 5- bis 6-Grad-Celsius-Grenze dann endgültig erreicht war, bei der das Methaneis - das nur bei 2 bis 4 Grad Celsius stabil ist - sich vom Meeresboden zu lösen beginnt.

Computergeneriertes Falschfarbenbild des Chicxulub-Kraters (Bild: NASA)

Für die maritime Fauna und Flora war dieser Temperaturanstieg besonders fatal, weil das emporsprudelnde Gas das Meerwasser zusätzlich mit starken Giftstoffen belastete. "Das Jurameer muss vor über 181 Millionen Jahren sehr stark mit Schwefelwasserstoff angereichert und sauerstofffrei gewesen sein", sagt Montenari. "Schwefelverbindungen wurden vom Meeresboden emporgewirbelt und Methylalkohol breitete sich aus." Die Fische seien regelrecht erstickt, weswegen man bei den Ausgrabungen auch Überreste von vielen Fischen gefunden habe, so der Geologe. Gleichwohl dürfte aber das giftige und sauerstofffreie Wasser den Sauriern keine sonderlichen Probleme bereitet haben, mussten diese doch als Reptilien ohnehin immerfort auftauchen und nach Sauerstoff schnappen. Sie starben erst später, als ihnen infolge der Verseuchung des Ozeans schlichtweg die Nahrung (Fische, Plankton etc.) entzogen wurde.

Auch eine Erklärung: Noah verweigerte Sauriern Unterschlupf

Was auch immer den Anfang vom Ende der "Eisberger" Saurier letzten Endes eingeleitet haben mag - ob Erdbeben, Meeresspiegelschwankungen oder Vulkanismus - oder alle drei Phänomene zusammen - eines ist nach Ansicht von Montenari so gut wie sicher: Das Massensterben im Grenzbereich des Lias epsilon/zeta hatte fraglos nicht eine einzige Ursache. "Globale Massensterben sind immer polykausal; nicht monokausal".

Dies gilt im Besonderen für alle Erklärungsversuche, die sich auf die K/T-Grenze beziehen, jener Grenze zwischen der Kreide und dem Tertiär, die das Ende der Dinosaurier markiert. Zwar sind im Laufe der Jahre Hunderte von wissenschaftlichen Arbeiten geschrieben worden, die Gründe für das Dinosauriersterben vor 65 Millionen Jahren aufzählen. Doch nimmt das Gros dieser Ideen bisweilen haarsträubende Züge an. Da ist von Bandscheibenvorfällen, Überproduktion an Hormonen, Verlust des Interesses an Sex, Konkurrenzkampf mit Raupen, seltsamen Virusinfektionen oder geheimnisvollen kosmischen Strahlen die Rede.

Trotzdem dürfte die von Ben van Noort in die Welt gesetzte These, die der holländische Theologe Mitte 1998 gegenüber der holländischen Tageszeitung Algemeen Dagblad zum Besten gab, immer noch die Abgedrehteste von allen sein. Schließlich behauptete der Geistliche seinerzeit doch ernsthaft, die Dinosaurier seien nur deshalb ausgestorben, weil auf der biblischen Arche Noah anno dazumal für die Riesenechsen kein Platz mehr gewesen sei. Noah habe auf seiner Arche nur "Landtiere und Vögel" und keine Sumpftiere mitnehmen können. Deshalb seien alle Dinosaurier in der großen Sintflut ertrunken. Und die sei ja zudem nicht vor 65 Millionen, sondern vor 6000 Jahren gewesen